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Computer und Kommunikation vom LinuxTag 2007

Jedes Jahr pilgert die ständig wachsende Schar der Linuxanhänger zum LinuxTag, der an wechselnden Orten stattfindet. In diesem Jahr präsentieren Fans, Entwickler und Unternehmen neue Ideen, Programme und Visionen in den Berliner Messehallen.

Von Manfred Kloiber und Peter Welchering | 02.06.2007
    Manfred Kloiber: Willkommen und zu Computer und Kommunikation live vom LinuxTag 2007. Zum 12. Mal findet er dieses Jahr statt und neu ist der Veranstaltungsort, denn bislang haben die Organisatoren eher kleinere Städte mit hohem Studentenanteil vorgezogen, nun der Umzug in die Hauptstadt.

    Peter Welchering: Genau genommen der Umzug in zwei Messehallen, denn der LinuxTag hat hier unter dem Berliner Funkturm zwei Messehallen belegt. Die Veranstaltung ist zwar übersichtlicher geworden, wenn man sie vergleicht mit den Veranstaltungen der Vorjahre, aber das Interesse der Anwender aus der Industrie und das Interesse der Hersteller ist wesentlich größer geworden. Unter anderem die Hersteller von Unterhaltungselektronik haben ihre Softwareexperten gleich Dutzendweise auf den LinuxTag geschickt.

    Kloiber: Denn die Installationszahlen von Linux auf den PCs steigen: aktuelle Marktberichte sprechen von einem Linux-Anteil um die sechs Prozent. Allerdings muss man wissen, dass Linux traditionell im Serverbereich sehr stark ist. Schaut man sich den Desktopbereich an, also die Computer auf oder am Schreibtisch, dann muss man dort sicherlich Abstriche machen - 2,5 Prozent, so lautet die Schätzung. Es gilt also, diesen Abstand, Linux will aufholen und das bedeutet auch, dass Linux auch in möglichst viele Anwendungsbereiche vordringt.

    Welchering: Und ein solcher Anwendungsbereich sind Geo-Informationssysteme. Dahinter verbergen sich übrigens nicht die schönen Bilder von Google Earth, sondern so etwas wie Navigationsanwendungen, interaktive Stadtpläne, digitale Grundbücher oder auch Landschaftssimulationen, die zum Beispiel aufzeigen sollen, was der Klimawandel in den nächsten 15 oder 20 Jahren anrichten wird. Dabei setzen die Entwickler immer stärker auf Geo-Informationssysteme auf der Basis freier Software. Warum machen die das, habe ich mich gefragt und die Frage hab ich gleich weitergegeben an Malte Halbey-Martin von der GRASS Anwendervereinigung e.V., die sich um solche Geo-Informationssysteme kümmert. Herr Halbey-Martin, warum werden diese Geo-Informationssysteme denn so gerne von Entwicklern auch für Simulationen oder ähnliches eingesetzt?

    Malte Halbey-Martin : Die Ergebnisse der Analysen, die mit Geo-Informationssystemen durchgeführt werden, müssen nachvollzogen werden. Das Beispiel Klimasimulation: der freie Quellcode der Software gibt den Entwicklern oder auf dem Anwender die Möglichkeit, wirklich zu reproduzieren, wie ist dieses Ergebnis zu Stande gekommen, welche Algorithmen wurden innerhalb der Software benutzt, um zu diesem Ergebnis zu kommen.

    Welchering: Das heißt, er kann wirklich in den Quellcode hinein schauen und sagen, aha, das waren die Parameter und dann wurde das gemacht und so weiter. Ist das bei proprietärer Software anders?

    Halbey-Martin : Es ist auf jeden Fall nicht so einfach beziehungsweise häufig ist es so, dass man halt einen Knopf hat, auf den Mann drückt. Man hat eventuell, hoffentlich, irgendwo dokumentiert, wo welcher Algorithmus hinter dieser Funktion steckt. Wenn nicht, muss man sich halt an den Support wenden und das ist auf jeden Fall in freier Software viel einfacher zu realisieren. Man guckt einfach in den Sourcecode und hat das, was man braucht.

