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CSU in Bayern unter Druck
Straßensanierung birgt Zündstoff

Kaum ein Thema bringt Hausbesitzer in Bayern dieser Tage dermaßen in Wallung wie die Sanierung ihrer Wohnstraßen. Denn die Kommunen bitten die Anwohner zur Kasse, wenn sie eine Straße erneuern. Die CSU gerät unter Druck - und erwägt die Abschaffung der entsprechenden Satzung.

Von Tobias Krone | 11.01.2018
    Die Nachbarn Jürgen Köth (v.l.), Silvia Lüftenegger und Meinhard Straße aus Unterhaching
    Sind gegen die "Strabs": Die Nachbarn Jürgen Köth (v.l.), Silvia Lüftenegger und Meinhard Straße aus Unterhaching (Deutschlandradio/ Tobias Krone)
    Es ist meist still im Münchner Vorort Unterhaching. Aber wenn Jürgen Köth vor sein Gartentor tritt, dann trifft er derzeit häufig auf erregte Gemüter, die seine Meinung teilen. Ganz klipp und klar:
    "Das Gesetz ist wirklich ein Schmarrn."
    Es geht dem 72-Jährigen gewissermaßen um das Gesetz der Straße, genauer gesagt um den Asphalt vor seinem Reihenhaus:
    "Die Siedlung ist uralt. Über 60 Jahre. Über 60 Jahre ist an der Straße nichts gemacht worden. Ist nur vergammelt. Und zwar aus dem Hintergrund: Wenn man sie vergammeln lässt, dann muss sie anschließend saniert werden und dann muss sie der Bürger bezahlen. Wenn man sie repariert, dann muss es die Gemeinde bezahlen. Und jetzt sollen wir die Sanierung der Straße, die ungefähr bei einer Million liegt, bezahlen. Und das sehen wir eigentlich gar nicht ein."
    Jürgen Köth ist Teil einer Bürgerinitiative. Einige Nachbarn sind dabei. Auch sie wollen ihren Anteil an einer Straßensanierung nicht zahlen: 80 Prozent der Baukosten müssten sie aufbringen, für Köth wären das etwa 18.000 Euro. Für den Rentner viel Geld:
    "Ich habe noch eine alte Heizung, ich wollte umstellen auf Geothermie, das hier in Unterhaching angeboten wird. Und wenn jetzt die Straße kommt, kann ich das vergessen. Dann muss ich jeden Sonntag in die Kirche gehen und beten, dass meine Heizung noch hält, weil die nächsten 20 Jahre kann ich mir dann keine Geothermie leisten."
    Noch sind keine Bagger da. Und vielleicht hat Jürgen Köth Glück, denn seine Bürgerinitiative ist in Bayern längst nicht mehr allein. An vielen Orten demonstrieren und klagen derzeit Bürger gegen "Strabs": So kürzt man die Straßenausbau-Beitragssatzung ab, die Anwohner seit den 70er-Jahren zur Kasse bittet. Ganz im Sinne des Vorteilsprinzips: Weil Grundstücke mit einer Straßensanierung aufgewertet werden, sollen auch die Eigentümer einen Anteil mitbezahlen. Doch die sagen: Strabs muss weg.
    "Weg heißt, dass die Kosten nicht mehr direkt auf die Anwohner umgelegt werden, die zufälligerweise an dieser Straße wohnen, sondern dass es aus dem allgemeinen Steuertopf bezahlt wird, so wie auch alle anderen Straßensanierungsmaßnahmen bezahlt werden, wenn das eine Kreisstraße, eine Staatsstraße, eine Autobahn ist."
