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CTM-Festival 2014
Absolute künstlerische Freiheit

Das CTM-Festival in Berlin gehört zu den größten Festivals für experimentelle elektronische Musik - nur das weiß kaum einer. Das Festival findet fast zeitgleich mit der Transmediale statt, die alles andere überstrahlt. In diesem Jahr steht das CTM unter dem Motto "DisContinuity".

Von Oliver Kranz | 24.01.2014
    Synthesizerklänge wie aus einer anderen Zeit. Der britische Technostar James Holden greift gern auf die Sounds vergangener Epochen zurück. Und er liegt voll im Trend. Die grenzenlose Verfügbarkeit von Musik durch das Internet hat dazu geführt, dass immer mehr Musiker Alt und Neu mischen.
    "Im Endeffekt bedeutet das den Zustand der absoluten künstlerischen Freiheit …Für jeden Künstler ist ein Sample, auch noch so obskur, eine Google-Suche entfernt. Entsprechend multiplizieren sich künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten ins Unendliche. Das ist gerade für ein Festival herausfordernd, weil man einen roten Faden bilden möchte, aber auch das Publikum nicht überfordern möchte mit zu viel Verweisen nach links und rechts."
    … sagt der Musik-Kurator des Festivals Michail Stangl. Dabei ist das CTM für seine musikalische Vielschichtigkeit bekannt. Es standen schon immer Klangexperimente neben tanzbarer Clubmusik auf dem Programm. In diesem Jahr soll das Motto "DisContinuity" darauf aufmerksam machen, dass es immer schwieriger wird von einem musikalischen Stil auf die Entstehungszeit zu schließen.
    "Unser Gedanke ist: dadurch dass heute viel mehr Archive zugänglich sind, das Internet selbst ein Riesenarchiv ist, … dass die Anzahl der Pioniere sich multipliziert hat im Lauf der letzten Jahre durch die Tatsache, dass es viele Möglichkeiten solche Dinge zu betrachten gibt."
    Archive beflügeln künstlerische Kreativität. Doch auch der Live-Faktor ist nicht zu unterschätzen. James Holden, den man bisher vor allem als DJ und Laptop-Musiker kannte, kommt mit einer Band nach Berlin…
    "Das ist ein Künstler, der jetzt mit seinem neuen Album eine andere Richtung genommen hat. Wir freuen uns – es ist seine erste Liveshow in Deutschland - zu sehen, wie das tatsächlich sein wird mit Instrumenten, Schlagzeuger usw."
    Neben Konzerten bietet das CTM-Festival auch eine Ausstellung über russische Avantgarde-Musiker des frühen 20. Jahrhunderts und Programm mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen an. Künstler, die abends auf der Bühne stehen, geben tagsüber Einblicke in ihre Arbeit - der amerikanische Synthesizer-Pionier Charles Cohen zum Beispiel.
    "Seine Leistung ist - er hat mit einem sehr raren Synthesizer gearbeitet, dem Buchlar Synthesizer dass er den als eigenständiges kreatives Werkzeug etabliert hat. Das bedeutet, nicht nur der Synthesizer als Digi-Orgel im Hintergrund, sondern tatsächlich den Fokus darauf gelegt hat, den Synthesizer als organisches, performatives Element einer eigenständigen Kunstform in den Vordergrund zu bringen."
    Nach seinem Konzert beim CTM-Festival wird Charles Cohen in einem Musikgeschäft die Arbeit mit Modularsynthesizern erläutern. Auf diesen Workshop, der nächsten Donnerstag stattfinden wird, freut sich Michail Stangl schon jetzt.
    "Das muss man einfach erlebt haben, wenn jemand wie er an einer Maschine mit vielen Knöpfen… was da für ein Vierkanalsound rauskommt. Das ist Augen und Ohren öffnend."
    Und so wird das CTM-Festival wahrscheinlich auch in diesem Jahr seinem Namen alle Ehre machen. "Festival for adventurous music" - heißt es im Untertitel - ein Festival, das Abenteuer und Experimentierfreude verspricht…