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CSU-Generalsekretär
"Wir haben jetzt schon die höchste Abschiebequote"

Der Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuer, fordert, Asylbewerber, deren Anträge von den Behörden abgelehnt wurden, konsequenter und schneller abzuschieben. "Bayern wird da Vorreiter sein", sagte Scheuer im DLF. Dazu würden die Behörden finanziell und personell besser ausgestattet.

Andreas Scheuer im Gespräch mit Katharina Hamberger | 04.01.2015
    CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zieht eine Jacke an.
    CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer (picture alliance / dpa / Andreas Geber)
    Hamberger: Herr Scheuer, die Große Koalition mit SPD und CDU und CSU gibt es jetzt ein gutes Jahr. Als Sie im vergangenen Jahr zur Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad-Kreuth gefahren sind, da war die Regierung gerade mal wenige Wochen alt und Sie neuer Generalsekretär der CSU. Wenn Sie jetzt nach Kreuth fahren, wie, sagen Sie denn, war das Jahr dann für die CSU in Berlin? War es ein gutes Jahr?
    Scheuer: Es war ein gutes Jahr für die CSU. Wir haben einen Job zu machen und der heißt, den Koalitionsvertrag umzusetzen mit einer Koalition aus CDU/CSU und SPD. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass wir uns um die konkreten Themen kümmern. Wir haben vieles umgesetzt als CSU, wir haben vieles eingeleitet. Und wenn ich mich zurückerinnere an 2014, war es gerade in Kreuth das Thema Sozialmissbrauch und Sozialtourismus. Auch da können wir Vollzug melden mit besten Ergebnissen, nur als ein Beispiel neben Mütterrente, der Einleitung ins parlamentarische Verfahren der PKW und vieles, vieles mehr. Also ich fahre mit guten Gefühlen auch nach Kreuth 2015.
    Hamberger: Das Thema Asyl, Flüchtlinge, Migration spielt ja auch dieses Jahr in Kreuth wieder eine große Rolle und ist wahrscheinlich auch eine Herausforderung für das kommende Jahr für die Politik. Sie haben im letzten Jahr mit einem Satz für Aufregung gesorgt: "Wer betrügt, der fliegt". Jetzt ist es so, wenn man die Papiere für Kreuth dieses Jahr liest zu dem Thema, findet man keinen so provokativen Satz mehr. Was ist passiert? Sind das irgendwie Lehren vielleicht aus dem Satz, den man vor dem Parteitag in einem Papier hatte, wo man gesagt hat, da hat man jetzt zu viel provoziert?
    Scheuer: Die CSU ist bekannt dafür, dass wir klare Sätze und Forderungen formulieren. Das wird auch so bleiben. Wir haben ja die oft zitierten Sätze nicht selber über Nachrichtenagenturen gegeben, sondern die mediale Berichterstattung hat sich dann auf einige wenige Sätze konzentriert. Es wäre sehr schön, wenn man die kompletten Papiere und auch die kompletten Inhalte dann stärker noch rüberbringen und transportieren könnte. Aber Kreuth 2014 war geprägt von der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit. Da sagen wir ein klares "Ja", aber es darf nicht zu sozialem Missbrauch oder Sozialtourismus in unseren Sicherungssystemen kommen. Das war die Ansage, und die CSU hat dieses Thema aufgerissen, hat Vorschläge gemacht. Und wir konnten im Herbst 2014 die Ergebnisse einsammeln, nämlich, dass die Bundesregierung und die Große Koalition ein Gesetzespaket verabschiedet hat, das die Anreize für ausländische EU-Bürger in unsere sozialen Sicherungssysteme zu gehen und nicht nach Arbeit zu suchen, sondern rein unsere sozialen Sicherungssysteme zu nutzen, dass dem Einhalt geboten wird.
    Jetzt haben wir einen ganz anderen Themenbereich, der leider immer mit dem ersteren sehr stark verbunden wird, aber die Asyl- und Flüchtlingsproblematik hat uns im Laufe 2014 erst so richtig in die politische Diskussion gebracht, weil durch die weltweiten Krisen und Kriege natürlich auch die Flüchtlingswelle rapide angestiegen ist und da brauchen wir klare Regeln. Und deswegen hat auch die CSU-Landesgruppe für 2015 sich um diesen Themenbereich angenommen und ganz konkret Vorschläge gemacht, wie wir die Asyl- und Flüchtlingsthematik besser in den Griff bekommen. Zum einen, die humanitäre Verpflichtung, zum anderen für die, die aber wirklich im Asylverfahren abgelehnt werden, auch klare Regelungen der Rückführung.
