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Die bayrischen Kronprinzen lauern

Christine Haderthauer ist wegen ihrer Modellauto-Affäre angezählt. Ihr Sturz wäre vor allem Horst Seehofers Problem - das weiß auch Markus Söder, der mit seinen Plänen etwa für schnelles Internet in jedem Dorf gerade im Norden Bayerns Sympathiepunkte sammelt.

Von Barbara Roth | 07.08.2014
    Markus Söder (CSU), bayerischer Finanzminister vor mehreren Mikrofonen
    Markus Söder (CSU), bayerischer Finanzminister (picture-alliance / dpa / Peter Kneffel)
    "Hier ist der große Veranstaltungssaal, da wird schon aufgebaut für die Kabinettssitzung. Sehr schön..."
    Markus Söder platzt fast vor Stolz, als er Journalisten durch die "Villa Söder" führt. So wird in Nürnberg sein "Heimatministerium" genannt. Der Zweitdienstsitz des bayerischen Finanzministers in der Franken-Metropole.
    "Das ist tatsächlich was Besonderes: Weil das erste Mal seit 1806 gibt es Regierungshandeln außerhalb Münchens. Das ist ein Stück weit so eine Art fränkische Vertretung Bayerns, wenn man das so sagen kann."
    Schnelles Internet bringt Stimmen
    Ein 50er-Jahre-Bau, ein ehemaliges Bankgebäude – mitten in Söders Heimatstadt. Kein Zufall also, dass er hier ein Förderprogramm für das eher strukturschwache Nordbayern verkündet. Der ehrgeizige 47-Jährige weiß, wie es geht: schnelles Internet in jedem Dorf – das garantiert ihm Wählerstimmen...
    "Und nicht nur sagen, Bayern hat halt München, das ist super-toll und der Rest kämpft um den Anschluss. Da muss man auch etwas dafür tun, dass Mittelstädte, aber auch ländliche Räume Anschluss halten können."
    600 Millionen Euro macht der Minister dafür gerne locker. Zur Feier des Tages ist neben der bayerischen die fränkische Flagge gehisst und die komplette Staatsregierung angereist, der Ministerpräsident hat sogar seinen Urlaub unterbrochen. Es ist die letzte Kabinettssitzung vor der Sommerpause - und Söders großer Tag, den nur eine stört: Christine Haderthauer, die wegen der Modellbau-Affäre ums politische Überleben kämpft.
    "Dazu kann ich nichts sagen."
    Später beim Abendessen plaudert er, will sich aber nicht zitieren lassen. Die Demonstranten, die Haderthauer in Nürnberg lautstark empfangen, denken jedenfalls ähnlich.
    Gegenangriff mit Betonlächeln
    Die Chefin der Staatskanzlei trägt kämpferisches Rot und ein Betonlächeln. Sie dirigiert die Journalisten ins Gebäude, baut sich im Sitzungssaal auf, bläst zum Gegenangriff.
    "Die Empörungswelle und die Skandalhysterie werden jetzt nach und nach in sich zusammenbrechen, weil sich herausstellen wird, dass nichts von dem, was da an Gerüchten und Verleumdungen in die Welt gesetzt wurde, zutrifft."
    Draußen bei den lärmenden Demonstranten wird Horst Seehofer derweil gefragt, warum Haderthauer bleiben darf, Hans Peter Friedrich aber seinen Posten im Bundeskabinett verlor. Genau darüber wird längst an der CSU-Basis diskutiert: Friedrich habe die Bundesregierung vor einer – Zitat - "Edathy-Blamage" bewahrt, Familie Haderthauer mit Modellautos, die psychisch kranke Straftäter bauten, Geld verdient.
    "Frage: Herr Seehofer, die moralische Frage wird in der CSU schon debattiert."
    "Ach ja, immer die Behauptung, was wird diskutiert. Wenn Sie das hinter den Kameras für relevant halten, dann ist das Ihre Sache. Meine ist es nicht. Ich sage dazu nicht mehr..."
