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CSU-Chef: Wir brauchen die Mobilität der Menschen

Nach den jüngsten Vereinbarungen des Koalitionsausschusses hat CSU-Chef Erwin Huber die positive Weichenstellung für Familien herausgestrichen. Auch die Besteuerung von Autos nach ihrem CO2-Ausstoß begrüßte Huber. Gleichzeitig bekräftigte er die Forderung der CSU nach einer Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer. Alles andere sei unsozial und ungerecht, sagte Huber.

Moderation: Silvia Engels | 12.06.2008
    Silvia Engels: Es ist keine leichte Arbeit, wenn man ein gutes Jahr vor einer anstehenden Bundestagswahl mit dem vermeintlichen Hauptgegner noch gemeinsam etwas auf die Beine stellen soll. Noch schwieriger wird es, wenn man zwischendurch auch noch Landtagswahlen gewinnen muss wie die bayerische CSU im September. Die aufgeladene Stimmung zwischen Union und SPD war gestern im Vorfeld der Sitzung des Koalitionsausschusses spürbar. So sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck zu den CSU-Forderungen gestern hier im Deutschlandfunk:

    O-Ton Struck: Ich weiß nur, dass Erwin Huber im Grunde sich völlig koalitionswidrig verhält, wenn er jetzt mit dieser Pendlerpauschale versucht, seine Marode CSU in einem Wahlkampf irgendwie nach oben zu bringen.

    Engels: SPD-Fraktionschef Peter Struck und am Telefon ist nun CSU-Chef Erwin Huber. Guten Morgen!

    Erwin Huber: Guten Morgen!

    Engels: Herr Huber, wie gemütlich war denn gestern die Runde mit Peter Struck?

    Huber: Ja gut. Wir haben uns intensiv auch auseinandergesetzt, wo es sein musste. Aber einmal muss ich sagen: die CSU liegt in den Umfragen in Bayern bei 50 Prozent, die SPD bei 20, nur damit man sieht wer in Bayern gut aufgestellt ist.

    Engels: Im Ton mag sich ja SPD-Fraktionschef Struck ein wenig vergriffen haben, aber in der Sache haben Sie ja in Sachen Pendlerpauschale auch gestern Abend nichts durchsetzen können.

    Huber: Wir haben auch auf meine Initiative lange und intensiv über die Auswirkungen von gestiegenen Energiepreisen auf die Wirtschaft, auf die Menschen gesprochen. Es ist ja erschreckend, dass eine Million Haushalte im Jahr jetzt Gas und Strom abgezwackt werden, weil sie es nicht mehr bezahlen können. Die Kanzlerin hat auch gesagt, sie wird bei internationalen Konferenzen auch entsprechend einwirken. Ich habe gesagt, die CSU bleibt an dem Thema Pendlerpauschale dran und wir werden am 4. Juli dazu einen Gesetzentwurf im Bundesrat einbringen. Es braucht also niemand zu glauben, dass dies ein Wahlkampf-Gag ist. Es ist uns sehr ernst. Wir wollen die arbeitenden Menschen entlasten. Die fleißigen Menschen kann man nicht alleine stehen lassen. Deshalb werden wir nachhaltig und hartnäckig auf die Einführung der Pendlerpauschale hinarbeiten.

    Engels: Aber was sagen Sie denn inhaltlich zu dem Vorwurf der SPD, Sie würden mit Ihrer Forderung nach Wiedereinführung dieser Pendlerpauschale gegen eine beschlossene Koalitionsabsprache verstoßen?

    Huber: Es ist einmal nicht im Koalitionsvertrag. Es ist im Jahr 2006 eine Änderung in einem Gesetz gemacht worden – aus meiner Sicht unter damals völlig anderen Bedingungen.

    Engels: Aber man hat sich im Herbst letzten Jahres noch einmal darauf verständigt?

    Huber: Seinerzeit war der Benzinpreis bei 1,10 € oder 1,20 €. Jetzt ist er bei 1,50 €. Und es wäre doch völlig falsch, wenn die Politik sagen würde "Haben wir doch vor vielen Jahren entschieden, wir kümmern uns nicht um die Menschen", sondern ich bin der Meinung, wir können die Leute, die den Staat durch ihre Arbeit finanzieren, nicht einfach im Regen stehen lassen. Vielleicht ist das auch ein Problem der SPD, dass sie sich viel zu weit von den arbeitenden Menschen entfernt hat.

    Engels: Die Pendlerpauschale könnte ja ohnehin durch das Bundesverfassungsgericht wo möglich wieder eingeführt werden. Könnten Sie das dann im Fall der Fälle ernsthaft als Erfolg der CSU feiern?

