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Controller für die Kunst

Mit einem sogenannten Tagtool können digitale Graffitis über einen Beamer projiziert und auch animiert werden. Dabei zeichnet eine Person auf einem Grafik-Tablet den Inhalt, eine zweite sorgt für die Bewegung. Dieses in der Medienkunst sehr gefragte Werkzeug kann auch selbst gebaut werden, wie jetzt ein Workshop gezeigt hat.

Von Antje Grajetzky | 23.02.2013
    In einem etwas verdunkelten Ausstellungsraum im Lehmbruck-Museum Duisburg steht ein Tisch mit Notebook, Zeichen-Tablet, einem Playstation-Controller und einer kleinen Kiste mit sechs Schiebereglern und einem Druckschalter. Zeichnet ein Besucher auf dem Zeichenbrett, wird das Gemalte auf eine Leinwand projiziert. Mit der anderen Hand kann er nun die Schieberegler bedienen. Mit einem Reger lässt sich die Farbe verändern, ein anderer mischt weiß hinzu, ein weiterer schwarz. Schiebt er den vierten Regler, wird der Zeichenstrich transparent oder deckend, der fünfte variiert die Strichbreite, der sechste kann alles wieder löschen. Drückt er den Knopf, kann ein weiterer Besucher das Gemalte mit dem Game-Controller bewegen und zoomen, während der Partner eine neue Zeichnung hinzufügt. Das sieht toll aus und macht selbst mit sinnloser Kritzelei sofort Spaß.

    Ein Tagtool kann man selbst bauen. Es beginnt ganz analog mit Säge, Feile und Lötkolben.

    "Ist noch ein Lötkolben draußen?"

    Zwölf Menschen haben sich zu einem Workshop "Tagtools selber bauen" in der Werkstatt des Lehmbruck-Museums in Duisburg zusammengefunden. Es sind Frauen und Männer von Anfang zwanzig bis zum Rentenalter. Die Kunstvermittlerin Sibylle Kastner hat den Workshop initiiert.

    "Das Tagtool ist zum Beispiel ein Spielzeug, was man zu Mehreren gebrauchen kann und es ist so einfach spielerisch, dass auch ältere Leute da ganz schnell 'nen Zugang zu finden und es macht einfach Spaß. Das Wichtige dabei ist, dass der Anreiz für beide Generationen da ist."

    Die Workshop-Teilnehmer sind teils Künstler teils Pädagogen. Matthias Plenkmann studiert Kunst und Germanistik und leitet den Tagtool-Bau an.

    "Um ein Tagtool zu benutzen, haben wir fünf Komponenten. Einmal das Tagtool selber. Das ist die einzige Komponente, die man selber bauen muss. Dann haben wir das Grafik-Tablet, was mit dem Tagtool in Verbindung steht. Über das Grafik-Tablet malt man und über das Tagtool selber mischt man die Farben, den Schwarzanteil, den Weißanteil, die Transparenz."

    Für das Tagtool wird zuerst ein Kasten gebaut oder es können Behältnisse wie Butterbrotdosen oder Schmuckkästen umgebaut werden. Sechs Regler und ein Taster müssen in eine Oberfläche eingebaut werden. Für die Regler können wahlweise Schieberegler oder Drehpotentiometer eingesetzt werden. Mit den Fadern lassen sich Farbe, Schwarzweiß-Anteil, Strichbreite und Transparenz während des Zeichnens kontinuierlich verändern. Ein Druck auf den Taster und das Objekt kann mit dem Game-Controller animiert werden.

    "Dann ist das dritte Element ein Laptop, auf dem ein Programm installiert ist, das nennt sich Nodekit. Dieses Programm generiert das Gemalte und das Gemalte kann man noch animieren über einen Controller, dafür nutzt man einfach einen Playstation-Controller oder ein Gamepad für den Computer. Wenn man dann etwas fertig gemalt hat, gibt es an dem Tagtool noch einen Button, den drückt man dann wird die Ebene über das Programm am Computer generiert und dann kann man das Ganze animieren und die Animation wird dann über einen Lichtprojektor an die Wand geworfen."

    Im Tagtool-Kasten selbst sitzt noch das Arduino-Board. Das ist ein sehr beliebter Einplatinen-Computer, ein sogenannter Embedded Controller. Hier werden die Signale der Regler und Schalter verarbeitet und dann an die Nodekit-Software geschickt. Das Tagtool ist ein Open-Source-Projekt, die Software gibt es kostenlos zum Download.

    Die Lötarbeit ist auch für Laien mit etwas Geduld zu bewältigen. Ist der Kasten fertig, wird er per USB an einen Rechner angeschlossen. Nach der Treiberinstallation wird das Arduino-Board noch über die arduino-Entwicklerdatei programmiert.

    "Da passiert irgendwie nix. Aber das müsste dann irgendwie mit dem Grafik-Tablet zusammenhängen, aber die Kiste gehört auch nicht zu dem Rechner."

    Wichtig ist es, sich den Port des Arduino-Boards zu merken, dann funktioniert die Programmierung schließlich bei allen Tagtools. Nun wird das Grafik-Tablet angeschlossen und gestartet sowie die zuvor installierte Tagtool-Software Nodekit gestartet. Los geht’s. Mit den Fadern lassen sich die Zeichenparameter während des Zeichnens kontinuierlich verändern. Ein Druck auf den Taster und das Objekt kann mit dem Game-Controller animiert werden, während ein weiteres Objekt gemalt wird und immer so weiter. Mit einem Beamer kann das Alles auf beliebige Hintergründe projiziert werden. Das sogenannte "Do it Yourself"-Tagtool läuft bislang nur auf Betriebsystemen ab Windows XP. Für das iPad gibt es auch eine Tagtool-App, aber Workshop-Leiter und Filmstudent Christian Spieß meint dazu:

    "Das Tagtool für iPad ist recht neu. Ich finde, wenn man was selber baut, hat man auch ne Haptik. Die iPad-Version ist noch nicht so ausgereift wie die ältere "Do it yourself"-Version. Da weiß man ja, weil man’s ja selber gebaut hat, wo können da die Macken sein im Programm?"

    Ludwig Kuckartz macht audiovisuelle Kunst, hat bereits die Tagtool-App und baut sich dennoch ein Tagtool mit analogen Schiebe- und Drehreglern.

    "Ich bin eigentlich davon überzeugt, dass das Ergebnis gut sein muss und es ist mir jetzt wurscht, ob das jetzt analog oder digital ist. Es macht Spaß, dass man mit Licht malt. Das man nicht 'nen Farbtopf hat, wo man die Farben zusammen mischt, sondern das Licht zusammen mischt. Außerdem kann man mit dem Tagtool von der Zweidimensionalität wegkommen, dass heißt, man kann mit einem Projektor auf Gebäude projizieren und hat dann die Möglichkeit, die Dreidimensionalität mit einzubeziehen."

    Zwölf Tagtools in vielen Formen und Farben sind in diesem Workshop entstanden. Zwölf Stunden Arbeit haben die Teilnehmer investiert und werden nun taggen: drinnen und draußen, in Schule, Altersheim, Kunstprojekten oder einfach nur zu Hause.