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Computeranimation
"Deutschland ist ein bisschen noch Entwicklungsland"

Am Computer gestaltete Figuren, wie etwa die digitalen Drachen aus "Game of Thrones", wirken inzwischen nahezu realistisch. Es ist eine eigene kleine Branche, die sich mit Computeranimationen beschäftigt. Auf der Fachkonferenz Animago in München wurde deutlich, die Bedingungen in Deutschland könnten besser sein.

Von Maximilian Schönherr | 29.10.2016
    Sebastian Lauer auf der animago in München. Er digitalisiert die Drachen für die US-Serie "Game of Thrones"
    Sebastian Lauer auf der animago in München. Er digitalisiert die Drachen für die US-Serie "Game of Thrones" (Maximilian Schönherr)
    "Träumen Sie von den Drachen?" - Sebastian Lauer: "Kann ich nicht verneinen. Aber nur Gutes!"
    Sebastian Lauer ist der Drachen-Mann. Er entwickelt seit fünf Jahren bei Pixomondo in Frankfurt die fliegenden Urwesen in der Fernsehserie Game of Thrones. Sie sehen so echt und natürlich aus, weil sie sich homogen in die Spielszenen mit den realen Schauspielern einpassen.
    "Man strebt ja immer nach einem Fotorealismus. Ich meine, wir sind fast da. Aber es gibt immer noch Dinge, wenn ich jetzt einen echten Drachen hätte und den daneben halten könnte, wo es noch nicht funktioniert oder auseinanderfällt."
    Ein digitaler Drachen besteht aus einem inneren Skelett, der Haut und deren Textur. Die Ansprüche der Kunden - in diesem Fall des amerikanischen Fernsehsenders HBO - steigen von Jahr zu Jahr, und die Technik macht Dinge möglich, die den Realismus immer weiter treiben. Dazu gehört die Lichtbrechung in den oberen Bereichen der Haut, ganz wichtig an den dünnen Stellen der Drachenflügel. Man spricht von "subsurface scattering". Seit der aktuellen sechsten Staffel weist der Körper zudem ein fast ölig wirkendes Schimmern auf. Sebastian Lauer:
    "Wir nutzen dafür einen speziellen Shader, der diese Farbnuancen, diesen Regenbogeneffekt generiert."
    Shader, deutsch: Schattenmacher, heißen die digitalen Hüllen von computergenerierten Objekten. Der Fresnel-Shader erzeugt seinen öligen Look dadurch, dass er das Licht je nach Kamerawinkel mit anderen Frequenzen simuliert. Die Berechnung eines einzelnen Bilds dauert zwischen ein und zwei Stunden, je nachdem wie nah man den Drachen sehen soll, erklärt Lauer:
    "Dadurch dass der Drache gewachsen ist, sehen wir auch bestimmte Teile des Drachens viel näher. Wir fahren also gern ganz nah ans Auge und an die Schnauze heran, um das Blutrünstige oder die Emotion zu zeigen. Der aktuelle Drachen in Staffel sechs ist jetzt 22 Meter lang, und da sieht man jedes Detail - leider Gottes. Das müssen wir dann halt so hinkriegen, dass es funktioniert."
    Bis zu fünf Programme für eine Animation
    Früher war es so, dass man sich auf eine Software konzentrierte, mit der man praktisch alles machen konnte: die Figuren bauen, animieren und das schlussendliche Bild berechnen. Der Vorteil davon ist, dass sich Künstler wie Sebastian Lauer nur auf ein Interface einlassen und nicht dauernd neue Befehle und Menüs lernen müssen.
    Inzwischen ist aber die Spezialisierung so stark, dass die Drachen mit einem Programm namens Maya gebaut und animiert, die Texturen mit Mari gemalt, die Wassereffekte mit Houdini erstellt, die virtuelle Szene mit Arnold gerendert und schließlich in Nuke mit der Realszene zusammenkomponiert werden.
    Wegen der immer billigeren und schnelleren Hardware entstehen heute wesentlich komplexere Resultate als noch vor drei Jahren - in der gleichen Zeit.
    Fast alle Vorträge auf der gut besetzten Animago im Münchener Gasteig endeten mit dem Aufruf ans Publikum: 'Leute, wir brauchen euch, dringend; wenn ihr eins von diesen Programmen beherrscht, bewerbt euch bei uns!' Gleichzeitig war die Klage zu hören, dass der Computeranimationsstandort Deutschland lange nicht das ist, was er sein könnte.
    Sebastian Lauer: "Man wünscht sich natürlich immer mehr Fachkräfte und auch viel mehr und größere Projekte im eigenen Land."
    Autor: "Haben Sie den Eindruck, die Fachkräfte, die Sie gerne hätten, gehen nach USA oder Kanada?"
    Lauer: "Das ist absolut so der Fall. Deshalb haben wir auch Probleme, Leute zu kriegen, weil die spannenderen Projekte oftmals im Ausland sind. Deutschland ist ein bisschen noch Entwicklungsland, und wir hoffen, dass von der Seite mehr passiert.
    Die Politik subventioniert unsere Projekte nicht so sehr, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Zum Beispiel haben sie in Kanada Subsidys genannte Subventionseinrichtungen. Dort werden Firmen mit einem Drittel des geplanten Budgets subventioniert und können dann natürlich ganz anders wirtschaften als wir hier."