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Corso-Gespräch
Michael des Barres: "Ich verachte Ironie und Sarkasmus"

Michael des Barres ist Schauspieler und Musiker. Der 67-Jährige war in der Serie "MacGyver" der Bösewicht "Murdoc", er vertrat Robert Palmer in Supergruppe "Power Station" und spielte mit seinen eigenen Bands "Detective" und "Silverhead". Jetzt erlebt er mit seinem Soloalbum "Key to the Universe" eine späte Wertschätzung.

Michael Des Barres im Gespräch mit Fabian Elsäßer | 16.05.2015
    Der Musiker und Schauspieler Michael des Barres
    "Ich habe nie etwas getan, was ich bereue" sagt Michael des Barres im Corsogespräch. (imago stock&people)
    Fabian Elsäßer:!! Key To the universe läuft offenbar ziemlich gut. Ist das überraschend für Sie?
    Michael Des Barres: Es ist überraschend. Gut, alles ist überraschend, jeder Tag ist ein neuer Tag. Und ich bringe nichts von der Vergangenheit in die Gegenwart. Die Musik, die ich seit 1972 spiele, ist ja immer noch dieselbe. Es ist nur so, dass ich sie auf diesem Album besser spiele als je zuvor. Und die Songs haben glaube ich wirklich gut funktioniert.
    Elsäßer: Wenn man die Texte mit den eher nostalgischen auf dem Vorgängeralbum "Carnaby Street" vergleicht, dann sind sie diesmal wesentlich persönlicher. Manchmal regelrecht düster. Oder doch ironisch?
    Barres: Ich glaube nicht an Ironie. Weil ich sie für distanziert und intellektualisiert halte. Ich glaube an das Gefühl. Ich bin weder ironisch noch sarkastisch – beides verachte ich sogar, ich glaube, das ist schlecht für die Seele. Ich bin ein sehr positiver Mensch. Ich wollte die Wahrheit erzählen. Ich glaube nicht, dass es so viele Rock'n'Roll-Songs gibt, die einen zum Tanzen bringen können und dabei etwas anderes fühlen lassen als Lust. Ich möchte darüber singen, was passiert. Ich bin nicht sentimental, aber ein verletzlicher Typ, und gleichzeitig zuversichtlich. Das alles wollte ich da hineinlegen, diese Zuversicht, aber ich wollte auch die Wahrheit über Beziehungen erzählen.
    "Ich war ein Frauenheld"
    Elsäßer: "Your Lover Boy Days are over, you're yesterdays' Casanova, Hey Don Juan, you look exhausted."
    Barres: Ja, das ist eine zutreffende Beschreibung eines Typen, der ein Frauenheld war, der nur für Frauen und für Sex gelebt hat, um dadurch eine Identität zu bekommen. Und genau das war ich. Aber das ist der Casanova von gestern. Und ich dachte wohl, ich müsste diesen Teil von mir thematisieren, damit ich ihn loswerden kann....
    Elsäßer: Denn der andere Teil wünscht sich ja immer noch" I want love to punch me in the face". Also nicht bloß gestreichelt zu werden.
    Barres: Ich glaube, dieser Song bezieht sich eher auf andere als auf mich, obwohl mir das auch passiert ist. Es ist eine Metapher für "Wach auf, verdammt noch mal!". So viele Menschen sind von der Liebe enttäuscht, verstehen Sie? Ich glaube, bei den meisten Leuten hat sie nicht funktioniert, und deshalb sind sie eingeschlafen. Deshalb habe ich diese Metapher benutzt: Wacht auf, liebt Euch selbst genug, damit Ihr geliebt werdet!
    Elsäßer: Es ist also keine Metapher für Ihre eigene Lebenseinstellung, denn Sie scheinen ja immer in vollen Zügen gelebt zu haben?
    Barres: Ich habe immer Vollgas gegeben. Ich bin eine exzessive Person. In diesem Song geht es tatsächlich um das, was ich durchlitten habe. Ich habe mich verliebt, als ich mit dem Heroin aufgehört und sehr hart an mir gearbeitet habe. Der größte Song, den ich je gecovert habe, war "Obsession", mit dem Refrain: "Wer soll ich sein, damit Du mit mir schläfst". Man sucht Bestätigung. Aber das tue ich nicht mehr. Dieser Song hier ist für alle Menschen, die Schmerz empfinden, traurig sind. Die sollen aufwachen und sagen: Hey, Moment mal, ich bin nett, liebenswert, cool!
    Elsäßer: In Ihrem neuen Video "Can't get you off my mind" gibt es lustige Szenen, in denen Sie vor einem alten Fernseher stehen, in dem lauter alte Filmausschnitte und Videos von Ihnen zu sehen sind. Das ist eine ziemlich liebenswerte Art der Rückschau. Sie sind offenbar mit Ihrer Vergangenheit im Reinen.