    Hamberger: Sie haben jetzt gerade eben diese beiden Bereiche genannt, also einmal eben die Hilfsbedürftigen, die in dem Papier auch als die "wahren Schutzbedürftigen" gelten und die anderen, die Schutzbedürftigkeit nur vortäuschen würden. Ist so eine Zweiteilung denn gut, dass man also eine Art Zweiklassengesellschaft von Flüchtlingen macht?
    Scheuer: Das ist schon Wesenskern der christlich-sozialen Politik. Zum einen humanitäre Verantwortung, das heißt, jeder Bürger und jede Bürgerin ist ja besorgt über die weltweiten Krisenregionen und Kriege, die wir in 2014 erlebt haben. Und deswegen wird Gerd Müller als unser Bundesentwicklungsminister natürlich sich mit seinen Konzepten vor Ort einbringen, das heißt, in den Krisen- und Kriegsgebieten, um dort den Menschen zu helfen. Die Bundesrepublik Deutschland hat da eine hohe Verantwortung auch in der Bündnisgestaltung, in der wir uns befinden, aber auf der anderen Seite auch die vielen Ehrenamtlichen, die Behörden, die Wohlfahrtsverbände, die sich um die Flüchtlinge aus diesen Gebieten hier in Deutschland ganz, ganz intensiv kümmern. Und natürlich muss es eine Unterscheidung für die geben, die rechtsstaatlich die Verfahren durchlaufen haben und im Asylverfahren abgelehnt wurden, das heißt zum Beispiel, auch die reinen Wirtschaftsflüchtlinge. Das Asylrecht ist nicht für die Wirtschaftsflüchtlinge gemacht, sondern das ist gemacht für die Vergewaltigten, für die Ausgebombten, für die Verfolgten, für die, die wirklich Hilfe suchen und bei uns auch finden. Und in dieser christlich-sozialen Verantwortung werden wir auch weiter Politik machen. Wir wollen die Entwicklungen, die sich aus Problembereichen ergeben, natürlich uns ganz genau anschauen. Und die, die abgelehnt sind, da hat auch der bayerische Innenminister klar gesagt, die müssen auch schneller als jetzt zurückgeführt werden in ihre Herkunftsstaaten oder ins europäische Ausland, wo sie als erstes Zuflucht gefunden haben und wo das Verfahren einfach gezeigt hat, sie entsprechen nicht dem deutschen Asylrecht.
    Scheuer: In Bayern leben über über 130.000 Asylbewerber, deren Anträge abgelehnt wurden
    Hamberger: Diese schnellere Abschiebung, die Sie ansprechen, die soll ja am allerbesten nach Ihrer Definition innerhalb von sechs Wochen funktionieren. Wie kann es denn funktionieren, das ist doch ein riesiger Aufwand und das ist doch vor allem auch Ländersache?
    Scheuer: Also wir werden auf jeden Fall dafür sorgen, dass die Behörden besser mit Personal ausgestattet sind. Die zuständige Behörde hat jetzt schon vom Deutschen Bundestag eine bessere Personalausstattung bekommen. Wir müssen ja auch dazu sagen, dass wir aus Jahren kommen, wo wir Niedrigstände der Asylbewerber hatten und wir nun – genauso wie alle anderen westlichen Länder, vor allem auch komplett Europa – überrannt wurden von dieser Flüchtlingswelle, auch überrannt wurden von den weltweiten Entwicklungen der Krisen und Kriege, dass wir uns jetzt auch finanziell und personell in den Behörden so aufstellen, dass wir die Verfahren schneller abwickeln können. Das heißt, jeder hat es verdient, der hierher kommt, ein nach rechtsstaatlichen Regeln absolviertes Asylverfahren zu bekommen. Und dann ist ein Ergebnis da, und die, die wirklich in Not sind, die ausgebombt und verfolgt sind, die werden auch in einem christlich geprägten Land wie Deutschland, einer Demokratie, wo alles nach rechtsstaatlichen Verfahren geht, auch Zuflucht finden können.