    Huber: Ich möchte eigentlich gar nicht auf das Bundesverfassungsgericht warten. Für mich ist das zwar auch eine Rechtsfrage, aber nicht in erster Linie eine Rechtsfrage, sondern es ist heute eine Frage, dass wir die Mobilität der Menschen brauchen. Wer von Hartz IV lebt, der hat keine Fahrkosten. Wer das ganze aber finanziert, das sind jeden Tag Millionen von Arbeitnehmern unterwegs. Bei den Betrieben kann man die gestiegenen Energiekosten absetzen, aber der Arbeitnehmer nicht. Das ist unsozial und es ist ungerecht und es spricht halt gegen die SPD, dass sie dort kein Gefühl hat. In der CDU ist ja erfreulicherweise eine Entwicklung und eine Diskussion in Gang gekommen. Aber wie gesagt: wir werden im Bundesrat im Juli den Gesetzentwurf dazu einbringen.

    Engels: Sie sprechen von Bewegung, aber einen Beschluss gab es – ich wiederhole es noch mal – gestern Abend nicht.

    Huber: Gab es dazu nicht, nein.

    Engels: Wo hat denn speziell die CSU gestern ihre Interessen durchgebracht? Bei der Pendlerpauschale ja nicht.

    Huber: Ich sehe zwei Punkte, die auch bei uns ganz oben auf der Prioritätenliste waren, nämlich einmal die Entlastung der Familien. Das ist auch Teil meines Steuerkonzeptes: mehr Netto für alle. Das heißt vom 01. Januar 2009 an mehr Kindergeld und Kinderfreibeträge bei der Steuer. Das wird nach meiner Schätzung ein Gesamtvolumen von etwa zwei Milliarden Euro haben. Das ist im Prinzip beschlossen. In welcher Höhe, muss im Herbst festgelegt werden.

    Zweitens: die Arbeitslosenversicherung wird weiter abgesenkt, und zwar von wohl 3,3 auf 3,0 Prozent. Das ist wiederum eine Entlastung von etwa zwei Milliarden für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber. Das heißt die Weichenstellung der Koalition gestern ist sehr positiv für die Familien, für die Arbeitnehmer, auch für die Senkung der Lohnnebenkosten und das macht zusammen doch ein Volumen von etwa vier Milliarden aus. Das ist für mich schon ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

    Engels: Aber die Arbeitslosenversicherung auf drei Prozent zu senken, das ist bis jetzt zwar angedacht, aber nicht beschlossen. Warum muss da noch weiter beraten werden?

    Huber: Wir haben den Auftrag gegeben, dass das jetzt anhand der Zahlen der Bundesagentur für Arbeit – dort gehen ja die Gelder ein – genau überprüft wird. Wir wollen ja auch, dass die Rücklagen der Agentur für Arbeit auch bis in das Jahr 2011/12 gesichert sind. Aber so wie die vorläufigen Zahlen sind, die uns vorliegen, kann das gemacht werden. Ich gehe davon aus: Das ist grundsätzlich politisch entschieden und jetzt eine Frage der Umsetzung.

    Engels: Stichwort Familien. Das höhere Kindergeld kommt ja ohnehin, sagt immer die SPD aufgrund der Rechtslage. Nun wollen Sie auch höhere Freibeträge für Familien. Hier ist die SPD skeptisch. Sie will das Gesamtmodell umbauen, um ärmere Familien besser zu entlasten. Ist da die Entscheidung über Freibeträge gefallen?

    Huber: Eigentlich ist die Rechtslage umgekehrt. Zwangsläufig durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts müssen die Freibeträge erhöht werden, weil das Existenzminimum eines Kindes muss steuerfrei bleiben. Die Sache Kindergeld ist eine politische Entscheidung, aber es ist natürlich logisch, wenn wir die Kinderfreibeträge erhöhen, von denen etwa ein Drittel der Familien etwas hat, dann muss man politischer Konnex natürlich auch das Kindergeld erhöhen. Also das wird beides kommen! Und was die SPD hier sagt mit Änderung bei den Freibeträgen, das ist steuerpolitische Irrfahrt. Das wird mit Sicherheit nicht bis zum 1. Januar umgesetzt werden, denn wer den progressiven Tarif befürwortet – und da ist ja die SPD stark dafür -, der muss auch bei der Entlastung natürlich die gleiche progressive Wirkung in Kauf nehmen.

