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CSU-Basis in Oberfranken
"Seehofer soll den Söder dranlassen"

Für die meisten CSU-Mitglieder in Oberfranken heißt der zukünftige Wunschkandidat für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten nicht länger Horst Seehofer, sondern Markus Söder. Der hätte offenbar selbst nichts gegen das Amt, hat aber in der Partei eine erfahrene Konkurrentin, die sich ebenfalls dafür interessiert.

Von Michael Watzke | 23.11.2017
    Horst Seehofer (Ministerpräsident Bayern und CSU-Vorsitzender) mit Markus Söder (Finanzminister Bayern) im Gespräch auf dem CSU-Parteitag 2015 in München
    Horst Seehofer im Gespräch mit Markus Söder (imago / Sven Simon)
    Politischer Dämmerschoppen in der Dorfgaststätte Wich im oberfränkischen Höfles. Die örtliche CSU hat zum Meinungsaustausch geladen – und nach einer Stunde gelingt uns die Sensation: eine junge Dame antwortet auf die Frage, wer die CSU in die nächste Landtagswahl führen soll, nicht etwa Markus Söder. Nein, sie sagt:
    "Seehofer! Weil der Seehofer mir offener vorkommt als der Söder. Der Söder is a weng dubsich!"
    "A weng dupsich" – oberfränkisch für "ein bisschen hinterfotzig". Die Dame geht sogar noch weiter:
    "Die Aigner ist mir lieber als der Söder."
    Aigner lieber als Söder? Die junge Frau nickt schüchtern. Ihren Namen möchte sie aber lieber nicht nennen. Wobei: Carin Bülling weiß eh‘ Bescheid.
    "Ich weiß scho, wer das war!
    Bülling ist seit über 30 Jahren CSU-Städträtin in Kronach. Sie ist für Markus Söder. So wie eigentlich alle hier.
    "In Franken kann ich mir nicht vorstellen, dass das jemand anders sieht."
    "Ich auch nicht!"
    "Und hier in Höfles auf keinen Fall!"
    Allgemeines Gelächter – auf so eine verrückte Idee kann auch nur ein Reporter aus München kommen. Tatsächlich hat der Franke Markus Söder hier in Oberfranken eine unglaubliche Hausmacht.
    "Meine Meinung ist, dass der Söder der richtige ist."
    "Ich bin für Markus Söder. Erstens, weil er Franke ist. Weil er bei uns schon öfters bei Versammlungen war."
    "Wir brauchen nicht immer nur Leute von unten, von Oberbayern usw., sondern es könnte auch mal ein Franke Ministerpräsident werden."
    Politik mit Wurzelgeflecht
    Der Rückhalt für den Mittelfranken Markus Söder aus Nürnberg hat aber nicht nur Stammes-Gründe. Söder hat als bayerischer Finanzminister viel Geld in die Region getragen. Egal ob beim Breitband-Ausbau oder der Behörden-Verlagerung. Natürlich hat sich Söder bei der Scheck-Übergabe auch immer gern fotografieren lassen. Aber die Investitionen kamen an, sagt Bülling:
    "Ja, der hat sehr viel getan. Muss man sagen. Gerade bei uns in Oberfranken. Der Bürgermeister hat’s vorhin angesprochen: zu uns kommt diese Finanzschule, das sind 200 Studenten. Das ist für Kronach ein Riesen-Projekt!"
    Ilse Aigner macht Söder Konkurrenz
    Wer in Nordbayern übers Land fährt, hört zwar nicht nur Gutes über Söder. Aber man stellt schnell fest, dass sich der Franke hier etwas geschaffen hat, das der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle als Wurzelgeflecht bezeichnet - in Anlehnung an Franz Josef Strauß:
    "Und ich glaube, dass dieses Wurzelgeflecht auch die CSU als eine der wenigen Parteien in Deutschland hat. Und da zählt natürlich – neben vielen anderen – auch Markus Söder an zentraler Stelle dazu. Als einer, der die Zukunft gestalten kann."
