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CRISPR-Cas
Revolution im Gen-Labor

Mit neuen Gen-Techniken lässt sich das Erbgut von Tieren oder Pflanzen viel gezielter und umfassender als bisher verändern. CRISPR-Cas lässt Genforscher jubeln. Rein theoretisch ließe sich mit dieser Gen-Technik ein Neandertaler aus einem Menschen von heute erschaffen.

Von Michael Lange | 20.05.2014
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    Ein Schild "Gentechnik Arbeitsbereich S2" in der Abteilung Medizinische Systembiologie am Universitätsklinikum Dresden. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    An der Harvard Medical School in Boston wollen Wissenschaftler die DNA von Lebewesen nicht nur ein wenig verändern, sie wollen ganze Genome gezielt korrigieren und umschreiben. Dazu arbeiten sie neuerdings nicht nur mit Bakterien, sondern auch mit menschlichen Zellen. Verschiedene Methoden kommen zum Einsatz, aber nur von einem Verfahren ist der als Visionär bekannte Molekulargenetiker George Church begeistert.
    "Das ist eine wirkliche Revolution. In meinem Labor haben alle Mitarbeiter nach und nach zu diesem Verfahren gewechselt. Es ist die beste, preiswerteste und präziseste Methode zur gezielten Manipulation menschlicher Zellen. Wir sind dabei, viele Schritte zu verknüpfen, um Zellen von Tieren oder Menschen umfassend zu verändern. Wir wollen jetzt neue Zellen schaffen, die gegen viele Viren resistent sind."
    CRISPR-Cas verändert Geninformationen nach Wunsch
    Das biologische System, das Geninformationen nach Wunsch verändert, heißt CRISPR-Cas. 2007 wurde es bei Bakterien entdeckt.
    "Das CRISPR-Cas-System ist ein adaptives Immunsystem von Bakterien gegenüber viralen Infektion."
    Ümit Pul arbeitet am Institut für Physikalische Biologie der Universität Düsseldorf. Er will verstehen, wie Bakterien mit CRISPR-Cas ihre Feinde, die Viren, bekämpfen.
    "Und zwar ist es so, dass die Bakterien zunächst schutzlos sind. Aber durch dieses CRISPR-Cas-System sind sie in der Lage, diese Viren als fremd zu erkennen und erst nach der Erstinfektion ein Immunsystem aufzubauen."
    Das Ergebnis ist ähnlich wie beim Abwehrsystem des Menschen, das durch Infektionen oder Impfungen dazu lernt. So etwas haben Biologen den Bakterien lange abgesprochen. Man billigte ihnen angeborene Resistenzen zu, nicht aber ein lernfähiges Immunsystem. Die Funktionsweise der Virenabwehr ist bei Bakterien allerdings ganz anders als beim Menschen. Die Bakterien bauen einen Teil des viralen Erbmaterials in ihre eigene DNA ein, genau zwischen zwei so genannte Palindrome. Das sind Erbgutabschnitte, die sich vorwärts oder rückwärts lesen lassen, so wie „Anna" oder „Otto", „Radar" oder „Neffen".
    "Man muss sich das so vorstellen, dass man wirklich im Chromosom der Bakterien-DNA einen Bereich hat, der besteht aus sich wiederholenden kurzen DNA-Abschnitten, immer wieder die selbe Sequenz."
    Zwischen die Palindrome wird bei einer Infektion etwas Virus-Erbinformation eingebaut. Sie funktioniert wie ein Steckbrief, der den Bakterien mitteilt: Diese Erbinformation muss erkannt und zerstört werden. CRISPR nennt sich dieser Teil des Erbguts. Die Arbeit der Virenbeseitigung erledigen dann die Cas-Proteine - gewissermaßen die Kopfgeldjäger. Sie erkennen die Viren anhand des Steckbriefes und zerschneiden sie. Forscher wie Ümit Pul haben bereits elf verschiedene CRISPR-Cas-Typen entdeckt und untersucht.
    Elf verschiedene CRISPR-Cas-Typen entdeckt
    "Und inzwischen hat das nicht nur die Mikrobiologen, sondern die gesamte biologische und medizinische Forschung in ihren Bann gezogen. Und das liegt an einem dieser Cas-Proteine: dem Cas 9-Protein. Das Besondere ist, dass man mit Cas 9 in der Lage ist, jede DNA-Sequenz zu erkennen und zielgerichtet schneiden zu lassen."
    So lässt sich das Erbgut gezielt verändern, wie ein Textdokument im Computer. So lassen sich Tiermodelle, die menschliche Krankheiten nachahmen, mit CRISPR-Cas gezielt züchten. Und nicht zuletzt die Gentherapie setzt zunehmend darauf.
    "Wenn man in der Lage ist, Gene gezielt spezifisch zu schneiden, dann gibt es viele neue Möglichkeiten bei Krankheiten, für die es bisher keine Behandlungsmöglichkeiten gibt. Die könnte man zumindest theoretisch mit CRISPR-Cas-Systemen reparieren."
    George Church von der Harvard Medical School hat bereits eine Firma gegründet, die CRISPR-Cas-Systeme für die Gentherapie entwickeln soll. Die Grenzen lassen sich noch nicht absehen, schwärmt er.
    "Wir haben jetzt eine Methode, mit der wir hunderte von Positionen im Erbgut gezielt und parallel verändern können. Das müssen wir jetzt automatisieren und können dann ein ganzes Säugetier neu schaffen."
    Rein theoretisch ließe sich so ein Mammut aus einem Elefanten erschaffen – oder ein Neandertaler aus einem Menschen von heute.
    Rein theoretisch.