    Engels: Ein weiterer Beschluss betrifft die Kfz-Steuer. Sie soll künftig dem Bund und nicht mehr den Ländern zufließen. Die Länder bekommen dafür einen Ausgleich von neun Milliarden Euro. Hintergrund: Die Kfz-Steuer soll mittelfristig nach CO2-Ausstoß bemessen werden und nicht mehr nach Hubraum. Soll das heißen, wenn künftig die Einnahmen daraus sinken, soll sich der Bund allein damit rumschlagen?

    Huber: Ja, das ist richtig. Wir fassen damit zusammen, dass alle Steuern, die um die Mobilität, um das Fahrzeug gehen, in einer Hand sind, nämlich die Mineralölsteuer, Ökosteuer, jetzt Kraftfahrzeugsteuer. Das Problem in den letzten Monaten oder eineinhalb Jahren war, dass Gesetzgebungshoheit und Ertragshoheit auseinanderfallen. Das wird jetzt zusammengeführt. Also das wird zum 1.1.2010 erfolgen. Für den Autofahrer selber ist es ja nicht so entscheidend, wohin das Geld fließt, sondern warum er wie viel bezahlen muss. Da wird es wohl zwei Änderungen geben, nämlich einmal, dass die jetzige Anknüpfungszahl Hubraum verändert wird in den Ausstoß von CO2. Das hat natürlich eine Wirkung für das Klima, hat eine positive ökologische Anreizfunktion.

    Engels: Aber die Länder behalten die Einnahmen, weil sie den Ausgleich kriegen und nicht mehr die Steuer?

    Huber: Die Länder bekommen einen festen Anteil aus dem Steueraufkommen des Bundes, wohl aus dem Mehrwertsteueraufkommen. Jedenfalls das jetzige Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer wird als Festbetrag den Ländern zugewiesen. Die können ja nicht ersatzlos darauf verzichten.

    Ich muss aber das zweite noch nachtragen für die Autofahrer selber. Es ist auch festgelegt, dass durch die Umstellung auf die CO2-Steuer die Altfahrzeuge nicht höher belastet werden. Das war ja nun auch so etwas, was von den Umweltpolitikern die letzten eineinhalb Jahre stets rumgetragen wurde. Das heißt ich kann die Fahrzeugbesitzer und Eigentümer beruhigen. Durch die Umstellung auf die CO2-Steuer wird das jetzige Fahrzeug nicht mehrbelastet.

    Engels: Stichwort Erbschaftssteuer. Nach Angaben von SPD-Chef Beck ist man sich hier inhaltlich eigentlich einig. Aber einen Beschluss gibt es noch nicht, denn man nehme Rücksicht auf die CSU vor den Landtagswahlen im September. Was heißt das denn nun wieder?

    Huber: Dann hat der Herr Beck aber gestern nicht gut zugehört. Ich habe dargestellt – und ich bin ja hier ganz intensiv in den Verhandlungen -, es gibt im Moment 16 Punkte, wo sich Union und SPD bei der Umsetzung der Erbschaftssteuer nicht einig sind. Wir wollen eine deutlich mittelstandsfreundlichere Regelung und über diese 16 Punkte muss verhandelt werden. Da wird es wohl vor der Sommerpause noch eine Verhandlungsrunde geben und dann im Herbst. Das ist doch jetzt innerhalb der nächsten 14 Tage, in denen der Bundestag noch zusammentritt, überhaupt nicht zu machen. Es geht um Qualität der Gesetzgebung und da brauchen wir diese Zeit. Im Übrigen muss ich sagen, in den letzten fünf Monaten haben wir schon darauf hingewirkt: Wir wollen also, dass durch Erbschaft oder Schenkung die Arbeitsplätze erhalten bleiben, und das müsste eigentlich auch im Interesse der SPD sein.

    Engels: Heißt nach den Wahlen in Bayern keine neuen Belastungen durch die Erbschaftssteuer?

    Huber: Es ist völlig klar, das jetzige Aufkommen wird auf keinen Fall höher werden. Dafür gebe ich auch eine entsprechende Garantie. Wir werden darauf achten, dass der Staat durch die Veränderungen, die ja zum Teil auf ein Urteil des Verfassungsgerichts zurückgehen, insgesamt nicht mehr Steuern einnimmt. Das heißt also die Wünsche der SPD-Linken, die Erbschaftssteuer nun doch kräftig in die Höhe zu bringen, die werden an uns scheitern.

    Engels: Erwin Huber, CSU-Chef und bayerischer Finanzminister. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Huber: Bitte sehr. – Danke!