    Barres: Schön gesagt. Es bedeutet auch, die Tür zu schließen. Dieser Typ war in vielen Bands, hat viel erlebt. Deshalb kann ich diese Texte jetzt schreiben. Weil ich eine lange Reise hinter mir habe, die ich schätze, die ich aber hinter mir gelassen habe.
    "Ich habe nie etwas getan, was ich bereue"
    Elsäßer: Das ist jetzt vielleicht eine etwas heikle Frage: Wenn man sich Ihre Karriere ansieht, was Sie alles gemacht haben, wen Sie alles getroffen haben, dann könnte man sagen, dass Sie manchmal in der ersten Reihe standen, aber nicht immer da geblieben sind. Hat Sie das manchmal gequält?
    Barres: Die Antwort ist sehr ehrlich. Ich habe nie etwas getan, was ich bereue. Ich bin nicht frustriert, dass ich nicht U2 oder Sting geworden bin. Ich war nie ehrgeizig. Der einzige Grund für mich, Rock'n'Roll zu spielen, war Spaß zu haben und flachgelegt zu werden. Alles andere hat mich nicht gekümmert. Ich bin sehr sprunghaft. Jede Band, in der ich war, hat nur ein paar Jahre gehalten, weil ich mich nicht festlegen kann. Ich wollte weiter. Wenn es nicht sofort passiert, bin ich weg. Eine Band ist wie eine Ehe, nur härter: Vier Ehefrauen, und alle nehmen Kokain (lacht).
    Elsäßer: Ich muss bei Ihrem Lebenslauf irgendwie an die Dichter der englischen Romantik denken. Byron, Shelley, Keats – die meisten aus guten Familien, alle auf Reisen durch die Welt. Italien, wohin auch immer. Haben Sie sich jemals so gesehen?
    Barres: Ich habe alle Romantiker gelesen! Vor allem Byron. Denn das war ein Rock – Star, sehr sexgeladen, sehr aggressiv, geistreich, romantisch. "She comes in beauty". Ich könnte ein verdammtes Album über Lord Byron schreiben! Vielleicht sollte ich das auch. Denn ich habe mich immer als Lord Byron mit einer Les Paul Gitarre gesehen. Als Kind war ich acht Jahre lang in all diesen Internaten, weil mein Vater im Gefängnis war und meine Mutter in einer Anstalt. Dadurch hatte ich Zugang zu all diesen Kulturen. Und zum Blues, und all das habe ich zusammengesetzt.
    Elsäßer: In den 1970ern sind Sie in die USA gezogen – aus privaten Gründen, oder weil es für einen jungen Künstler wie ein Versprechen schien?
    Barres: Letzteres. Es versprach mir die Zelluloid-Herrlichkeit der Filmstars, die Wirklichkeit der afroamerikanischen Musik – es schien der Ursprung von allem zu sein, was ich je geliebt habe. Und seitdem bin ich dort geblieben.
    "Europa hat eine befreiende sexuelle Einstellung"
    Elsäßer: Als Ihre Ex-Frau Pamela ihre Autobiografie veröffentlichte, hat sie gesagt, dass sich die USA moralisch allmählich in die 1950er Jahre zurückbewegen. Aber das hat sie schon 1989 gesagt. Ist es seitdem nicht noch schlimmer geworden?
    Barres: Keine Frage. Sie haben recht, Pamela auch. Sie ist großartig. Es steht außer Frage, dass die Eisenhower-Jahre im Vergleich zu heute wie das dekadente Rom wirken. Europa hat eine befreiende sexuelle Einstellung, von der die Amerikaner nur träumen können. Wenn Sie in den USA fernsehen, können Sie nur einen nackten Körper sehen, der tot ist, aber keinen lebendigen. Das ist pervers! Und ich finde, dass diese rechtsgerichteten, radikalen, reichen, konservativen, Ein-Prozent-Privatjet-Arschlöcher, die alles nehmen und nichts zurücklassen, daran schuld sind!
    Elsäßer: Aber ist das noch ein Platz für einen aufgeschlossenen Menschen wie Sie, oder möchten Sie manchmal zurück nach Europa?
    Barres: Ich werde nicht gehen. Weil ich ein Kämpfer bin. Deshalb habe ich diese Platte gemacht. Um zu sagen: Leute, so müsst Ihr nicht leben. Ihr könnt aufrichtig und ehrlich sein und trotzdem mit so vielen Menschen Sex haben, wie Ihr wollt, solange Ihr sie nicht verletzt. Mitgefühl ist der Schlüssel zum Universum. Rock'n'Roll geht unter die Gürtellinie. Weil es ein Gefühl ist, ein Groove, etwas, der im Arsch eines Laptops verschwindet. Steve Jobs hat Rock and Roll mit Technologie aufgefressen. Aber Rock'n'Roll ist nicht tot. Jeder der das sagt, ist tot!
    Elsäßer: Vielen Dank.
    Barres: Mit Vergnügen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.