    Aber die, die allein sagen: 'In Deutschland könnte ich mir eine Zukunft aus wirtschaftlichen Besserstellungen vorstellen', die haben eben keinen Anspruch. Und wenn die abgelehnt sind, dann müssen sie auch wieder Deutschland verlassen. Und dazu müssen die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Und Bayern wird da wiederum Vorreiter sein. Wir haben jetzt schon die höchste Abschiebequote für die, die abgelehnt sind. Aber wir haben über 130.000 Asylbewerber, ehemalige Asylbewerber, die im Verfahren abgelehnt wurden. Und da, muss ich sagen, da müssen die Verfahren auch schneller kommen. Wir werden Erleichterungen machen beim Bleiberecht, wir werden aber auch klare Regeln aufstellen für die, die im Asylverfahren mit schnelleren Verfahren abgewickelt werden und vor allem auch wieder zurückgeschoben und abgeschoben werden.
    Hamberger: Ist denn die Gefahr nicht groß, wenn man das so schnell-schnell macht, dass man dann alle über einen Kamm schert – also die, die es betrifft, das sind ja hauptsächlich Flüchtlinge aus den sogenannten "sicheren Herkunftsländern" beziehungsweise eben die, die in einem anderen europäischen Staat schon sich als Flüchtlinge registriert haben oder Asylbewerber –, dass man da vorschnell jemanden wieder zurückschickt bevor überhaupt entschieden ist, ob er wirklich Flüchtling ist?
    Scheuer: Ja, wir haben ja klare Regeln in Europa. Das eine ist ja das Thema, die Vereinbarungen von Dublin zeigen, wenn ein Asylbewerber in einem anderen EU-Staat registriert wurde und einfach weiterreist, dann beispielsweise nach Deutschland kommt und man im deutschen Asylverfahren draufkommt, dass der hier keine Berechtigung hat, dann wird er im sogenannten Verfahren zurückgeschoben in dieses EU-Land und dann beginnt das Verfahren dort. Und das zweite ist, für die, die aus dem außereuropäischen Ausland kommen und nach Deutschland kommen und hier das Verfahren durchlaufen, die müssen natürlich voll rechtsstaatlich diese Verfahren schneller durchlaufen, durch eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung – die wir jetzt garantiert haben. Und die, die abgelehnt sind, da erwarten die Bürgerinnen und Bürger – und deswegen haben wir auch so viel Diskussion über die Asylpolitik und auch Diskussionen, die nicht gleich jedem gefallen im politischen und medialen Umfeld –, dass die, die rechtsstaatlich abgelehnt sind, auch wieder abgeschoben oder zurückgeschoben werden. Und das muss Politik leisten: die, die abgelehnt sind zurückschieben und abschieben und die, die hier sind und das Asylverfahren durchlaufen haben und auch wirklich aus Kriegs- und Krisenregionen sind, die brauchen die Hilfe vom Staat, aber auch von vielen Ehrenamtlichen. Das wird der Weg sein, und dann werden wir auch politische Diskussionen einschränken, die in eine falsche Richtung gehen und die geprägt sind von Ressentiments und von Vorurteilen.
    Hamberger: Aber glauben Sie denn, dass diejenigen, die Vorurteile oder Ressentiments haben, überhaupt unterscheiden zwischen – so wie Sie das jetzt machen – einem Flüchtling, der eben aus einem sicheren Herkunftsland kommt und einem der vielleicht aus Syrien oder dem Irak kommt?
    Scheuer: Es ist Aufgabe der Politik und der Medien, das besser zu kommunizieren. Wir haben Unterschiede bei den Flüchtlingen, bei den Asylbewerbern, wir haben Unterschiede bei den EU-Bürgern, die nach Deutschland kommen, zwischen Leistung, Leistungswillen, Integrationswillen, dem Willen, die Hausordnung, die Regeln hier zu akzeptieren, dem Willen, Sprache zu erlernen, da haben wir massive Unterschiede. Und der überwiegende Teil, der überwiegende Teil derer, die zu uns kommen, wollen etwas leisten, wollen sich integrieren, wollen Sprache erlernen, wollen ihren Beitrag für unsere Gesellschaft und für unsere Wirtschaft leisten. Und der Teil, der dies nicht will und Deutschland als ein gelobtes Land empfindet, wo soziale Sicherungssysteme ihm und seiner Familie auch allein eine gewisse gute Basis bieten, aber nicht mehr und nicht weniger, die haben hier auch mit Konsequenzen zu rechnen.
