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CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth
"Man sollte die CSU nicht unterschätzen"

Die CSU sei derzeit extrem erfolgreich, sagte der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter im Deutschlandfunk. Sie habe das Ohr sehr stark am tatsächlichen Befinden der bayerischen Bevölkerung. Außerdem gehe die Taktik auf, dass die CSU den rechten Flügel des Bürgertums bediene, die Schwesterpartei CDU die Mitte.

Jürgen Falter im Gespräch mit Martin Zagatta | 07.01.2015
    Prof. Jürgen Falter, Politikwissenschaftler, Universität Mainz
    Falter: "Man versucht, die AfD zu schwächen" (picture alliance / Erwin Elsner)
    "Die CSU spielt wieder einmal mit der CDU die Karte: harter Konservatismus versus Partei der Mitte." Falter sagte weiter, so versuche die Union, die AfD zu schwächen und Wähler zurückzuholen.
    Er könne auch beim besten Willen in den Vorschlägen der CSU zur Asylpolitik keine Ausländerfeindlichkeit entdecken. Das vor der Klausurtagung in Wildbad Kreuth präsentierte Papier sei "recht differenziert." Falter betonte zudem, man solle die CSU nicht unterschätzen. Sie habe das Ohr stark am tatsächlichen Befinden der bayerischen Bevölkerung. "Es ist die letzte Volkspartei, die es im Augenblick in der Bundesrepublik gibt."
    Die Menschen in Bayern erkannten zudem ziemlich genau, was der propagandistische Zweck der CSU-Politik sei und was die wahre Politik.

    Das vollständige Interview mit Jürgen Falter:
    Martin Zagatta: Bei ihrer Klausur in Wildbad Kreuth wollen jetzt die Christsozialen auf schnellere Asylverfahren drängen. Kritiker werfen den Christsozialen, werfen der CSU vor, auf die böse Ausländerkarte zu setzen. So schreibt es etwa heute das "Neue Deutschland". Selbst die Katholische Kirche äußert Vorbehalte. Die Klausurtagung beginnt in diesen Minuten.
    Unmittelbar vor diesem Gespräch habe ich mit dem Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter sprechen können, um ihn zu fragen, wie die CSU denn in diesen Tagen auf ihn wirkt, ob die jetzt in Kreuth wieder die böse Ausländerkarte spielt oder nicht.
    Jürgen Falter: Ich glaube, die CSU spielt wieder einmal mit der CDU die Karte harte Konservative versus Partei der Mitte. Oder anders ausgedrückt: Die CSU versucht, den rechten Flügel des Bürgertums stärker zu bedienen, die CDU eher die Mitte. Aber ausländerfeindlich oder Ähnliches, das kann ich beim besten Willen nicht in dem Papier entdecken, das als Vorlage in Kreuth dient. Das ist recht differenziert und führt eigentlich hauptsächlich etwas aus, was in den Koalitionsvereinbarungen in der einen oder anderen Form auch schon enthalten ist.
    Union hat "auf der rechten Seite des konservativeren Spektrums eine Lücke hinterlassen"
    Zagatta: Macht dann die CSU damit nicht etwas sogar sehr Vernünftiges, denn der Vorwurf von Ex-Innenminister Friedrich, die Kanzlerin vernachlässige die Mitte und da müsse jemand da sein, der die Leute am rechten Rand auch auffängt, der ist ja dann offenbar nicht so unberechtigt?
    Falter: Nein, der ist nicht unberechtigt. Dadurch, dass die CDU und insgesamt die Union sich stärker in die Mitte begeben hat, wo ja auch die Mehrheiten gewonnen werden, hat sie natürlich auf der rechten Seite des konservativeren Spektrums eine Lücke hinterlassen, und da versucht ja etwa die AfD hineinzustoßen, da stößt auch irgendwie die Pegida hinein, da ist Unzufriedenheit, konservative Katholiken fühlen sich alleine gelassen, nicht mehr wirklich vertreten, und da hat die CSU jetzt ihre eigentliche Aufgabe, glaube ich, wieder wahrgenommen, versucht, sie wahrzunehmen, dass sie mit kräftigen Parolen und deutlichen Aussagen versucht, hier diese Lücke zu schließen, aber gleichzeitig die einzige demokratisch legitimierte Partei zu bleiben rechts der Mitte.
