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Coronakrise und CO2
Die Pandemie hilft dem Klima nur vorübergehend

Wie viel Treibhausgase weniger wird Deutschland als Folge der Corona-Epidemie ausstoßen? Experten rechnen mit bis zu 100 Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid. Das wäre ein ordentlicher Batzen. Doch der positive Klimaeffekt könnte nach der Krise wieder verpuffen.

Von Volker Mrasek | 26.03.2020
Steinkohle lagert im Kohlehafen vom Kohlekraftwerk Mehrum im Landkreis Peine, als der Schatten eines Mitarbeiters auf einer Brücke auf die Kohle fällt.
"Wir sehen, dass der Energieverbrauch auch in Europa zurückgeht", sagt der Umweltwissenschaftler Lauri Myllyvirta. (dpa / Julian Stratenschulte)
Was die internationale Klimapolitik bisher nicht vermochte, das geschieht nun durch die Coronakrise: Die Welt stößt im Moment viel weniger Treibhausgase aus. Dafür sorgt schon allein die Entwicklung in China, wo die Pandemie um die Jahreswende ihren Ausgang nahm. Das Land ist zugleich der mit Abstand größte Klimasünder unter allen Staaten der Erde.
Im Februar verbrannte und exportierte China rund ein Drittel weniger Kohle als sonst üblich. Genauso stark brach die Produktion in den Öl-Raffinerien ein. Auf Basis dieser Zahlen haben finnische Forscher kalkuliert, wie stark Chinas Kohlendioxid-Ausstoß im vorigen Monat gesunken sein dürfte. Der Umweltwissenschaftler Lauri Myllyvirta:
"Die Auswirkungen in China waren die mit Abstand dramatischsten. Wir schätzen, dass die CO2-Emissionen dort um 25 Prozent niedriger waren als im Februar des Vorjahres. In den letzten Wochen haben viele Fabriken ihren Betrieb wieder aufgenommen, und auch der Verkehr normalisiert sich langsam. Chinas Kohlekraftwerke haben ihren Tiefpunkt aber erst zur Hälfte überwunden. Deshalb schätze ich: Im März wird der Rückgang der CO2-Emissionen nur noch im Bereich von zehn Prozent liegen. Aber das ist noch Gegenstand laufender Analysen."
Hohe CO2-Einsparungen möglich
Inzwischen sind auch andere Länder stärker von der Pandemie betroffen und in den Blickpunkt der Umweltforscher gerückt:
"Wir sehen, dass der Energieverbrauch auch in Europa zurückgeht. In Italien und Spanien ist er um etwa zehn Prozent gesunken. So etwas könnte auch noch in anderen europäischen Ländern geschehen. Wir arbeiten gerade an einem neuen Bericht dazu."
Wie viel Treibhausgase weniger wird Deutschland ausstoßen als Folge der Corona-Epidemie? Aktuelle Datenauswertungen dazu fehlen noch. Aber es gibt inzwischen erste Abschätzungen. Sie stammen von der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende. Dort hat man zwei Szenarien gerechnet. Eines, in dem die Krise nur wenige Wochen dauert und die Wirtschaft sich ab der Jahresmitte wieder erholt. Und ein anderes, in dem der Ausnahmezustand drei Monate lang anhält, also viel länger. Der Umweltingenieur Frank Peter hat an der Analyse mitgewirkt:
"Wir sehen, dass die Industrie derzeit schon Kapazitäten runterfährt. Beim Verkehr haben wir natürlich den Effekt, dass einmal der Gütertransport ein Stück weit natürlich auch an der industriellen Produktion hängt. Der wird teilweise zurückgehen. Größere Einschnitte erwarten wir allerdings beim Personenverkehr durch die sozialen Kontaktverbote, durch die Reiselimits, die wir haben. Das wird zu einer signifikanten CO2-Einsparung führen. Und wir sagen, dass die Coronakrise abhängig davon, wie lange sie denn dauert, 30 bis 100 Millionen Tonnen zusätzlich mindert."
Klimaeffekt wird wahrscheinlich wieder verpuffen

100 Millionen Tonnen Kohlendioxid – das wäre ein ordentlicher Batzen! Er entspräche rund einem Achtel aller CO2-Emissionen, die Deutschland im vergangenen Jahr hatte - von internationalen Flügen abgesehen, die in der Klimabilanz nicht erfasst werden. Doch selbst wenn es am Ende nur 30 Millionen Tonnen weniger sein sollten:
"Wo wir uns nur ziemlich sicher sind, ist, dass wir mit dem Kriseneffekt das deutsche Klimaziel 2020, bezogen auf 1990 minus 40 Prozent Treibhausgas-Minderung zu erreichen - dass wir das sehr sicher nun erreichen."
Vorher war das nicht der Fall. Da sah alles danach aus, als würde Deutschland seine Klimaziele verfehlen. Wie lange die Krise noch anhält und wie stark der globale CO2-Ausstoß verringert bleibt, kann niemand genau sagen. Aber der Klimaeffekt wird wahrscheinlich rasch wieder verpuffen. Das lehrt die Finanzkrise von 2008 und ‘9. Die globalen CO2-Emissionen sanken damals zunächst um 1,4 Prozent. Doch nur, um im Jahr darauf umso stärker emporzuschießen, um fast sechs Prozent - so stark wie lange nicht und später nie wieder. Man nennt das Rebound-Effekt: Nach einer Krise schwingt das Pendel umso stärker zurück. Das habe schon damals vor allem an China gelegen, sagt Lauri Myllyvirta:
"China ist hier das prominenteste Beispiel, wie man es nicht machen sollte! Die Regierung legte damals ein Super-Konjunkturprogramm auf. Innerhalb von drei, vier Jahren wurden Hunderte neue Fabriken, Kohlekraftwerke und Straßen gebaut. China hat damals mehr Zement verbraucht als die USA in ihrer ganzen Geschichte."
"Am Ende kann das für das Klima auch ein Pyrrhussieg sein."
Der finnische Umweltforscher hat Bedenken, dass so etwas jetzt wieder geschehen könnte. Denn Peking feilt im Moment an seinem neuen Fünf-Jahresplan bis 2025:
"In China wird gerade heftig darüber diskutiert, welchen Raum neue Kohlekraftwerke dabei einnehmen sollen. Die radikalsten Vorschläge sehen den Bau mehrerer hundert solcher Anlagen vor. Es könnte sein, dass es hier keinerlei Beschränkungen geben wird, weil die Regierung auch jetzt wieder beabsichtigt, die Wirtschaft anzukurbeln."

Solche Signale kommen auch aus den USA. Dort will Präsident Trump der fossilen Energiewirtschaft mit Milliardensummen aus der Coronakrise helfen – damit sie weiter Erdgas und Erdöl fördern kann, was mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist. Auf der Strecke bleiben dann am Ende die klimafreundlichen erneuerbaren Energieträger, fürchtet Frank Peter:
"Also, dieses kurzfristige Einmalabsinken der Emissionen kann am Ende für das Klima auch ein Pyrrhussieg sein."