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CSU-Politiker Deß
"Wenn an Glyphosat die Große Koalition scheitert, dann soll sie scheitern"

Der CSU-Europapolitiker und Landwirt Albert Deß hat die deutsche Zustimmung für eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung in der EU verteidigt. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) habe mit seinem Ja sehr klug gehandelt, denn er habe damit die Einführung zusätzlicher Bedingungen erwirkt, sagte Deß im Dlf. Die SPD fühlt sich dagegen hintergangen.

Albert Deß im Gespräch mit Peter Sawicki | 27.11.2017
    EU-Agrarpolitiker Albert Deß (CSU) im Europäischen Parlament.
    EU-Agrarpolitiker Albert Deß (CSU) im Europäischen Parlament. (picture alliance/dpa - Thierry Monasse)
    Peter Sawicki: Unser erster Blick richtet sich aber nach Brüssel. Dort war ein Thema in den letzten Wochen besonders in der Schwebe: Die Frage nach der weiteren Zulassung von Glyphosat innerhalb der EU. Das Pestizid ist umstritten, etwa deswegen, weil unklar ist, ob es zum Beispiel Krebs hervorruft. Kurz vor Ablauf der Frist haben die EU-Mitgliedsstaaten nun die Zulassung für Glyphosat verlängert. Entscheidend dabei war offenbar die Ja-Stimme der Bundesregierung, was zwischen der Union und der SPD für offenen Streit sorgt.
    Darüber wollen wir jetzt weiter sprechen, und zwar mit Albert Deß. Er ist CSU-Politiker, außerdem Landwirt und agrarpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Guten Abend, Herr Deß.
    Albert Deß: Guten Abend!
    Sawicki: Was hat sich Christian Schmidt dabei gedacht?
    Deß: Ich glaube, Christian Schmidt hat sehr klug gehandelt. Glyphosat wäre mit Sicherheit von der Kommission verlängert worden. Die Zulassung wäre verlängert worden. Und Christian Schmidt hat durch die Zustimmung erreicht, dass hier doch noch zusätzliche Bedingungen aufgenommen werden, die sonst nicht drinstehen würden.
    "Biodiversität mit eingefordert"
    Sawicki: Und wie sehen die Bedingungen aus?
    Deß: Ja, dass Biodiversität hier mit eingefordert wird und dass hier Optimierungsmöglichkeiten bei Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe mit aufgenommen werden sollen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man Glyphosat zur Abtötung von erntereifen Pflanzen verbietet, weil dort gehört Glyphosat nicht verwendet.
    Sawicki: Greifen wir den Aspekt von der Biodiversität einmal auf. Wie sieht das konkret aus? Denn nicht zuletzt das Umweltbundesamt hat ja gerade davor gewarnt in Bezug auf Glyphosat, dass die Artenvielfalt durch eine Nutzung davon bedroht wird.
    Deß: Ich möchte jetzt vorausschicken, dass ich auf unserem 42-Hektar-Betrieb die letzten 20 Jahre kein Glyphosat verwendet habe, weil wir noch pflügen. Aber ich habe am Samstag gepflügt unter etwas schwierigen Witterungsverhältnissen. Es wäre zehnmal besser gewesen, ich hätte nicht gepflügt und hätte bis zum Frühjahr gewartet und doch nach 20 Jahren mal Glyphosat eingesetzt. Es wäre für die Biodiversität wesentlich besser gewesen, weil die Zwischenfrüchte im Winter am Acker geblieben wären.
    "Barbara Hendricks ist von der Realität weit weg"
    Sawicki: Das sieht aber auch die SPD offensichtlich anders. Barbara Hendricks hat sich ja, vorsichtig formuliert, auf den Schlips getreten gefühlt und das Ganze ist offenbar gegen ihren Willen passiert, dieses Ja zur Verlängerung von Glyphosat. War das sinnvoll, war das verantwortungsvoll, wie Christian Schmidt gehandelt hat?
    Deß: Auf jeden Fall halte ich das für verantwortungsvoll. Ich halte für unverantwortlich, wie sich Barbara Hendricks verhält. Ich kenne sie aus meiner früheren Zeit im Deutschen Bundestag und ich kann nur den Kopf schütteln, wie weit sie von der Realität hier weg ist, von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie springt hier auf irgendein Thema mit auf, wo man glaubt, in der Öffentlichkeit punkten zu können, und das halte ich für unverantwortlich.
    Sawicki: Was meinen Sie da konkret? Inwieweit ist sie von der Realität entfernt?
    Deß: Ja! Wenn eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen ergeben, dass Glyphosat unbedenklich ist, und dann eine einzige Studie sagt, es könnte Krebs erregend sein, auf das kann man sich dann nicht berufen.
    Sawicki: Warum nicht? Immerhin ist das eine Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation. Ist das unseriös, was die vorgelegt haben?
    Deß: Ich halte es für unseriös und es ist auch inzwischen schon durchgesickert, dass dort nicht sauber gearbeitet wurde. Und es kann nicht sein, dass eine Organisation hier nur zu Rate gezogen wird und 10, 20 andere Organisationen außen vor gelassen werden. Das finde ich für unseriös und unverantwortlich.
    "Thema Glyphosat wurde von NGOs hochgespielt"
    Sawicki: Trotzdem hat sich Deutschland ja bisher wegen dieser unterschiedlichen Auffassungen enthalten bei derartigen Abstimmungen. Jetzt kommt das Ja von Christian Schmidt und die Große Koalition ist ja auf der Tagesordnung. Das Ziel ist ja gegeben, ausgegeben von der Union. Ist das jetzt dadurch in Gefahr?
