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Coole Sprüche am laufenden Band

Vier Selbstmordversuche, zwei Scheidungen, eine Abtreibung, zwei Fehlgeburten, diverse Rauswürfe und etliche Entziehungskuren: Das zunächst so leichtfüßig wirkende Glamourleben der Starkolumnistin Dorothy Parker der 20er-Jahre forderte – wie bei vielen Literaten ihrer Generation – zunehmend seinen Tribut.

Von Gisa Funck | 18.11.2011
    "Als Begleitung für die Badewanne wird dieses Buch nur von einer Quietsche-Ente übertroffen. Man kann es in der Hand halten, ohne dass Muskulatur und Nerven ermüden. Man kann es auch ganz ordentlich auf dem Rücken des Wasserhahns abstellen. Und wenn es dann den Abfluss hinunter schwimmt, auch gut – lassen Sie es schwimmen! "

    Gestatten – hier spricht Dorothy Parker, geboren 1893 nahe New York. Tochter einer wohlhabenden Familie mit jüdischen und schottischen Vorfahren. Der Vater: ein Spross der Rothschild-Dynastie. Die Mutter: früh verstorben, als Dorothy fünf Jahre alt ist. Als auch der Vater überraschend im Dezember 1913 stirbt, muss die Tochter plötzlich selbst ihr Geld verdienen – und heuert als Modetexterin beim Vogue-Magazin an. Vor hier aus schafft Dorothy Parker den Sprung zur ersten Theater- und Literaturkritikerin Amerikas überhaupt: zunächst bei Vanity Fair, später beim New Yorker. Und sie wird schnell zur ebenso gefürchteten wie bei Lesern beliebten Starkolumnistin. Denn kaum jemand urteilt so unsachlich und wenig um Objektivität bemüht wie sie - und ist gleichzeitig so schonungslos und amüsant, wie Michaela Karl erzählt, die jetzt die erste Biografie von Dorothy Parker auf Deutsch vorlegt:

    "Entweder sie hat etwas sehr geliebt oder etwas total verrissen. Wenn ihr ein Buch gefallen hat, dann war sie nicht minder drastisch. Dann musste nicht der Autor Angst haben, sondern die Leser, die das Buch nicht kauften. Dann konnte es durchaus vorkommen, dass sie damit gedroht hat, die Leser zu erschießen."

    "Miss Mackays beste Momente waren die, wenn sie hinter der Bühne war."

    "Im ersten Akt wurde die Heldin von einem ihrer Verehrer erdrosselt. Für mich kam der Mord zu spät."

    "Mrs. Katharine Hepburn beherrscht die ganze Bandbreite der Emotionen - von A bis B."

    Es sind Statements wie diese, die Dorothy Parker bis heute zur meistzitierten Frau des amerikanischen Feuilletons machen. Ihre außergewöhnliche Karriere aber hatte sie nicht nur ihrem Ausnahmetalent zur gewitzten Pointierung zu verdanken, sondern auch einem sich wandelnden Frauenbild:

    "Vor dem ersten Weltkrieg wurde man in den USA noch verhaftet, wenn man einteilige Badeanzüge trug. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen hier auf einmal die flapper girls mit den kurzen Röcken, mit den geschminkten Gesichtern, die rauchten, die tranken. Und da war natürlich auch eine Karriere wie die der Dorothy Parker möglich. Es war auch möglich, dass eine Frau wie Dorothy Parker allein in einem Apartment lebte, berufstätig war, auch nachdem sie verheiratet war, sich in ihrem selbst gewählten Beruf auch verwirklichte, eben auch rauchte. Alle diese Dinge waren natürlich sehr begünstigt durch die Roaring Twenties, es ist ein ganz anderes Frauenbild aufgekommen. Gerade in New York, in den 20er-Jahren, da schien ja wirklich alles möglich. Es war eine sehr hedonistische Generation, die nicht über die Folgen ihres Handelns nachdachte, die triumphale Erfolge feierte, die sich betrank. Und zu denen gehörte natürlich auch Dorothy Parker und auch ihre Clique."

    Als scharfzüngige Kritikerin wurde Dorothy Parker bekannt. Wirklich legendär aber sind bis heute ihre Bonmots bei den berühmten "Round Table"- Gesprächen im Algonquin-Hotel in der 44. Straße. Hier traf sich die literarische Elite der Roaring Twenties - zum Trinken, zum Pokern und zum Sprücheklopfen. Die Schriftsteller Ernest Hemingway und Scott Fitzgerald gehörten ebenso dazu wie der Komiker Harpo Marx, der Theaterkritiker Alexander Woollcott oder der Broadwayautor George S. Kaufman. Doch die ungekrönte Königin des Round Table war Dorothy Parker. Nicht nur, weil sie die Golden Boys regelmäßig unter den Tisch trank, sondern auch, weil sie meistens den besten Spruch parat hatte:

    "Ich erwarte nur drei Dinge von einem Mann: gutes Aussehen, Rücksichtslosigkeit und Dummheit."

    "Ob ich mich amüsiere? Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber!"

