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Corso-Skop 2017 - Podcasts
Mehr als Rezepte, Talks und Krimis

Egal ob am Strand, in der U-Bahn oder beim Joggen - Podcasts kann man jederzeit und überall hören und sie werden immer beliebter. In Deutschland boomt der Audio-Konsum und fast die Hälfte der konsumierten Podcasts sind Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Von Felicitas Boeselager | 29.12.2016
    Kopfhörer mit Smartphone
    Auf in den Podcast-Dschungel: Goethe hören, Psychologie lernen oder Böhmermann lauschen (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    "Hallooo, schön, dass Du da bist, hier beim Podcast Happy, Holy and Confident – Lage der Nation Ausgabe 34 vom 17. Dezember 2016 am Mikrofon – ich bin Birgit Schürmann mit Rhetorik, die im Kopf bleibt – Hallo guten Tag, mein Name ist Christian Möller und ich laufe beruflich mit Leuten durch die Gegend."
    Gesprächsformate, Essenssendungen, Selbstoptimierung, Sexgeschichten, sogenannte Laber-Podcasts, Wissens-Formate – das Angebot ist so vielfältig wie undurchdringlich. Wer gute deutsche Podcasts finden will, der muss sich in einen Dschungel wagen und hört dabei auch viel Überflüssiges. Auf die Bestenliste von Streaming-Anbietern ist dabei auch nur bedingt verlass, denn sie bilden nur ihr eigenes Angebot ab. So taucht der meistgehörte Podcast in Deutschland 2016 bei iTunes zum Beispiel gar nicht erst auf:
    "Janni, Janni, Janni, Janni. Hallooo. Olli, Olli, Olli, Olli. Hey. Zweiter Advent. Der Olli und der Janni. Ja zweiter Advent. Ja, fest und flauschig. Hey, Herzlich Willkommen liebe Zuhörerinnen und Zuhörer bei Spotify. Hier sind Olli und Jan. Hier ist Fest und Flauschig."
    "Fest und Flauschig" auf Spotify hat laut Experten mehrere 100.000 Hörer. Sie lauschen, wie Jan Böhmermann und dem Musiker Olli Schulz viel Unsinn reden und über Serien philosophieren, Essen, Musik, die Kitas ihrer Kinder und ihr Leben als Star:
    "Das kann man ja mal verraten, so‘n geiler Trick ist, geiler Profitrick, wenn man keinen Bock hat, ja oder nein zu sagen: Ja auf jeden Fall, ich weiß jetzt gar nicht, wie meine Termine sind, ruf doch meine Agentur an, die wird sich dran drum kümmern. Oh, jetzt hab ich den Trick verraten. – Mach ich eigentlich schon immer so, also seit ich ein Management habe. – Wirklich? – Dafür hat man das doch auch, dass man sagt, frag mal bitte das Management – Ja, dass die dann nein sagen für einen."
    Kriminalgeschichten kommen bei deutschen Hörern gut an
    Die Hörer nehmen den Alltag von "Janni und Olli" mit in ihren eigenen Alltag. Und bauen dabei eine, zugegeben etwas einseitige, aber dennoch freundschaftliche Beziehung zu ihnen auf. Eine Folge "Fest und Flauschig" dauert über eine Stunde. Das ist eine für Online-Inhalte sehr ungewöhnliche Verweildauer. Bei Podcasts aber die Regel. Besonders sogenannte "True-Crime-Stories", also wahre Kriminalgeschichten, hören sich die Nutzer sogar ganze Staffeln am Stück an.
    "Der talentierte Mr. Vossen, Jagd auf einen Millionenbetrüger. Ich gehe in dieser Podcastserie auf die Spuren eines rätselhaften Kriminalfalls quer durch Europa."
    "Der talentierte Mr. Vossen", ein Podcast vom NDR ist laut iTunes der beste Podcast des Jahres 2016. Diese spektakuläre Geschichte vermittelte das Gefühl, live dabei zu sein, bei der Suche nach dem Betrüger Felix Vossen. Obwohl der Autor des Podcasts nicht besonders charismatisch wirkt, hielt allein die Geschichte die Hörer bei der Stange. Der Erfolg von "Der talentierte Mr. Vossen" zeigt: "True-Crime-Stories" sind immer noch gefragt, wie kein anderes Podcast-Gerne. Und: Die öffentlich-rechtlichen Sender dominieren die deutsche Szene. Fast die Hälfte der Podcasts kommen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
    "Herzlich Willkommen zu dem Podcast Lernen Psychologie."
    Neben Kriminalfällen laden die Hörer besonders häufig Wissenspodcasts herunter. Diese bieten Wissen2Go: Goethe hören beim Zähneputzen, Physikformeln-Lauschen an der Ampel, Völkerwanderung zum Schlafengehen.
    "Ich zweifel also bin ich. Ne, das hat schon der gute Decartes gesagt, cogito ergo sum."
    Referiert der Psychologe Matthias Niggehoff in seinem Podcast "Lerne Psychologie". Trotz des dilettantischen Klangs unter den Top10 der iTunes-Liste.
    Audio-Konsum nimmt zu
    Der Audio-Konsum boomt. Im Jahr 2016 ist er laut der ARD/ZDF Onlinestudie von 51 Prozent auf 64 Prozent gestiegen. Dazu gehört zwar auch Musikstreaming, aber Audioinhalte generell spielen eine immer wichtigere Rolle im Alltag der Nutzer – und davon profitieren auch die Podcasts. Zumal viele Medienhäuser und Streaming-Dienste in den Markt drängen. Audible hat dazu aufgerufen, Ideen für Podcasts einzureichen. Auch Spotify sucht weiter nach frischen Formaten. Und auch die öffentlich-rechtlichen Sender sehen in Podcasts eine Chance - unabhängig von ihrem linearen Programm. Wie das BR-Jugendprogramm Puls mit seinem Format "einfach machen".
    "Und wir, waren mit dabei, wenn er unter der Bettdecke war und geheult hat, weil‘s mal richtig scheiße lief. - In den letzten Tagen habe ich fast nichts auf die Kette gekriegt."
    Diese schöne und sehr aufwendig produzierte Serie ist vor wenigen Wochen zu Ende gegangen. Sie erzählt die wahre Geschichte des 26-jährigen Marcel, der sein altes Leben in Deutschland liegen lässt, um in den USA Schauspieler zu werden. 2017 wird es eine neue Staffel "einfach machen" geben. Wieder mit einem Menschen, der irgendetwas "einfach macht" – nach Syrien reist, ein Start-up gründet, Sternekoch wird – die Autoren sind für alle Ideen offen.
    "Fest und Flauschig" und das große Vorbild USA zeigen, was welches Potenzial der Audiomarkt hat. 2017 werden unüberschaubar viele neue Formate dazukommen. Und vielleicht entscheidet sich die Frage, welcher Streaming-Dienst sich durchsetzt und die beliebtesten Podcasts bei sich vereinen kann.
    Podcasts:
    "Fest und Flauschig" – Jan Böhmermann, Olli Schulz (Spotify)
    "Happy, Holy, Confident" – Laura Seiler
    "Durch die Gegend" – Christian Möller (ViertausendHertz)
    "Lerne Psychologie" - Matthias Niggehoff
    "Der talentierte Mr. Vossen" – Christoph Heinzle (NDR)
    "Lage der Nation" – Philip Banse, Ulf Buermeyer (Küchenstudio)
    "Rhetorik, die im Kopf bleibt" – Birgit Schürmann