    Deß: Glaube ich nicht. Wenn an Glyphosat die Große Koalition scheitert, dann soll sie scheitern, weil dann ist sie nicht in der Lage, für Deutschland anständige Politik zu machen. Es ist ein nebensächliches Thema, das von NGOs hochgespielt worden ist, damit sie wieder kräftig Spenden sammeln können.
    Sawicki: Es gibt ja auch noch andere kritische Stimmen in Bezug jetzt auf diese Entscheidung. Der Grüne Martin Häusling beklagt, dass es keine erkennbare Einschränkung jetzt auch beim Kauf und bei der Benutzung von Glyphosat allgemein gibt. Was sagen Sie dazu?
    Deß: Ich weiß nicht. Ich habe den Verdacht, den ich nicht erhärten kann. Mich wundert es, dass es seit 40 Jahren Glyphosat gibt und 39 Jahre lang keine Diskussion auch vonseiten der Wissenschaft. Da stimmt doch was nicht. Die Diskussion hat genau begonnen, wo für Monsanto das Patent ausgelaufen ist. Vielleicht hat Monsanto überhaupt nicht mehr ein Interesse, dass dieses Produkt noch am Markt ist. Vielleicht ist schon ein teures Nachfolgeprodukt in der Pipeline.
    "Diskussion an allen wissenschaftlichen Erkenntnisen vorbei"
    Sawicki: Das kann man jetzt nicht weiter erhärten. Aber jetzt ist die Diskussion zu Glyphosat eben da. Wie soll man damit jetzt weiter verfahren? Für fünf Jahre ist das jetzt verlängert worden. Ist das eine sinnvolle Frist aus Ihrer Sicht?
    Deß: Ursprünglich gab es die Meinung von der Kommission, 15 Jahre zu verlängern. Wir haben dann im Europaparlament eine Entscheidung gehabt und da sind nur wenige Agrarpolitiker drin, wo mit großer Mehrheit damals für sieben Jahre gestimmt worden ist. Selbst bei der letzten Entscheidung ist wieder für fünf Jahre gestimmt worden, zwar mit der Regelung darin, dass es dann auslaufen soll, aber ein solcher Beschluss ist im Rat nicht möglich. Wie kann ich verantworten zu sagen, fünf Jahre darf ich es noch einsetzen, unbedenklich, aber dann ist es nach fünf Jahren bedenklich. Man kann die fünf Jahre jetzt nutzen, und da bitte ich auch alle darum, die Diskussion wieder sachlich zu führen, die Wissenschaftler hier einzuschalten und dann zu entscheiden, ob es länger als fünf Jahre möglich ist, oder falls sich herausstellt, dass es doch gefährlicher ist als man meint, dass man es dann auch verbietet. Da bin ich offen. Aber die Diskussion, die hier geführt worden ist, ist an allen wissenschaftlichen Erkenntnissen vorbei geführt worden und man hat sich auf einen einzigen Gutachter verlassen.
    Sawicki: Wer sollte letztendlich darüber befinden, ob Glyphosat gefährlich ist oder nicht?
    Deß: Zum Beispiel das Deutsche Institut für Risikobewertung, das von der Renate Künast eingerichtet worden ist. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die US-amerikanische Umweltbehörde, die kanadische Bewertungsbehörde, die australische, die japanische, die neuseeländische. Auf der ganzen Welt haben wir Behörden, denen man nicht unterstellen kann, dass sie von Monsanto hier finanziert werden. Das halte ich für eine bösartige Unterstellung. Im Übrigen: Der Gutachter Christopher Portier, der bei der Anhörung hier in Brüssel war, soll angeblich 160.000 Dollar von US-Anwälten erhalten haben, damit der Herr Statistikprofessor hier ein Gutachten gibt.
    "Ich versuche weiterhin ohne Glyphosat auszukommen"
    Sawicki: Was sind aus Ihrer Sicht sinnvolle Alternativen zu Glyphosat für die Zukunft?
    !Deß:!! Die Alternative ist in meinem Betrieb der Pflug. Ob das umweltfreundlich ist, das sei dahingestellt. Die Umweltverbände fordern auf der einen Seite, dass wir weniger CO2 ausstoßen. Ich brauche aber mit dem Pflug mindestens den doppelten CO2-Ausstoß, als wenn ein Landwirt Glyphosat einsetzt. Hier sind auch die Umweltpolitiker sehr widersprüchlich. Das passt alles nicht zusammen. Ich versuche, weiterhin ohne Glyphosat auszukommen, aber mit der Folge, dass ich hier weiter starke Bodenbearbeitung machen muss, damit der Unkrautdruck auf meinen Feldern nicht zu groß wird.
    Sawicki: Würden Sie bevorzugen, dass andere Mittel, vielleicht weniger bedenkliche chemische Mittel, die eine andere Konsistenz haben, erforscht werden und eingesetzt werden in der Zukunft?
    Deß: Ich habe 1961 begonnen, den Beruf Landwirt zu lernen. Wir hatten hoch giftige Pflanzenschutzmittel. Da war der Totenkopf drauf. Die Pflanzenschutzmittel gibt es Gott sei Dank alle nicht mehr. Eines der harmlosesten Pflanzenschutzmittel, was ich als Praktiker hier so bewerte, das will man verbieten. Das passt nicht zusammen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.