    "Ihre Freunde haben sie sicher nicht als Frau wahrgenommen. Sondern als einen der ihren, ja tatsächlich als Kerl. Sie hat die größeren Zoten gerissen, sie hat die härteren Sprüche gebracht (schmunzelnd), sie hat wahrscheinlich mehr getrunken als alle anderen. Ihr Umgang waren fast lauter Männer, die sie als einen der ihren akzeptiert haben – und die wahrscheinlich auch mit ihren Kommentaren, ihren Männerwitzen nicht hinter dem Berg gehalten haben, wenn sie dabei war."

    Vor dem öffentlichen Spott "Dotties", wie Parker von Freunden genannt wurde, waren nicht einmal ihre beiden Ehemänner sicher. Als Vorreiterin der Emanzipation fehlte ihr noch ein alternatives Rollenmodell zum traditionellen Hausfrauen- und Mutterpart. Deswegen glaubte sie wie die meisten Karrierefrauen ihrer Zeit, im männlich dominierten Kulturbetrieb typisch männliche Verhaltensweisen übernehmen zu müssen: Parker trank Bourbon wie Wasser, wechselte ihre Liebhaber zeitweise wie Zahnbürsten, überließ Hotel- und Arztrechungen ihren Gönnern - und den Haushalt strikt dem Personal. Vor allem aber nahm sie – wie auch viele ihrer Männerfreunde - andere Frauen oft nicht ernst. Und machte sich besonders über die Luxus-Gattinnen der New Yorker Oberschicht lustig:

    "Sie selbst hielt sich für sehr emanzipiert. Was sie nicht hatte, waren Frauen-Freundinnen. Da hatte sie sehr wenige. Für mich liegt das darin begründet, dass sie eben nicht diesem traditionellen Frauenbild entsprach. Und sich auch nicht mit Frauen, die so waren, gerne abgeben wollte. Was mir eher zu schaffen macht bei ihr, dass sie keinerlei Solidarität mit Frauen zeigte. Also, das ist etwas, das in meinem Feminismus-Verständnis eine sehr zentrale Rolle spielt – und das ist etwas, was ich bei ihr sehr vermisst habe."

    Vier Selbstmordversuche, zwei Scheidungen, eine Abtreibung, zwei Fehlgeburten, diverse Rauswürfe und etliche Entziehungskuren: Das zunächst so leichtfüßig wirkende Glamourleben der Dorothy Parker forderte – wie bei vielen Literaten ihrer Generation – zunehmend seinen Tribut. Dank ihrer Begabung rappelte sich Dottie zwar jedes Mal wieder hoch. Schrieb neben ihren Kolumnen auch Gedichte, dann Kurzgeschichten, schließlich – zusammen mit ihrem zweiten Ehemann Alan Campbell – Drehbücher für Hollywood. Doch je älter sie wurde, desto mehr fühlte sie sich gescheitert, zumal sie nie den immer wieder angekündigten Roman zustande brachte. Die Öffentlichkeit habe sie zu früh auf die Rolle der Humoristin festgelegt, klagte sie. Ihre autobiografischen Gedichte und Kurzgeschichten, die eher traurig sind und oft von verpassten Chancen erzählen, zeigen tatsächlich eine ganz andere, verletzliche Autorin:

    "Ich finde, sie war eine großartige Schriftstellerin, aber das, was sie befürchtet hat, ist tatsächlich eingetreten. Ich glaube, sie wird nicht so sehr als Schriftstellerin wahrgenommen wie eben als diese Frau, die am laufenden Band diese coolen Sprüche produziert hat."

    Die Biografie von Michaela Karl, die weitgehend auf Kommentare verzichtet und stattdessen Parker oft selbst zu Wort kommen lässt, bringt Dottie nun endlich auch den Deutschen näher. Zugleich ist das Buch ein interessantes, gründlich recherchiertes Zeitporträt. Und darüber hinaus schon allein deshalb überaus empfehlenswert, weil man hier mit Dorothy Parker einer Meisterin des geistreichen Eigensinns begegnet, der in unserem, ständig nach Mehrheiten schielenden Medienbetrieb leider allzu selten geworden ist:

    "Also ich finde ganz, ganz wunderbar, dass sie keine dieser unbedingten Sympathieträgerinnen ist, dass sie es mir eigentlich auch ziemlich schwer machte, sie zu mögen. Genau das mag an ihr. Ich kann nämlich diese kompetenten, immer lustigen Strahle-Frauen a la Heidi Klum auf den Tod nicht ab, ja. Also, Sie wissen schon: Fünf Kinder, Super-Karriere, makrobiotische Ernährung und, wenn sie dann mal über die Stränge schlagen, dann nehmen sie einen Reiscracker zum Soja-Latte. Also, da ist mir eine trinkende, fluchende, spottende Dorothy Parker echt tausendmal lieber! Man hat ja oft das Gefühl in Anbetracht dieser Superfrauen, die uns serviert werden, dass man die einzig unzulängliche Person auf diesem Planeten ist! "

    Michaela Karl: "Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber. Dorothy Parker. Eine Biografie. Residenz Verlag, Salzburg 2011. 288 Seiten, 24.90 Euro.