    "Müssen als CSU aufzeigen, dass wir politische Antworten geben"
    Hamberger: Aber das ist doch genau das, was man im letzten Jahr eigentlich immer so oft gehört hat, dass es viele Flüchtlinge gibt, die sich hier nur in die – wie die CSU sagt – "soziale Hängematte hängen" oder "legen" in dem Fall, dass es eben viele Wirtschaftsflüchtlinge gibt. Da kommt doch eher das Gefühl auf, dass es eben hauptsächlich diese Flüchtlinge sind, die nach Deutschland kommen. Hat die Politik da nicht einfach einen Fehler gemacht auch im letzten Jahr?
    Scheuer: Nahezu die Hälfte der Asylverfahren werden abgelehnt. Also hat die Politik und der Staat einiges zu tun, nach diesen rechtsstaatlichen Verfahren auch Konsequenzen zu ziehen, also zügiger zurückzuschieben oder abzuschieben. Und das erwarten auch die Bürgerinnen und Bürger. Und ob der Staat da zu lange zugesehen hat: Die Flüchtlingswelle hat uns alle überrannt, nicht nur die Politik, sondern auch die vielen, die vor Ort aktiv sind, die vor Ort sich einbringen. Wenn an einem Sonntag auf einmal 800 Leute in einem Zug aus Italien – durch Österreich durch unkontrolliert im Übrigen – am Hauptbahnhof in München stehen, dann ist – und so ehrlich muss man sein – auch jeder mal überfordert, Behörden, Verbände, die, die sich wirklich auch einbringen. Und deswegen müssen wir jetzt auch in 2015, wo die Flüchtlingswelle definitiv nicht abbrechen und abreißen wird … also wenn Politik seriös sein will, dann muss man jetzt schon am Beginn des Jahres 2015 sehr klar den Bürgerinnen und Bürgern sagen: Die Flüchtlingswelle wird auch 2015 unvermindert nach Deutschland schwappen. Und wir werden diese Zahlen, die wir 2014 hatten, annähernd auch bekommen oder sogar ein bisschen mehr. Und deswegen müssen wir dieses Problem angehen und vor allem besser managen, politisch, aber auch von der Kommunikation.
    Hamberger: Aber das klingt dann trotzdem noch so, als wären Flüchtlinge eben grundsätzlich stigmatisiert als Problem und weniger als diejenigen, die gar nicht anders können und wirklich hierher müssen?
    Scheuer: Ja, deswegen hat man ja das Asylverfahren. Deswegen prüft man ja das nach rechtsstaatlichen Verfahren ab. Und keiner wird einem syrischen Kriegsflüchtling vorhalten, dass er nach Europa flüchtet, der will natürlich seine Familie in Sicherheit bringen. Und deswegen sage ich ja: Der Zweiklang ist es. Zum einen die humanitäre Verantwortung, die wir haben – und der werden wir auch 2015 ohne Abstriche nachkommen –, aber die, die es nicht verdient haben, nach einem abgelehnten Asylverfahren hier zu sein, die müssen aber auch mit der Konsequenz des Staates rechnen.
    Anhänger des "Pegida"-Bündnisses demonstrieren vor der Dresdner Oper.
    Anhänger des "Pegida"-Bündnisses demonstrieren vor der Dresdner Oper. (dpa / Kay Nietfeld)
    Hamberger: Diese Ängste, die Sie jetzt schon öfter angesprochen haben beziehungsweise das, was die Bevölkerung erwartet und auch solche Ressentiments und Vorurteile waren ja in letzter Zeit ein großes Thema, auch mit PEGIDA-Demonstrationen. Es gibt eine Umfrage, dass 29 Prozent der Deutschen die PEGIDA-Demonstrationen unterstützen – das ist ja schon eigentlich eine große Zahl. Jetzt haben Sie in Ihrem Papier zur Flüchtlings- und Asylpolitik geschrieben, es gebe Befürchtungen und Ängste in der Bevölkerung, die man ernst nehmen müsse, diffusen Sorgen stelle man konkrete Fakten entgegen und die CSU akzeptiere keine Hetze und Verleumdung, sondern setze auf Aufklärung und Information. Das klingt nach sehr, sehr direkter Reaktion auf die ganze PEGIDA-Bewegung?