    Welchering: In Deutschland haben wir einen langen Streit um die Standards für diese Geo-Informationssysteme und da haben wir uns noch nicht so richtig einigen können. Könnte denn die Gemeinde der freien Software da nicht so ein bisschen vermitteln und endlich dafür sorgen, dass solche Standards sich auch wirklich durchsetzen können? Weil da haben die proprietären Hersteller ja doch immer so ein bisschen gebremst in der Vergangenheit.

    Halbey-Martin : Auf jeden Fall, weil die proprietäre Software versucht natürlich, den Kunden an das Produkt zu binden. Freie Software ist generell so ausgelegt, dass es möglichst viele Schnittstellen gibt. Und die freie Software ist auch daran interessiert, immer Standards zu implementieren, zum Beispiel ist man gerade dabei, die Strukturen von Geo-Daten zu spezifizieren, damit alle einheitlich darauf zugreifen können.

    Welchering: Also die Standards können durch die Kollegen, die freie Software machen, etwas direkter umgesetzt werden und dastehen dann nicht so etwas kommerzielle Hemmnisse entgegen. Das ist ja eigentlich schon einmal ein schönes Ergebnis für die Geo-Informationssysteme.

    Kloiber: Solche Geo-Informationssysteme können eigentlich auch im Erdkundeunterricht zum Beispiel verwendet werden, zumal sie dann ja kostenlos sind. Das ist vielleicht einer der vielen Gründe, warum Schulen darüber nachdenken, es manchmal auch zu tun, ihre Rechnerräume nämlich mit Linux-PCs auszustatten, wenngleich der Kostenaspekt nur einer von vielen ist. Ralf Gesellensetter aus Bielefeld ist Lehrer an einer Gesamtschule und er hat an seiner Schule auf das Paket Skolelinux gesetzt. Herr Gesellensetter, was waren denn die Gründe dafür?

    Ralf Gesellensetter: Ich muss sagen, als ich 2000 an die Gesamtschule kam im Kreis Gütersloh, war Linux schon da, ganz versteckt auf einem kleinen Server, der dafür zuständig war, Internetseiten, die Schüler besser nicht zu Gesicht bekommen, weg zu filtern. Skolelinux, bis sie zu diesem Schritt kamen, dauerte es eine ganze Zeit. Der Grund war letztlich, dass bestimmte Aufgaben, die an Schulen notwendig sind, zum Beispiel dass jeder Schüler ein Benutzerkonto bekommt, in bestimmter Zeit erledigt werden müssen. Als Informatiklehrer habe ich 1,5 Stunden Entlastung für die Wartung von Computerräumen. Sie können sich vorstellen, wenn ich jetzt mit einer CD von Rechner zu Rechner gehen müsste, das ist nicht machbar. Skolelinux bietet einen Terminalserver zum Beispiel. Dabei ist es so, was man auf einem zentralen Rechner ein Programm nur einmal installieren muss und sofort ist es im ganzen Raum nutzbar - da erspart man sich eine ganze Menge Zeit.

    Kloiber: Also ein Aspekt daran ist, dass es sicherlich einfacher zu administrieren ist, dass es nicht so viel Aufwand bedeutet, weil es zentral administriert wird. Die Rechner, die dort sind, sind alles nur dumme Rechner, weil sie nur anzeigen, was der zentrale Rechner da macht. Man kann dafür zum Beispiel auch gebrauchte Rechner, also preisgünstige Computer einsetzen?

    Gesellensetter: Richtig. Wir sind auch an einer Agenda-Schule in einem Technikprojekt, wo alte Rechner recycelt werden, so dass sie nur mit einer boot-fähigen Netzwerkkarte auch eingesetzt werden können. Ich muss aber dazu sagen, es gibt im Scholae-Linux auch die Möglichkeit, richtige Workstations einzusetzen. Auch das haben wir in einem Raum, dort haben wir per Dualboot auch noch Windows-Rechner, die auf den Samba-Server von Linux zugreifen und man kann dort seine Dateien nutzen.

    Kloiber: Interessant, man kann auch beides laufen lassen, wenn man schon einen Rechner-Raum hat mit Windows-Computern, kann man trotzdem Linux parallel darauf laufen lassen in diesem Scholae-Linux-Paket. Was sind denn da für pädagogische Anwendungen drauf, was wird denn geliefert, damit die Schüler überhaupt etwas Sinnvolles machen können?