    Zagatta: Kann das denn funktionieren? Dieser Satz stammt ja von Franz-Josef Strauß, dass es rechts von der CSU keine demokratische Partei geben darf oder kann. Was heißt denn das im Umgang mit der AfD?
    Falter: Das heißt eigentlich, dass man versucht, die AfD zu schwächen und zu schwächen, indem man auch einige der Positionen, die im Augenblick von der AfD deutlicher vertreten werden als von der CSU, dann wieder für sich selbst beansprucht, betont und versucht, auf diese Weise die AfD zu spalten, Wähler wieder rüberzuholen, die sich bei den Unions-Parteien im Augenblick nicht vertreten fühlen.
    "Die CSU hat die Bevölkerung auf ihrer Seite"
    Zagatta: Kann das funktionieren, denn auf der einen Seite wendet sich ja das städtische Publikum - das erleben wir ja bei Wahlen selbst in Bayern -, das städtische, eher liberale Publikum ab von der CSU, und Konservative, also Leute, die rechts ausgerichtet sind, die die CSU jetzt offenbar wieder einfangen will, die haben ja mit der AfD in der Tat eine Alternative?
    Falter: Ja, man sollte aber die CSU nicht unterschätzen. Die hat doch das Ohr sehr, sehr stark am tatsächlichen Befinden der bayerischen Bevölkerung. Dafür sprechen ja auch die nahe der absoluten Mehrheit liegenden Meinungsumfrage-Ergebnisse, aber auch das letzte Wahlergebnis. Die CSU weiß ziemlich genau, was sie tut in dieser Hinsicht. Sie hat auf jeden Fall die bayerische Landbevölkerung, die Bevölkerung der Klein- und Mittelstädte sehr stark auf ihrer Seite. Auch in den Großstädten ist sie nicht so schwach, wie es zunächst mal scheinen mag.
    Die Münchner Oberbürgermeisterwahl ist ja nur relativ knapp zugunsten des SPD-Kandidaten ausgegangen. Also man sollte die CSU, glaube ich, nicht unterschätzen. Es ist die letzte Volkspartei, die es im Augenblick in der Bundesrepublik gibt, klassische Volkspartei, noch stark verwurzelt, und ich glaube nicht, dass sie auf diese Weise das städtische Bürgertum völlig aufgibt. In Bayern erkennt man eigentlich relativ gut, was der propagandistische Zweck ist der CSU-Politik und was die wahre Politik ist.
    Zagatta: Dass da jetzt diese Asyldebatte aber wieder eine so wichtige Rolle spielt und selbst die Katholische Kirche Bedenken äußert gegen die Wortwahl und den Kurs der CSU, können sich die Christsozialen aus Ihrer Sicht das so ohne weiteres leisten?
    Falter: Sie lassen es sich auf jeden Fall nicht gefallen. Leisten können Sie es sich meines Erachtens auch nicht, obwohl natürlich der Zugriff der Katholischen Kirche auf ihre Gläubigen im Verlauf der letzten Jahrzehnte doch deutlich schwächer geworden ist und ein Wort wie das von Kardinal Marx, das nun gegen diese CSU-Äußerungen im Blick auf die Asylpolitik gerichtet ist, das hat nicht mehr die Wirkung wie früher. Aber die CSU hat sich auch sofort dagegen gewendet und gesagt, so haben wir das nicht gemeint, so machen wir es ja auch gar nicht, wir haben doch ein ganz ausgewogenes Konzept vorgelegt. Da geht es um Verbesserungen für diejenigen, die bleiben dürfen, und um Verschärfungen für diejenigen, die nicht bleiben dürfen. So macht das die Schweiz, so machen es andere Länder, so geht die Argumentation der CSU weiter. Insofern sind wir doch alles andere als radikal.
