Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


CSU auf der Suche nach Wahlkampfthemen

Geliebt wird CSU-Parteichef Horst Seehofer an der Basis nicht. Keine guten Vorzeichen für 2013, dem Jahr der Landtagswahl in Bayern und der Bundestagswahl. Vor diesem Hintergrund bekommen die traditionellen Klausuren in Wildbad Kreuth noch mehr Bedeutung.

Von Lisa Weiß | 03.01.2013
    Es ist kurz nach Weihnachten. Zeit für Geschenke. Jeder Frau, die durch die Tür eines Lokals in der Traunsteiner Innenstadt geht, wird eine violette Tüte mit CSU-Schriftzug in die Hand gedrückt. Darin neben CSU-Prospekten ein Lippenpflegestift, Gesichtscreme, ein Handtaschenhalter. Außerdem Gummibärchen und Aufkleber für Kinder. Mit dem Inhalt der Tüten bedient Organisatorin Heidrun Schlicht das klassische Bild einer CSU-Frau, Sie stellt sich vor, dass das die Frauen anspricht. Genau wie die Ladies-After-Work-Party.

    "Dass ma die Frauen ein bisschen aktiviert. Das schafft man ganz schlecht mit normale, in Anführungszeichen, CSU-Versammlungen, wo vorn a Redner ist und unten des Volk sitzt."

    Deshalb hat sie anstatt in den Saal einer Bauernwirtschaft in eine italienisch angehauchte In-Bar eingeladen. Lange Reden gibt es nicht. Grüppchenweise sitzen Frauen jeden Alters zusammen, Dirndl sieht man kaum, dafür viel ländlichen Schick. Einige sind nur aus Neugier gekommen, die meisten sind Mitglied der Partei. Die CSU gilt als Männer-dominiert – das wissen auch die CSU-Frauen aus Traunstein und Umgebung. Trotzdem haben sie sich für die Christsozialen entschieden. Manche, weil schon der Vater in der CSU war. Manche aus ganz anderen Gründen:

    "Ich bin bayerische Staatsbeamtin, ist einfach so, dass man da bei der CSU ist. Also gut find ich die Volksnähe momentan, die sich ja sehr gebessert hat."

    Fast jede Frau hier hat eine Familie, Kinder. Das umstrittene Betreuungsgeld finden die meisten gut, aber eine Frauenquote wäre auch nicht schlecht. Viele der jüngeren Frauen sind Akademikerinnen, sie wollen arbeiten. Und doch sind sie im Grunde ihres Herzens konservativ, sie sehnen sich nach einer traditionellen Familie und sind sich sicher, dass kleine Kinder bei der Mama am besten aufgehoben sind.

    Genau wie die Frauen selbst ist auch die CSU etwas moderner geworden – im engen Rahmen. Es ist nicht mehr wie früher unter Franz Josef Strauß, dass es die Männerrunden sind, die keine Frau nach oben kommen lassen. Die meisten CSU-Frauen von heute wollen einfach keine Ämter übernehmen, glaubt Claudia Seidel aus dem Berchtesgadener Land.

    "Frauen haben halt in einem bestimmten Abschnitt in ihrem Leben, grad da wo sie die Kinder kriegen, vielleicht trotzdem berufstätig sind, einfach schon eine Doppelbelastung mim Haushalt und mit allem. Und dann einfach nicht die Zeit und die Kraft, einfach noch eine neue Aufgabe zu haben."

    Wie man das ändern könnte – darauf hat keine der Frauen eine Antwort. Und so ist paradoxerweise gerade Bundesagrarministerin Ilse Aigner ihre Identifikationsfigur. Eine Frau, die nicht das traditionelle Familienbild der CSU lebt – denn sie ist unverheiratet, hat keine Kinder. Aber sie ist eine aus der Region, eine die zeigt, dass es Frauen in der CSU ganz nach oben schaffen können. Vielleicht sogar zur ersten Ministerpräsidentin Bayerns:

    "Sie ist ministerpräsidentenfähig, und ich denke, Bayern ist auch bereit für eine Frau an der Spitze. Die Aigner ist hervorragend, brauchen wir nicht reden. Sie eine super Frau. und sie hat a sehr große Sympathie, merkt man aufm Bezirksparteitag, aufm Landesparteitag, dass sie auch von die Männer sehr anerkannt ist."

    Besonders ein Mann muss Ilse Aigner schätzen, das ist den Frauen hier klar: Ministerpräsident Horst Seehofer. Der schaltet und waltet wie er will. Es hat den Anschein, als ob alleine er entscheiden will, wer ihn eines Tages an der Spitze von Land und Partei beerben wird. Auf der Ladies-After-Work-Party haben viele bei Seehofer gemischte Gefühle. Weil er sich dreht wie ein Fähnchen im Wind. Weil er immer wieder Parteikollegen beleidigt, zuletzt seinen Finanzminister Markus Söder.

    "Ja i war a bissl verwundert, also ganz ehrlich, i hob ma gedacht, der hat vielleicht a bissl zviel drunga. also mei meinung is hoid einfach, wenn ma in der Politik aktiv is, dann sollte man hoid vermeiden, dass ma über Parteimitglieder schlecht redet. Muss des sein? Das ist kein guter Umgang miteinander. Da mein ich jetzt aber eher den Herrn Seehofer als den Herrn Söder."

    Geliebt wird der Parteichef an der Basis nicht. Keine guten Vorzeichen für ein entscheidendes Jahr: 2013 wird gewählt, im Bund und in Bayern. Da bekommen die traditionellen Klausuren in Wildbad Kreuth noch mehr Bedeutung, ab Montag ist erst mal die CSU-Landesgruppe im Bundestag dran. Kreuth ist nur ein paar Kilometer von Traunstein entfernt, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und eben Ilse Aigner sind Wahlkreisabgeordnete aus der Region, hier verwurzelt, jederzeit ansprechbar. Aber die Entfernung zwischen Berlin und Traunstein ist trotzdem groß – nicht nur in Kilometern gemessen.

    "Es ist ein bisschen schwierig, weil es is ja eine Klausurtagung hinter verschlossenen Türen, woll ma hoffen, dass auch Sachpolitik betrieben wird."
    Die Landtagswahl ist den CSU-Frauen sowieso viel wichtiger. Alle sind sich sicher: Die CSU wird an der Regierung bleiben - wie immer. Vielleicht im Herbst im Freistaat sogar die absolute Mehrheit erringen. Bis dahin aber muss die Partei intern friedlich sein. Keine Hahnenkämpfe mehr, sagt Waltraud Bierschneider, Bürgermeistergattin aus Altenmarkt:

    "Interne Streitigkeiten vermeiden, Personaldiskussionen nicht zu früh führen des wäre also was, weil ich bin eher der Meinung, dass die CSU wenn dann schlecht abschneidet, weil sie sich selbst ein Bein stellt."

    Die Erwartungen der Frauen an ihre Partei sind hoch. Auch inhaltlich. Die CSU sollte die Energiewende endlich konsequent durchziehen, fordern einige. Keine der Anwesenden glaubt, dass die Partei mit klassischen Frauenthemen wie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Quote beim Wähler punkten kann. Denn diese Themen sind schon von der politischen Konkurrenz besetzt. Hier habe die CSU, das geben sogar die Frauen zu, längst den Anschluss verpasst.