    Haderthauers forscher Auftritt gefällt ihm nicht. Offenheit der Staatsanwaltschaft gegenüber und Demut hat er ihr empfohlen. Sie aber denkt nicht daran, die reuige Sünderin zu spielen. Im Gegenteil. Das Gerücht, sie und ihr Mann – er war im Justiz-Krankenhaus der behandelnde Arzt - hätten einen Dreifachmörder mehrfach zum Essen ausgeführt, wird sie auf ihrer Facebook-Seite dementieren.
    "Ich baue darauf, dass jetzt die Fakten sich durchsetzen. Und dann wird sehr deutlich, dass das Ganze kein fragwürdiges Geschäftsmodell war, sondern ein von Idealismus getragenes Engagement finanzieller Art, aber auch mit viel Einsatz meines Mannes."
    Abschied durch den Hinterausgang
    Später wird sie kleinlaut durch den Hinterausgang verschwinden, wo ihr Dienstwagen mit laufendem Motor auf einem Behindertenparkplatz steht.
    "Ich kann nicht ermitteln, ich will nicht ermitteln, ich will auch nicht recherchieren. Ich will gar nichts. Ich will, dass die Justiz ihr Werk tun kann. Und wenn etwas Neues auftauchen sollte von signifikanten Gehalt, das wäre noch mal ein Umstand, der einer neuen Bewertung zugeführt werden müsste."
    Obwohl im Urlaub, ist Seehofer aschfahl im Gesicht. Der CSU-Chef bestreitet es wortreich, aber er steht unter Druck. Mancher Beobachter stellt sich bereits die Frage, wann der 65-Jährige wohl die Lust an der Politik verlieren wird. In München ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen seine Ministerin wegen Betrugs, in Berlin wird das Maut-Konzept seines Verkehrsministers Alexander Dobrindt in der Luft zerrissen. Und selbst in der CSU wagen sich die Maut-Kritiker langsam aus der Deckung. Ob Seehofer geschwächt, beschädigt, angezählt ist?
    "Ja, ich höre das nicht nur bei Ihnen, ich lese das auch. Manche Zeitungen machen da ganze Seiten mit auf. Aber das beeindruckt eigentlich in Bayern niemanden. Das nimmt man recht gelassen. Man hat eine Krise, eine Europakrise, und der Seehofer ist geschwächt und schlimm, vergessen Sie es."
    Neben Seehofer lümmelt Markus Söder auf seinem Stuhl und tippt gelangweilt auf seinem Handy herum. Weder er noch andere Minister sind Haderthauer öffentlich zur Seite gesprungen – womit sie deutlich machen: Wenn sie stürzt, ist es alleine Seehofers Problem.
    Die Kronprinzen warten
    Die Journalisten hat Markus Söder schon mal in den Keller seiner Nürnberger Dependance geführt – der Tresor im ehemaligen Bankgebäude soll künftig als Besprechungsraum dienen.
    "Das sind die ehemaligen Schließfächer. Das ist auch weitgehend abhörsicher hier bei ganz geheimen Gesprächen, für so ganz wichtige Gespräche über die Zukunft der CSU zum Beispiel."
    Kronprinz Söder ist bereit zu übernehmen, eilig hat er es nicht. Kronprinzessin Ilse Aigner ist die CSU-Hoffnung für gute Tage. Ihn dagegen wird die Partei rufen, wenn die Not am größten ist. Und nach Seehofer wird die CSU in einer schwierigen Phase sein. Vielleicht muss man noch ein, zwei Jahre warten – je näher die bayerische Landtagswahl 2018 rückt, desto mehr wird Seehofer zur "lame duck". Vielleicht aber geht alles auch viel schneller – dann, wenn Haderthauer ihren Chef mit in den Abgrund zieht. Söder verschwindet jetzt zwar in die USA in den Urlaub - doch mit ihm ist zu rechnen.
    "Da soll er sich jetzt keine Hoffnung machen, ich komme natürlich auch wieder." - "So ist es."