    Gesellensetter: Wenn wir einmal von den produktiven Anwendungen absehen, die eigentlich zu fast 90 Prozent genutzt werden wie Internet und Office, da dann sind auch bei Scholae-Linux die üblichen Lernprogramme, die es für KDE und Debian gibt, enthalten: zum Beispielmathematik, ein Funktionsplotter, ein dynamisches Geometrieprogramm, Vokabellernprogramme und dergleichen, um nur einige zu nennen.

    Kloiber: Das Problem ist ja ganz oft, wenn man Linux einsetzt, dann hat man in der Schule vielleicht eine ganz tolle Installation. Und wenn die Schüler dann nachhause gehen, da dann sitzen sie oft vor einem Windows-Computer, weil Linux ja einfach noch nicht so weit verbreitet ist. Gibt das keine Konflikte, dass die Schüler sagen 'ich würde eigentlich ganz gerne das Programm, was ich hier in der Schule habe, auch zuhause nutzen können, oder auch mal umgekehrt, das, was ich zuhause nutze, auch in der Schule haben'?

    Gesellensetter: Ja, der Schwerpunkt sollte hier meiner Meinung nach nicht bei den Betriebssystemen liegen, sondern beim Punkt freie Software. Dadurch, dass für freie Software nutzen, können die Schüler eben auch, ohne sich strafbar zu machen oder in die Tasche greifen zu müssen, die Software zuhause nutzen, sei es, dass es da Ports für Windows gibt, das nimmt zu. KDE vier werden wir gleich hören, wird auch portiert. Oder eben durch eine Live-CD, die ich ihnen mit nachhause geben kann.

    Welchering: Und wer viel gelernt hat, der muss sich auch entspannen. Meine Tochter etwa macht das beim Musikhören. Der gibt es ja seit einigen Jahren die Visionen vom umfassenden Media Center. Das soll dann im Wohnzimmer stehen und uns dann auch mit der gewünschten Musik versorgen. Und so etwas kann zum Beispiel Amarok, ein System, das hier in Berlin gezeigt wird. Sven Krohlas, Software für das Verwalten von MP3-Dateien gibt es ja viele. Was kann denn Amarok da mehr?

    Sven Krohlas: Amarok versucht, zu den vorhandenen Songs weitere Informationen zu bekommen. Beispielsweise holen wir ähnliche Interpreten über last.fm und können dadurch Musikempfehlungen geben. Wir können schauen, welche Songs hat der Benutzer noch in seiner Sammlung und können Empfehlungen geben, wir können die Liedtexte aus dem Internet holen, wir können Informationen aus der Wikipedia holen. Wir holen die alten Covers, damit das einfach schön aussieht und wir können noch einiges an Kleinigkeiten.

    Welchering: Wer bestimmt denn, welche Informationen zu einem ganz bestimmten Song aus dem Internet geholt werden: der Anwender oder ist das voreingestellt?

    Krohlas: Prinzipiell lassen sich alle inneren Funktionen abschalten, denn es gibt Leute, die haben Bedenken, wenn beispielsweise bei last.fm angefragt wird, was gibt es für passende Songs zu "The Cure". Dann weiß ja last.fm, dass ich etwas von dieser Gruppe höre. Oder auch, wenn Albumcovers hole. Das ist alles optional, Privacy ist ein ganz wichtiges Thema.

    Welchering: Solche Mp3-Dateien Kosten ja Geld. Wenn ich da Amarok einsetzte, wen bezahle ich dann?

    Krohlas: Amarok ist im Prinzip kostenlos. Sie können Ihre CD-Sammlung auf den Rechner ziehen, sie können freie Musik verwenden, da gibt es auch sehr viel bei dem Dienst Jamendo, das wird bald integriert sein. Wo sie auch ihre Musik her haben, Amarok wird damit klar kommen.

    Welchering: Werden denn alle diese Dateien herunter kopiert und landen dann auf der Festplatte oder wie sieht das technisch aus?