    Der Münchner CSU-Chef Spaenle ist einer der größten Unterstützer von Markus Söder. Als neulich Ilse Aigner eine Mitglieder-Befragung vorschlug, um den Ministerpräsidenten-Kandidaten der CSU zu bestimmen, da kanzelte Spaenle die Wirtschaftsministerin als "politische Leichtmatrosin" ab. Aigner möchte – ebenso wie Markus Söder – bayerische Ministerpräsidentin werden und Horst Seehofer beerben. Viele in der CSU – auch in ihrem eigenen Bezirksverband – trauen ihr das nicht zu. Sie sei zu nett, zu leise, zu dirndlig – also naiv.
    "Also ich hab‘ manche Wörter überhaupt nicht nachvollziehen können. Ich kann nur sagen: Ich hab‘ als ehemalige Bundesministerin, die fünf Jahre Verantwortung im Bund getragen hat, und als stellvertretende Ministerpräsidentin gezeigt, was ich kann. Und darauf lege ich auch Wert."
    Aigners Vorschlag einer Mitglieder-Befragung kommt an der Basis gut an. Auch beim CSU-Ortsverband in Höfles in Oberfranken. Der Vorsitzende Manfred Schubert sagt:
    "Das ist ein sehr guter Weg. Aber ich fürchte, das ist fast ein bisschen zu kurzfristig. Das hätte man schon eher machen müssen."
    Denn schon in 21 Tagen hält die CSU ihren Parteitag ab. Mit Neuwahlen des Vorstandes. Gut möglich, dass CSU-Chef Horst Seehofer heute Abend verkündet, dass er dort nochmal als Vorsitzender antreten will. Auch wenn in Höfles die meisten davon abraten:
    "Der ist alt genug, der soll abtreten und jüngere Leute dranlassen. Irgendwann muss er in Rente gehen. Er ist sowieso schon langsam mit dem Reden und allem. Er hat schwer nachgelassen. Also soll er den Söder ranlassen, dann sehen wir, wie’s läuft. Vielleicht bringt der was für Oberfranken. Ist meine Meinung."
    Söder steht in den Startlöchern
    Erstaunlicherweise teilt Markus Söder diese Meinung nur zur Hälfte. Söder hätte nichts dagegen, wenn Seehofer Parteichef bliebe und nach Berlin ginge – etwa als Bundesminister in einem Kabinett unter Angela Merkel. Solange nur er, Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident wird. Heinz Hausmann kennt Söder gut. Der 76-Jährige ist Ehrenvorsitzender der CSU in Höfles und saß jahrzehntelang im bayerischen Landtag.
    "Ich kenne ihn sehr gut, weil er im Parlament viele Jahre lang mein unmittelbarer Nachbar war. Markus Söder hat in den letzten Jahren sehr viel für Bayern gemacht. Auch für Franken gemacht. Er will auch etwas werden. Aber ich würde ihm den Rat geben, abzuwarten, bis seine Stunde geschlagen hat."
    Aber wann schlägt die Stunde? Der ehrgeizige Machtmensch Söder scheint nicht länger warten zu wollen. Die Zeit sei reif, heißt es in seinem Umfeld. Wenn Seehofer heute Abend im CSU-Vorstand einen Personal-Vorschlag mache, der Söder nicht berücksichtige, drohe Krieg in der Partei. Gespalten ist die CSU schon jetzt. So sehr, dass Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die Grand Dame der Partei, auf eine Persönlichkeit setzt, die versöhnen könne.
    "Wichtig ist für mich, dass diese Persönlichkeit die Voraussetzungen hat, diese Spaltung, die vorhanden ist, zu beseitigen."
    Im Gasthaus Wich in Oberfranken geht der "politische Dämmerschoppen" der CSU friedlich zu Ende. Hier merkt man kaum, dass die CSU-Spitze vor einer Zerreißprobe steht. Heinz Hausmann, der Ehrenvorsitzende sagt, aber schon viele Parteikrisen erlebt. Immer sei die CSU zurückgekommen.
    "Gemeinsam ist man einfach stark, und gemeinsam ist vieles zu erreichen."