    Scheuer: Man muss ja bei PEGIDA unterscheiden. Wir machen eine klare Trennung zwischen den teilweise zwielichtigen Organisatoren, den rechtsextremen oder rechtsradikalen Dumpfbacken und Hooligans, die im Organisatorenumfeld sich tummeln oder da mitmarschieren zu den auf der anderen Seite normalen Bürgern, die ihre Sorgen ausdrücken. Und Demokratie lebt vom Dialog. Wer jetzt Demonstrationen angreift, dem sage ich: Nur Diktatoren haben Angst vor Demonstrationen. Das heißt, wir haben in einer Demokratie auch Rechte, Freiheiten. Jeden Tag wird für irgendetwas demonstriert, und von daher müssen wir die Sorgen und Nöte ernst nehmen. So wie wir jeden Verband, der aufruft zu "Mehr Klimaschutz", bis hin zur "Massentierhaltung", bis hin zu "Für gesunde Lebensmittel", nehmen wir auch diese tausenden Normalbürger ernst, die auf die Straße gehen und ihre Sorgen und Ängste ausdrücken. Und da wird sich die CSU auch darum annehmen, und da muss die Politik Antworten finden. Ich halte nichts davon, pauschal die Menschen, die da mitmarschieren, zu verurteilen, sondern wir müssen als CSU ganz klar aufzeigen, dass wir politische Antworten geben.
    Hamberger: Aber haben Sie die zu spät aufgezeigt vielleicht sogar?
    Scheuer: Das ist immer eine politik-philosophische Diskussion, ob man zu spät irgendwelche Probleme aufzeigt. Es treibt die Menschen um, dass wir Städte haben, Regionen haben, wo ein nicht unbedeutender Teil von Menschen, die zu uns gekommen sind, nicht integrationswillig sind, die sich nicht einbringen wollen, die sich nicht einbringen wollen für Gesellschaft oder Wirtschaft, sondern vielleicht noch dagegen arbeiten. Das ist ein sehr kleiner Teil einer Gesellschaft, aber trotzdem löst es natürlich Reaktionen aus, die sich beispielsweise in solchen Demonstrationen wiederfinden. Aber ganz klar, die CSU hat immer als die Bürgerbewegung Bayerns klar gemacht, dass sie sich um die Sorgen und Ängste von Bürgerinnen und Bürgern kümmert. Und deswegen, die Demonstrationen in Dresden, die nehmen wir schon sehr ernst, auch wenn sie nicht in Bayern sind, weil die Politik die Aufgabe hat, die Anliegen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger auch in konkrete Politik umzusetzen. Und Demokratie lebt vom Dialog und nicht vom Verurteilen.
    Hamberger: Ist denn dann für Sie die Reaktion der Kanzlerin oder das, was sie jetzt in der Neujahrsansprache gesagt hat, das Richtige, wo sie ja gesagt hat, sie sagt allen, die auf solchen Demonstrationen gehen: 'Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen, denn zu oft sind Vorurteile und sogar Hass in deren Herzen'? Also das klingt ja schon etwas stärker als das, was Sie jetzt sagen?
    Scheuer: Ja, die Bundeskanzlerin unterscheidet auch in ihrer Ansprache sehr klar von den Organisatoren und von denen, die sich von dieser Bewegung motivieren lassen einfach mit zu spazieren in diesen Spaziergängen. Deswegen wird auch die CSU die verurteilen, die als zwielichtige Gestalten oder Rechtsradikale und Rechtsextreme da in diesen Demonstrationen mitgehen. Aber auf der anderen Seite sagen wir an die Adresse der normalen Bürgerinnen und Bürger, die Sorgen und Ängste haben: Wir wollen eure Sorgen und Ängste aufnehmen in konkrete Politik. Und das ist genau die Unterscheidung, die wir auch vornehmen müssen. Die, die schlechte Absichten gegenüber unserer Demokratie haben, die verurteilen wir aufs Schärfste – auch die CSU tut das aufs Schärfste.
    Hamberger: Ist deswegen auch Ihr Papier so gestaltet, wo Sie sagen: 'Schaut euch das an, wir haben eine klare Linie, was unsere Politik betrifft, wir haben auch Lösungen für eben Flüchtlingsströme. Schaut da mal genauer hin'? Ist das auch ein Angebot an diejenigen, die dort mitgehen?