    Krohlas: Amarok arbeitet prinzipiell mit der Sammlung, die schon auf der Festplatte besteht. Jamendo wird dann so integriert werden, dass man die Songs online anhören kann und bei Bedarf auch runterladen. 40.000 Songs auf einmal herunterladen oder mitliefern, das ist utopisch, das ist nicht zu machen.

    Welchering: Nun gibt es ja Vorlieben für bestimmte Player. Was mache ich denn mit meinem Lieblings-Player, wenn ich mir überlege, vielleicht Amarok zu installieren?

    Krohlas: Man kann natürlich unterschiedliche Software für den gleichen Zweck parallel installieren: mal kann man Amarok verwenden, mal iTunes oder den Windows Media Player und was immer es da noch gibt - das muss man nicht deinstallieren deswegen.

    Welchering: Kann ich mir damit auch so regelrechte Programme zusammenstellen, so dass ich beispielsweise über zwei stunden lang mit Musik versorgt bin?

    Krohlas: Amarok hat gewisse Funktionen, um automatisiert Abspiellisten zu erstellen nach Kriterien. Unter Amarok, wenn ich ein bisschen technisch werden darf, liegt eine große Datenbank, die Informationen verknüpft. Ich kann beispielsweise Amarok sagen 'hol mir jetzt Songs aus den 80ern, sich positiv bewertet habe und die erst seit soundsoviel Tagen in meiner Sammlung sind'.

    Welchering: Amarok soll in Richtung Media Center weiterentwickelt werden. Was sind denn da so die nächsten Projekte?

    Krohlas: Die nächsten Projekte sind erst einmal die Portierung auf Windows und auf Mac, wobei wir nicht versprechen können, gleich von Anfang an mit der vollen Funktionalität starten zu können, da viele Bibliotheken nur auf manchen Plattformen verfügbar sind. Es gibt viele Menschen, die eine Video-Unterstützung fordern. Eine Video-Unterstützung ist sehr schwierig, da es kaum Meta-Daten in Videos gibt. Podcast und Videopodcasts werden eventuell unterstützt werden, aber mit Videos sieht es wegen der fehlenden Infrastruktur schlecht aus.

    Kloiber: Ich melde mich jetzt hier von der Rollbahn 27 auf dem Stadtflughafen Berlin Tempelhof. Ich sitze hier in einer Piper und drehe eine Platzrunde - und zwar mit dem Flugsimulator FlightGear. Das Open Source-Projekt gibt es schon seit zehn Jahren und Martin Spott ist einer von etwa 20 Menschen weltweit, die an diesem Flugsimulator arbeiten. Herr Spot, was ist denn das Besondere an FlightGear?

    Martin Spott: Das Besondere ist, und darin unterscheidet es sich von dem bekannten Produkt Microsoft Flight Simulator, dass es auf verschiedensten Plattformen läuft, dass der Quelltext offen ist, dass jeder, der halbwegs qualifiziert ist, seinen Beitrag zu leisten, das auch tun kann. Ihm stehen verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten offen, mit den bisherigen Entwicklern in Kontakt zu treten und je nach seinen Fähigkeiten, nach seinen Vorlieben, je nachdem, was er machen möchte, seinen Beitrag zu leisten und sich danach daran zu erbauen, dass es tatsächlich funktioniert.

    Kloiber: Einen Beitrag zu leisten, das könnte zum Beispiel bedeuten, dass ich neue Fluggeräte einbaue oder wie kann das aussehen?

    Spott: Das Interessanteste ist sicherlich die Entwicklung des eigentlichen Kerns des Flugsimulators, der in C++ programmiert ist. Aber das ist nun einmal nicht jedermanns Sache. Es gibt auf der ganzen Welt Leute, die große Begeisterung daran finden, etwa Gebäude in die Landschaft zu stellen, wie wir sie hier auf dem rechten Schirm zum Beispiel sehen. Da hat jemand in Berlin ein Hotelgebäude nachmodelliert oder hier den Turm am Alexanderplatz. Andere Leute haben eine Vorliebe, Flugzeuge zu modellieren. Sie setzte sich dann in ihrer Freizeit hin und tüfteln, tragen Informationen zusammen, wie dieses Flugzeug denn fliegen soll und irgendwann tauchen die bei uns auf und haben etwas Beachtliches vorzuzeigen.

