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Waldschäden
"Junge, bunte, wachsende Wälder - eine Frage von einer Generation"

Laubbäume sehen aus, als wenn schon Ende Oktober wäre, sagte der Präsident des Forstwirtschaftsrats Georg Schirmbeck im Dlf. Nicht nur das trockene Wetter macht dem Wald zu schaffen – auch Pilze und Käfer beschädigen das Holz. Er fordert deswegen staatliche Hilfen. Denn das sei „ein teurer Spaß“.

Georg Schirmbeck im Gespräch mit Jan Tengeler | 29.08.2019
Herbstwald im Morgenlicht
Schon jetzt haben einige Laubbäume welke Blätter, weil der Sommer zu trocken war (picture-allaince / dpa / Helmut Meyer zur Capellen)
Jan Tengeler: Ende September soll in Berlin ein sogenannter nationaler Waldgipfel stattfinden, aber schon an diesem Donnerstag hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU Vertreter diverser Verbände zum Austausch über Fachfragen eingeladen, denn Ursachen und Lösungen der gegenwärtigen Krise seien "komplex", wie das Ministerium im Vorfeld mitteilte. Die Ministerin sitzt mit Waldbesitzern und Naturschützern an einem Tisch. Mit dabei ist auch Georg Schirmbeck. Er ist der Präsident des deutschen Forstwirtschaftsrats. - Herr Schirmbeck – der Zustand des hiesigen Waldes ist schlecht, was heißt das konkret?
Georg Schirmbeck: Es ist eine ganz einfache Angelegenheit. Wenn es wochenlang keinen Tropfen Wasser gibt vom Himmel und wir gleichzeitig 30 und mehr Grad haben, dann ist das für den Wald eine Katastrophe. Ich komme aus Osnabrück, da haben wir in den letzten drei Wochen jeden Tag 30 und mehr Grad und keinen Regen gehabt. Das heißt, die Schadensbilanz wird sich noch erheblich erhöhen, noch viel größer werden, als wir das vielleicht vor einem viertel Jahr vorausgesagt haben.
"Wir wissen nicht, an welchen Schrauben müssen wir drehen, damit es regnet"
Tengeler: Wann sind denn dann diese Folgeschäden tatsächlich erst abzusehen? Offensichtlich nicht dann, wenn es so trocken ist, sondern es dauert wie lange, zwei, drei Wochen, Monate, um das abzuschätzen?
Schirmbeck: Man kann es jetzt auch schon sehen. Beim Nadelwald kann man es vielleicht nicht gleich so sehen, aber unsere Laubbäume sehen einfach so aus, als wenn wir schon Ende Oktober hätten, oder so dass wir schon einen ganz späten Herbst hätten. Da ist irgendwas falsch!
Tengeler: Jetzt kommt einem dieser Vergleich immer zu dem Waldsterben der 80er-Jahre ein bisschen in den Sinn. Ist das vergleichbar in irgendeiner Art?
Schirmbeck: Ich habe das bewusst erlebt. Damals wussten wir relativ genau, auf wissenschaftlicher Basis, an welchen Schrauben wir drehen mussten: Großanlagen-Feuerungsverordnung, Katalysator für die Autos, und das hat schlagartig gewirkt. Heute ist es schwieriger. Wir wissen nicht genau, an welchen Schrauben müssen wir drehen, damit es regnet, um das mal ganz einfach zu sagen. Und was müssen wir jetzt machen, damit kurzfristig die Temperaturen runtergehen? Das sind ja schon mal zwei Sachen. Hat das was mit dem Golfstrom beispielsweise zu tun, der erheblich auf unser Klima einwirkt? Heißt das, dass wir das in Mitteleuropa steuern können - oder muss das weltweit gesteuert werden? Es ist komplizierter, als es damals war.
Tengeler: Jetzt sitzen Sie ja in einem Expertentreffen, einem Vortreffen für diesen großen Waldgipfel Ende September. Mit welchen Erwartungen gehen Sie denn in dieses Treffen hinein?
Schirmbeck: Es wäre gut, wenn am Ende der Konferenz wir, ich sage mal, einer Meinung wären in den wesentlichen Punkten. Denn wenn wir geschlossen einer Meinung sind, dann haben wir natürlich gegenüber der Politik größere Chancen, dann auch etwas durchzusetzen. Wenn wir kleinkarierte Diskussionen unter den "Forstexperten" machen, dann wird es natürlich noch schwieriger.
Wir haben in den letzten Wochen alles daran gesetzt, um hier zu einer möglichst einheitlichen Meinungsbildung zu kommen. Ich sage mal, die Experten des Ministeriums und meine Experten, die sind im Wesentlichen einer Meinung, so dass wir eigentlich mit guter Hoffnung in diese Gespräche gehen und glauben zu sagen, okay, das ist es jetzt, und das müssen wir natürlich glaubwürdig machen in den nächsten Wochen, damit auch der Bundesfinanzminister und die Haushaltsexperten des Bundestages die notwendigen Beschlüsse fassen.
"So viel Holz auf dem Markt, dass das überhaupt keiner gebrauchen kann"
Tengeler: Was sind konkrete Vorstellungen und Vorschläge, die Sie haben?
Schirmbeck: Einfluss haben wir da, wo wir Käfer-Kalamitäten haben. Der Borkenkäfer ist in aller Munde. Da muss das Schadholz aus dem Wald. Wenn wir feststellen, dass irgendwo Pilze, Käfer oder so an den Bäumen sind, müssen diese Bäume gefällt werden und sofort aus dem Wald raus. Das ist ein teurer Spaß und diese Mittel - darum werden wir nachhaltig bitten - brauchen wir vom Staat. Das müssen wir immer unter dem Gesichtspunkt sehen, dass der Holzmarkt eigentlich zusammengebrochen ist. Da haben Sie gestern noch für einen Festmeter oder für einen Raummeter 90 oder 100 Euro bekommen und heute will das Holz gar keiner mehr haben, weil der Markt total übersättigt ist. Wir gehen jetzt schon von 70.000 Kubikmetern aus und wenn ich jetzt sehe, was in den letzten beiden Wochen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen für Temperaturen waren und wie trocken es war, dann gehen wir davon aus, das werden auch 100 Millionen Festmeter werden. Es ist so viel Holz auf dem Markt, dass das überhaupt keiner gebrauchen kann.
Tengeler: Das sind ja kurzfristige Maßnahmen. Mit welchen Vorschlägen gehen Sie denn auf langfristige Maßnahmen? Wir haben diese Klimadiskussion ja wirklich massiv derzeit und ich vermute, dass Sie eigentlich da auch nur in eine ähnliche Kerbe schlagen können.
Schirmbeck: Wir müssen, das vielleicht ein bisschen schneller, aber wir müssen das fortsetzen, was wir in den letzten 30 Jahren gemacht haben. Das können Sie in der Bundeswaldinventur alle zehn Jahre nachlesen. Wir brauchen junge, bunte, wachsende Wälder. Dabei gehen wir davon aus, dass die dann klimastabiler sind, dass die robuster sind. Aber eine Garantie dafür haben Sie nicht. Wer uns heute voraussagt, macht genau das, der kann auch genau daneben liegen. Mit einem gewissen Risiko gehen wir da hin. In der Landwirtschaft können Sie nach einem Jahr umsteuern und etwas Neues pflanzen, etwas anderes pflanzen. In der Forstwirtschaft sind alle neuen Wege, die Sie gehen, eine Frage von einer Generation.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.