    Gemeinde Otterfing verschont ihre Bürger
    Der selbst ernannte Sprecher der Vorgartenrevolution in Bayern ist derzeit Hubert Aiwanger. Der Chef der Partei Freie Wähler findet die Situation derzeit ungerecht. Doch es ist nicht ganz so einfach. Einige Kommunen Bayerns zahlen schon immer die Sanierung der Straßen ganz aus dem Steuertopf, wie die Gemeinde Otterfing im erweiterten Speckgürtel Münchens. Ihr Bürgermeister ist Jakob Eglseder von der CSU:
    "Das wollen wir unseren Bürgern nicht zumuten. Wir haben die Straßenausbau-Beitragssatzung absichtlich nicht, wir haben noch nie eine gehabt. Wir versuchen das immer über den Haushalt zu regeln: Wir haben gute Einkommenssteuereinnahmen, wir haben gute Grundsteuereinnahmen und wir haben gute Gewerbesteuereinnahmen."
    Der Gemeinde mit ihren knapp 5.000 Einwohnern und einem beeindruckenden Gewerbegebiet geht es sehr gut, Schulden sind fast kein Thema. Doch jetzt will die Gemeinde eine Schule bauen – und müsste einen Kredit aufnehmen. Und davor, so will es die bayerische Gemeindeordnung, müsste auch Otterfing die Strabs einführen.
    "Das ist – ich sag’s einmal ganz vorsichtig – eine sanfte Erpressung, die da auf uns ausgeübt wird."
    In Otterfing würde man gerne der Strabs entgehen. Die CSU reagierte im Herbst mit einem Verbesserungsvorschlag ganz im Sinne Otterfings: Gemeinden sollen wählen dürfen, ob sie Strabs einführen oder nicht.
    "Andere brauchen's - die Umlage. Das wissen wir auch. Franken, Oberpfalz, etc. Das sind strukturschwache Gegenden. Aber für meine Gemeinde jetzt spezifisch wäre eine Kann-Regelung die ideale Lösung."
    Otterfings Bürgermeister Jakob Eglseder (CSU)
    Otterfings Bürgermeister Jakob Eglseder von der CSU will seinen Bürgern die Straßenausbau-Beitragssatzung nicht zumuten (Deutschlandradio/ Tobias Krone)
    Druck auf die CSU aus Franken
    Für den Großraum München wäre diese Kann-Regelung also ein weiterer Wettbewerbsvorteil. Für den Norden Bayerns ein weiterer Wettbewerbsnachteil. Und so empfingen empörte Franken die CSU auf dem Parteitag in Nürnberg mit lauten Sprechchören:
    "Ich bin der Karl Baritsch aus Zirndorf, ich habe schon bezahlt für die Straßenausbausatzung, ich habe 4.300 bezahlt, mein Sohn 7.300. Und trotzdem mach ich hier noch mit. Und wenn die CSU das nächstes Jahr nicht ändert, dann sind sie weg vom Fenster."
    Dass im Wörtchen Strabs so viel Zündstoff steckt, haben die Christsozialen wohl unterschätzt. Der Otterfinger CSU-Bürgermeister Jakob Eglseder:
    "Die Situation für die CSU ist jetzt durch den Freien-Wähler-Populismus schon eine schwierige, ganz klar. Weil das hätte es alles nicht gebraucht, wenn jetzt die Testphase abgewartet worden wäre und man wäre darauf gekommen, diese Regelung passt nicht. Dann schafft man sie wieder ab."
    Eine Testphase war es zwar nicht, aber eine sachliche Evaluation des Strabs-Gesetzes hatte der Landtag für dieses Frühjahr vorgesehen. Nun wird wohl keine Evaluation mehr nötig sein. Auch in CSU-Kreisen denkt man längst über die Abschaffung nach. Der Straßenausbau könnte nach dem Vorbild Baden-Württembergs über den Kommunalen Finanzausgleich finanziert werden. Kommende Woche auf ihrer Klausur in Banz wird die Fraktion darüber diskutieren.
    "Die Führungsspitze der CSU, der Staatsregierung, wird innerhalb der nächsten 14 Tage die Straßenausbau-Beitragssatzung kippen. Da gibt es kein Wenn und Aber. Und wir werden dem zustimmen", sagt Klaus Adelt von der Landtags-SPD. Auch die Genossen haben einmal an Strabs geglaubt. Doch an Bayerns Gartenzäunen führt im Wahlkampfjahr auch für sie kein Weg mehr vorbei.