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CRISPR-Cas-Methode
Experimentelle Therapien für Sichelzellenkranke

Sie bringt Schmerzen und einen frühen Tod: die Sichelzellenkrankheit. Als erste Erbkrankheit wurde ihre genetische Ursache aufgeklärt. Jetzt könnte sie auch als erste durch die Genschere CRISPR-Cas heilbar werden. Die Möglichkeit sorgt für Begeisterung - aber auch für Kritik.

Von Thomas Reintjes | 14.12.2018
    Illustration einer Schere, die ein DNA Molekül modifiziert
    Die Genschere CRIPR-Cas kann das Erbgut gezielt verändern (imago / Keith Chambers)
    Simone Day ist eine junge Afroamerikanerin, die bis vor gut einem Jahr die Sichelzellkrankheit hatte. Ich treffe sie in einem Café in dem Krankenhaus, in dem sie geheilt wurde. Sie kann es selbst immer noch nicht ganz glauben.
    "Ich hatte das immer im Hinterkopf. Ich will etwas machen, darf mich aber nicht überfordern, sonst könnte ich im Krankenhaus landen. Solche Kleinigkeiten können mir jetzt egal sein. Aber ich bin immer noch dabei herauszufinden, wer ich ohne Sichelzellkrankheit eigentlich bin."
    Eine Punktmutation nur im Erbgut, mit fatalen Folgen. Immer wieder musste Simone Day für zwei oder drei Wochen ins Krankenhaus. Sie brauchte eine künstliche Hüfte, weil die harten, sichelförmigen Blutzellen die Versorgung ihres Hüftknochens blockiert hatten. Dann waren ihre Lungen so stark geschädigt, dass eine Maschine auf der Intensivstation ihr Blut mit Sauerstoff versorgen musste.
    Der eigene Knochenmarktspender sein
    "Das wollte ich nicht noch einmal durchmachen. Es war hart, meiner Mutter zu erklären, dass ich beim nächsten Mal keine extremen Maßnahmen mehr wollte, um mich zu retten. Sie sollten mich beatmen, aber wenn das nicht funktionierte, dann war's das."
    Doch es gab einen Ausweg: eine Knochenmarktransplantation. Simone Day fand einen passenden Spender und überstand die gefährliche Prozedur. Bald schon könnte es für Sichelzellpatienten eine weitere Option geben: Eine Gentherapie mit der Genschere CRISPR-Cas 9.
    "We're not trying to replace bone marrow transplants. It's still a bone marrow transplant, they instead are their own donor."
    Patienten könnten ihre eigenen Knochenmarkspender sein, sagt Jacob Corn von der ETH Zürich. Die kranken Blutstammzellen werden aus ihrem eigenen Blut herausgefischt, mit der Genschere CRISPR das sichelzellformende Gen bearbeitet, am Ende gesunde Stammzellen in den Körper zurückgegeben. Mark Walters vom Kinderkrankenhaus der Universität von Kalifornien in Oakland:
    "Ja, das ist der Heilige Gral. Davon haben wir geträumt, dass man den Fehler direkt korrigiert und so die Krankheit heilt."
    Medizinisches Neuland
    Klinische Studien mit CRISPR hat es noch nicht gegeben. Doch für die Sichelzellenkrankheit sind jetzt erste Studien in den USA genehmigt, auch Jacob Corn und Mark Walters wollen eine beantragen. Aber die Studien sind nicht unumstritten:
    "Man kann natürlich sagen: Die Sichelzellenkrankheit war die erste, die genetisch aufgeklärt wurde. Deshalb sollte sie auch als erste mit CRISPR therapiert werden."
    Doch die Wissenschafts-Autorin Harriet Washington warnt:
    "Es gab schon einige Studien mit Afroamerikanern, wo über Ethik hinweggesehen wurde, die in unethischer und unlogischer Weise durchgeführt wurden."
    Viele Afroamerikaner misstrauen medizinischer Forschung. Und es stellt sich tatsächlich die Frage: Wie riskant sind die Versuche? Und wer profitiert?
    "Die Begeisterung ist wunderbar, aber es ist wichtig, keiner Behandlungs-Illusion zu erliegen, sodass die Teilnehmer denken, sie erhalten eine Behandlung, wo sie in Wirklichkeit Forschungs-Gegenstand sind."