    Kloiber: Ich finde auch, das hier ist wirklich das Panorama von Berlin, was ich hier sehe, was wirklich beachtlich ist. Es ist aber immer noch sehr artifiziell, es ist noch nicht fotorealistisch. Ist das ein Ziel, was auch noch verfolgt wird?

    Martin Spott: Man muss immer ein bisschen die Interessen abwägen. Es soll primär nicht hübsch aussehen, sondern der FlightGear soll den Arbeitsplatz des Piloten simulieren, mit dem, was den Piloten während der Fliegerei wirklich interessiert. Das besteht darin, dass er irgendwelche Landmarken sieht, wenn er nach Sichtflugregeln fliegt, dass die Landebahn an der Stelle liegt, wo er sie erwartet, dass die Funknavigationseinrichtungen tatsächlich so zu benutzen sind, wie der Pilot das beim Landeanflug erwartet. Das sind die Sachen, die bei uns im Vordergrund stehen und um die wir uns rege bemühen. Vieles davon funktioniert beachtlich gut.

    Welchering: Handys sind ja an Bord von Flugzeugen streng verboten, ich vermute, wohl auch deshalb haben die Mitarbeiter von Mobiltelefonherstellern und die Entwickler von PDAs den Flugsimulator links liegen lassen und sind schnurstracks weiter zu den Anbietern von Betriebssystemen für Handys und andere Mobilegeräte in die Halle 14 gegangen. Vladimir Minenko von Trolltech hat solch ein Entwicklungssystem für Mobilegeräte im Messegepäck. Wie stark ist denn hier auf dem LinuxTag das Interesse der Handyhersteller an solchen Applikationen?

    Minenko: Wir haben hier sehr viele Besucher und generell ist das Interesse der Hersteller sehr. Wir führen Gespräche mit diversen Unternehmen und es gibt schon viele Geräte, die schon heute unsere Umgebung verwenden.

    Welchering: Was ist denn das Besondere an Linux auf einem Handy? Was kann Linux, was andere Betriebssysteme nicht können?

    Minenko: Mit der Zeit hat sich ergeben, dass die Hardware-Umgebung in mobilen Geräten schon sehr mächtig geworden ist und viel, was man vom Desktop kennt und benutzt, auch auf mobilen Geräten verwendbar ist. Außerdem ist das ganze System sehr flexibel und anpassbar, auch renderbar. Das braucht man in diversen speziellen Geräten, wo dann spezielle Hardware auch verwendet wird.

    Welchering: Heißt das, dass die Produktzyklen bei den Handys noch kürzer werden?

    Minenko: Das könnte durchaus passieren.

    Welchering: Nun gibt es ja auch schon einige Viren, die auf Handys Unheil anrichten. Wie sieht denn das bei Linux aus, ist Linux dar besser geschützt?

    Minenko: Ich denke schon, dass das Sicherheitsniveau mit der Zeit steigen wird. Es gibt auch interessante Aussagen von Sicherheitsexperten, dass die sichersten Systeme eigentlich offene Systeme sind, wo man auch etwas korrigieren oder hinein schauen kann. Und das wird sich wahrscheinlich mit Linux verbessern.

    Welchering: Ich habe auf dem LinuxTag auch erfahren, dass nicht nur die Hersteller von PDAs gekommen sind, um so ein Betriebssystem einmal auf ihre Geräte zu bekommen, sondern auch Hersteller von Settopboxen sich dafür interessieren, was machen die denn damit?

    Minenko: Diese Geräte müssen auch eine grafische Benutzeroberfläche besitzen, und Trolltech bietet eine Plattform für solche Oberflächen. Außerdem sind wir an auch in der Open Source Gemeinde ziemlich aktiv. Es gibt auch eine große Basis für zum Beispiel auch den KDE-Desktop.

    Welchering: Das kann ich dann notfalls auch auf meinem PC einfach so bearbeiten und damit auch entwickeln?

    Minenko: Ja, auf dem PC läuft das auch.

    Welchering: Auf dem PC, wenn dort QT oder auch Utopia läuft, dann lassen sich ganz viele neue Anwendungen entwickeln. Wir haben uns auch angeschaut, was auf die Windows-PCs zukommt, wenn denn da die freie Softwaregemeinde zuschlägt.