    Zagatta: Herr Falter, wenn Sie diese schnelleren Asylverfahren ansprechen, die da von der CSU gefordert werden, wie glaubhaft ist das denn, wenn die Union und zwischendurch ja auch ausgerechnet die CSU schon seit Jahren den Innenminister stellen? Kann man da jetzt mit dieser Asyldebatte noch punkten?
    Falter: Die Asylanträge werden ja zwar bearbeitet von bundespolitisch gesteuerten Ämtern, aber die eigentliche Asylpolitik erfolgt in den Ländern. Das merken Sie beispielsweise jetzt im Ausweiseverbot, dass sie in zwei sozialdemokratisch regierten Ländern haben. Nein: eines sozialdemokratisch regiert, Schleswig-Holstein, das andere von Herrn Ramelow von der Linken in Thüringen. Und auch in Rheinland-Pfalz sieht es nicht viel anders aus. Es steht im Koalitionsvertrag und wird auch jetzt allmählich realisiert übrigens, von der SPD mitgetragen, dass die Maximaldauer der Bearbeitung von Asylanträgen auf drei Monate runtergeschrumpft werden soll, von 7,4 im Durchschnitt im Augenblick. Die CSU legt da noch ein ganz klein bisschen drauf mit sechs Wochen, aber so weit weg ist sie eigentlich nicht von dem, was tatsächlich schon beschlossen ist.
    "Mein Verständnis hält sich in Grenzen"
    Zagatta: Sie haben jetzt sehr viel Verständnis geäußert - so interpretiere ich das jedenfalls, was Sie sagen - für die CSU. Wenn man dann auch noch sieht, dass sie Vorhaben durchgesetzt hat, die umstritten waren, Mütterrente, Betreuungsgeld, sie hat die Maut jetzt durchgesetzt, kann man dann sagen, die CSU ist alles in allem doch eine sehr erfolgreiche Partei?
    Falter: Sie ist extrem erfolgreich. Mein Verständnis hält sich in Grenzen. Ich versuche nur, Verständnis dafür zu wecken, welche Funktion sie innerhalb der Union spielt und warum sie bestimmte Themen rauszieht. In der CSU selber, kann ich Ihnen verraten, bin ich nicht wahnsinnig beliebt.
    Zagatta: Der CSU-Chef und Ministerpräsident hat angekündigt, Horst Seehofer hat jetzt angekündigt - das hat er in der "Welt" jetzt heute bestätigt -, dass er als Ministerpräsident nicht mehr kandidieren will bei der nächsten Wahl, also 2018. Ist für Sie da ein Nachfolger in Sicht, oder was bedeutet das jetzt für die Partei?
    Falter: Von der Stärke in der Partei selber könnte es eigentlich nur Söder werden, der jetzige Finanzminister, der auch mal Junge-Union-Chef war, der Generalsekretär der CSU war, der stark in der Partei verankert ist, in der Regierung, der bayerischen Staatsregierung eine sehr, sehr wichtige Rolle spielt, sein Ministeramt im Übrigen auch durchaus gut ausführt. Er ist ein Profi in fast jeder Hinsicht. Sein Hauptproblem ist eigentlich, dass er über die Medien hinaus nicht sehr wahnsinnig beliebt wirkt. Das könnte ein Manko sein, denn ein Ministerpräsidenten-Kandidat, der soll natürlich auch Stimmen fangen und soll die Wahlergebnisse wiederholen, die Seehofer und anderen vor ihm geglückt sind.
    Zagatta: Sagt der Parteienforscher Jürgen Falter von der Uni Mainz. Herr Falter, ich bedanke mich für das Gespräch.
    Falter: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.