    Scheuer: Also die Vorbereitung auf Wildbad Kreuth und die Klausurtagung der CSU-Landesgruppe ist nicht so gestaltet, dass wir auf andere Parteien oder auf reine situationsbedingte Nachrichtenlage Konzeptpapiere schreiben, sondern der Hintergrund von Wildbad-Kreuth ist, die Agenda für 2015 und darüber hinaus festzuschreiben. Wir nehmen uns aktueller Themen an. Wir müssen die ja auch aufnehmen. Wir machen ja keine Klausurtagung in Wildbad Kreuth völlig losgelöst von einer inhaltlichen Lage oder eines Koalitionsvertrages, sondern wir machen Politik in Wildbad Kreuth, um 2015 gut gerüstet das umzusetzen, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, nämlich konkrete Konzepte und konkrete Politik.
    "Die CSU ist die einzig verbliebene große Volkspartei"
    CSU-Chef Horst Seehofer in Wildbad Kreuth
    CSU-Chef Horst Seehofer in Wildbad Kreuth (dpa / pa / Gebert)
    Hamberger: Aber die Demonstrationen haben Ihnen schon einmal auch gezeigt, dass es eine Herausforderung für 2015 wird, das Thema Asyl und Flüchtlinge?
    Scheuer: Das haben wir nie bestritten, dass die Asyl- und Flüchtlingsthematik ein Topthema 2015 bleiben wird. Das hat aber nichts mit anderen Parteien oder mit einer PEGIDA-Bewegung zu tun. So wie ich die PEGIDA-Bewegung auch verstehe, konzentriert man sich viel, viel stärker auch auf die Überfremdung einzelner Ballungsräume. Das hat jetzt spontan noch nichts mit Flüchtlings- und Asylthematiken zu tun, sondern das ist die Gesellschaft, die teilweise schon in den Brennpunkten und in den Ballungsräumen vorhanden ist, die über Jahre sich entwickelt hat. Und da haben wir ja auf dem Parteitag im Dezember auch klar ein Papier formuliert, einen Leitantrag formuliert – der im Übrigen einstimmig angenommen ist – zum Thema "Bildung und Integration" für die Gesellschaft, die jetzt in Deutschland da ist und sich entwickeln soll.
    Hamberger: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit dem Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuer. Ich würde gerne mit Ihnen, Herr Scheuer, auch noch einmal auf das Thema "Ausrichtung der CSU" gehen. Sie haben auch jetzt den Parteitag gerade angesprochen, auch da gab es einen Antrag, dass die CSU sich wieder auf ihre konservativen Werte zurückbesinnen soll. Muss sie das denn wirklich tun? Ist die CSU nicht mehr konservativ?
    Scheuer: Die CSU ist die einzig verbliebene große Volkspartei, die Bürgerbewegung Bayerns. Wir haben durch die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger besten Rückhalt. Und wir machen ja nicht nur Politik für mehr Bildung, für mehr Integration, für Asyl- und Flüchtlingsthematik, sondern für Wirtschaft, Arbeit, Investition, Innovation, für das Thema Steuern und Finanzen. Wir haben Leiteranträge auf dem Parteitag verabschiedet, wo zum Schluss ganz klar wird: Die CSU ist nicht nur wertkonservativ, sie ist bürgerlich, sie ist fortschrittlich, sie ist sozial, sie ist dann liberal und ökologisch aufgestellt eine wahre Volkspartei einfach. Und das bilden wir in unserer Politik einfach ab. Und das erwarten die Bürgerinnen und Bürger auch von uns, sonst hätten wir nicht Umfragewerte bei 49 oder 50 Prozent.
    Hamberger: Aber woher kommen dann die Stimmen in Ihrer Partei die sagen: 'Wir bräuchten wieder eine konservativere Ausrichtung', die auch sagen: 'Das müssen wir vielleicht als Antwort auf die AfD geben', weil sich eben 'rechts neben der CSU' – wenn man es nach Strauß nimmt –'keine Partei bilden darf'?
    Scheuer: Der Satz von Strauß hat mit und ohne AfD Bestand. Und wir konzentrieren uns nicht auf andere Parteien, wie die AfD, sondern wir konzentrieren uns auf unsere Politik. Und sehen Sie, bei den Umfragewerten ist die AfD in Bayern unter fünf Prozent. Es gibt keine großen PEGIDA-Demonstrationen, weil wir in Bayern die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger in konkrete Politik aufnehmen. Und Bayern steht als Topregion in Europa da. Wir sind einzigartig – und werden es auch bleiben mit einer starken Stimme der CSU in Berlin.