    Kloiber: Wenn man sich hier in der Halle 14 auch orientiert und den Hallenplan studiert, dann stellt man fest, alles hat zwei Seiten: links ist KDE und rechts ist GNOME. Die Linuxgemeinde ist auch etwas gespalten, was die grafische Benutzeroberfläche angeht. Für beide gilt, es wird sie einmal auch auf Windows geben, so dass für Linux entwickelte Programme auch auf Windows erscheinen können. Und schon zur nächsten Version von KDE 4.0 sollen dann Programme für Windows erscheinen und sie sollen auch unter Windows laufen können. Sebastian Kügler aus der KDE-Gemeinde, warum gehen Linux-Entwickler eigentlich hin und denken über Windows nach?

    Sebastian Kügler: Im Grunde genommen sind es keine Linux-Entwickler, die über Windows nachdenken, sondern Windows-Entwickler, die sich überlegen, wie können sie freie Software auch auf Windows bringen. Und die Voraussetzung ist eigentlich geschaffen, indem QT - die darunter liegende Bibliothek - auch für Windows unter die GPL gestellt worden ist. Das heißt, man konnte unter den gleichen Lizenzbedingungen anfangen, die KDE-Bibliotheken auch auf Windows zu portieren. Das heißt, man hat die Grundlage geschaffen, um eigentlich KDE - plattformunabhängige Software auch unter Windows laufen zu lassen.

    Kloiber: GPL muss man erklären, das ist im Prinzip eine Vereinbarung, die besagt: Du kannst das frei nutzen und Du kannst darauf entwickeln, wenn du das, was du entwickelt hast, wiederum frei zur Verfügung stellt. Es ist also eine Vereinbarung, die dafür sorgt, dass immer mehr Software auch frei entwickelt werden kann. Nun wird es eben die Möglichkeit geben, auf Windows tatsächlich bekannte Programme aus Linux zu portieren. Wie wird das denn für einen Windows-Benutzer aussehen, was muss er machen?

    Kügler: Auf der Webseite kdelibs.com, die wird gerade benutzt, um den Status und die Dokumentation zu diesem Projekt wiederzugeben. Im Endeffekt wird es für den Windows-Benutzer wie gewohnt so aussehen, dass man sich Installationsarchive herunterladen kann und die ganz einfach auf Windows installiert. Man benötigt keine Kenntnisse von Linux, um KDE-Programme auch auf Windows benutzen zu können.

    Kloiber: Auf der anderen Seite müssen die Entwickler von den traditionellen Linux-Programmen jetzt hingehen und eine spezielle Ausgabe für Windows erzeugen und dabei viele Sachen berücksichtigen?

    Kügler: Der Quellcode ist plattformunabhängig, man muss einfach nur die Archive für Windows erstellen. Beim Programmieren von KDE-Applikationen muss man halt auch darauf achten, dass man etwas breiter denkt, dass man nicht die Software speziell für Linux entwickelt, sondern dass man auch daran denkt, dass bestimmte Sachen auf anderen Plattformen halt anders aussehen. Die Entwickler arbeiten da eng zusammen, man schaut, was die anderen machen und sagt zwischendurch auch einmal, das funktioniert so auf Windows aber nicht, da müssen wir uns einmal überlegen, wie wir das so lösen können, dass es eben für jeden funktioniert.

    Kloiber: Nun werden wir einige Programme ja demnächst auch auf Windows verfügbar sein. Wie lange dauert das ungefähr noch, bis eben diese ganzen freien und damit auch kostenlosen Programme aus der Linux-Welt rüber wandern auch in die Windows-Welt?

    Kügler: Im Oktober wollen wir den KDE 4.0 Desktop für Linux und Unix herausbringen und gleichzeitig werden schon Programme für Windows entwickelt. Wann die genau fertig sind, ist wieder abhängig von der Zeit, die die Entwickler dafür haben, und vom Interesse, das in der Gemeinde dafür da ist. Die ersten Testprogramme funktionieren, im Moment wird daran gearbeitet, dass es mehr Applikationen werden.