    Hamberger: Aber wenn Sie Berlin ansprechen, in Bund hat die AfD ja durchaus in den Umfrage im Moment so um die sieben Prozent, da könnte sie doch noch eine Gefahr werden für die Union?
    Scheuer: Die AfD ist aber keine Erscheinung allein der Union oder kein Problem der Union, sondern – das kapieren andere zu wenig, beispielsweise meine Kollegin von der SPD, die meint, es sei nur ein Phänomen der Union – wenn Sie sich die Wählerwanderung in den letzen Landtagswahlen, beispielsweise in Brandenburg anschauen, da hat die AfD am meisten von der Linkspartei profitiert. Und auch die Wählerwanderungen von allen etablierten Parteien zur AfD sind zu verzeichnen – immer regional sehr unterschiedlich. Aber das allein als Phänomen und als Aufgabe der Union zu definieren, ist völlig falsch und an den Haaren herbeigezogen. Im Übrigen wird die AfD als zerstrittener Haufen noch viele eigene Probleme bekommen. Unsere Antwort wird sein: konkrete Politik, wertorientiert, bürgerlich, wertkonservativ, um dann auch mit einem ganz starken wirtschaftspolitischen Profil Bayern und Deutschland ganz oben zu halten.
    Hamberger: Weil Sie die SPD jetzt angesprochen haben, es ist ja jetzt – ich habe das ganz am Anfang gesagt – die Große Koalition ein Jahr zusammen. Langsam sieht es so aus, als würde es ein bisschen knirschen und knacken an so dem einen oder anderen Ende. Ihre Landesgruppenvorsitzende, Gerda Hasselfeldt, sagt immer, es sei eine Zweckehe, es war nie eine Liebesheirat. Sind wir jetzt schon in der Scheidungsphase?
    Scheuer: Die SPD hat einen großen Fehler gemacht. Der Sündenfall in Thüringen mit Rot-Rot-Grün ist schon ein Fingerzeig, wo es bei der nächsten Bundestagswahl Probleme geben wird. Wenn die SPD-Generalsekretärin Fahimi zwischen den Tagen sagt: 'Das Wahlziel der SPD bei der nächsten Bundestagswahl sind 30 Prozent und sie wollen Angela Merkel ablösen', dann ist das jetzt nicht unbedingt ein großer Neuigkeitsfaktor und Neuigkeitswert, aber trotzdem muss jedem klar sein nach Adam Riese, wenn man alles durchrechnet – da braucht man nicht einmal einen Taschenrechner dazu –, sie kann diese zwei Ziele nur erreichen in einem Bündnis von Rot-Rot-Grün, und das heißt eine linke Republik. Und da wird die CSU alles daransetzen, eine linke Republik aus Rot-Rot-Grün zu verhindern. Und Thüringen war kein Einzelfall, sondern dieses Dunkelrot-Grüne Bündnis ist von langer Hand geplant, und deswegen werden wir alles dafür tun, dass wir aus eigener Stärke heraus die Kanzlerschaft von Angela Merkel fortsetzen und dass keiner gegen uns regieren kann, gegen CDU und CSU.
    Hamberger: Mit wem würden Sie das denn fortsetzen?
    Scheuer: Ich mache keine Koalitionsspielchen und keine Koalitionsüberlegungen. Wir befinden uns am Beginn 2015, die Bürgerinnen und Bürger haben es satt, ständig irgendwelche taktischen Spielchen zu haben, sondern wir müssen jetzt konkrete Politik machen, das erwarten die Bürgerinnen und Bürger. Wir haben genug Aufgaben außenpolitisch, diplomatisch, in unseren Bündnissen, in der Welt, in unserer Verantwortung in der Welt, aber vor allem auch in Europa. Es gibt genug Schuldenstaaten in Europa, es gibt Leute, die die Euro-Rettung aufweichen wollen, die Regeln aufweichen wollen. Es gibt genug im Land zu tun, um Wirtschaft und Arbeit zu erhalten und Investitionen zu generieren. Es gibt genug Aufgaben bei Steuern und Finanzen. Es gibt genug Aufgaben bei Bildung und bei unseren Haushaltszahlen. Deswegen wird mir nicht bange, dass 2015 auch da wieder ein sehr spannendes Jahr sein wird.
    Hamberger: Dann schauen wir auf dieses Jahr voraus. Und ich bedanke mich für das Interview, Andreas Scheuer.
    Scheuer: Ich bedanke mich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.