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"Da gibt es noch eine ganze Menge Spielraum"

Der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Eckart von Klaeden, hat dafür plädiert, den Sanktionskurs gegen das Atomprogramm Teherans fortzusetzen. Bei der iranischen Bevölkerung wachse in dieser Frage inzwischen die Kritik an der eigenen Führung, sagte von Klaeden. Daher müsse diese Strategie konsequent fortgesetzt werden.

Eckart von Klaeden im Gespräch mit Christoph Heinemann | 26.09.2008
    Christoph Heinemann: Schwer zu beurteilen, was in den amerikanisch-russischen Beziehungen gegenwärtig überwiegt, Verantwortungsgefühl oder Trotzreaktionen. Aus New York wird gemeldet, die USA und Russland wollten ungeachtet der jüngsten Spannungen die gemeinsamen Beratungen über den Umgang mit dem iranischen Atomprogramm nicht aufgeben. US-Außenministerin Rice und ihr russischer Kollege Lawrow stimmten darin überein, dass die ministeriellen Gespräche über das iranische Atomprogramm fortgesetzt werden sollten. Zuvor hatte Russland ein für den gestrigen Donnerstag geplantes Treffen der fünf Vetomächte und Deutschlands kurzfristig abgesagt. Die Außenminister der sechs Staaten wollten über den Atomstreit mit dem Iran beraten. Vor dieser Absage hatten die USA ein Außenministertreffen der sieben führenden Industrienationen und Russlands, der G8 platzen lassen. Begründung: Russlands Vorgehen im Kaukasus. Solche Zusammenkünfte wären leicht zu planen gewesen. Die Damen und Herren halten sich gerade alle in New York auf, anlässlich der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird dort heute eine Rede halten. - Am Telefon ist Eckart von Klaeden, der außenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Guten Morgen!

    Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr von Klaeden, was überwiegt also im Moment in den Beziehungen, Trotzreaktionen oder doch ein Verantwortungsgefühl?

    von Klaeden: Die russische Reaktion jedenfalls würde ich unter Trotzreaktion verbuchen wollen, wobei die jüngsten Äußerungen, die Sie ja gerade auch zitiert haben, zeigen, dass Russland sein strategisches Ziel, einen nuklear bewaffneten Iran zu verhindern, nicht aus den Augen verloren hat. Russland hat, glaube ich, ein Interesse daran, seine Schaukelpolitik in der Iran-Frage fortzusetzen. Und was die USA angeht, so ist die Reaktion doch außerordentlich moderat gewesen, wenn man sich einmal überlegt, was die G8 sein soll, nämlich eine Konferenz, ein Gremium der acht stärksten Marktwirtschaften, die zugleich Demokratien und Rechtsstaaten sind. Und es steht, glaube ich, außer Frage, dass Russland weder die wirtschaftlichen, noch die politischen Voraussetzungen erfüllt. Und wir müssen auch mit einbeziehen, was Russland nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf Südgeorgien, nach der völkerrechtswidrigen Anerkennung von Südossetien und Abchasien in den letzten Tagen zu einer weiteren Eskalation in Georgien beigetragen hat. Es verhindert nach wie vor OSZE-Beobachter und humanitäre Hilfe für die südossetischen Gebiete. Es gibt einen schleppenden Abzug der russischen Truppen aus der Pufferzone. Und besonders bemerkenswert sind ja die Freundschaftsverträge, die sogenannten Freundschaftsverträge, die Russland mit Südossetien und Abchasien abgeschlossen hat, die de facto auf eine Annexion hinauslaufen und die ja kaum noch Beachtung gefunden haben bei uns.

    Heinemann: Gleichwohl noch mal die Eingangsfrage. Wenn die USA ein Treffen absagen, ist das Politik; wenn die Russen das tun, ist das eine Trotzreaktion?

    von Klaeden: Man muss immer die Lage analysieren, auf der die Entscheidungen beruhen. Deswegen finde ich wie gesagt angesichts des russischen Verhaltens - man darf ja Ursache und Wirkung nicht miteinander verwechseln und die Ursache ist das russische Verhalten in Georgien, wie gesagt eine weitere dritte Stufe in dem völkerrechtswidrigen Verhalten Russlands. Dass Südossetien und Abchasien jetzt von den russischen Botschaftern vertreten werden und jeweils 3800 russische Soldaten in beiden georgischen Landesteilen auf Dauer stationiert werden sollen, dass man die Infrastruktur miteinander verbindet, läuft doch auf eine Annexion der Landesteile hinaus und geht deutlich über das hinaus, was man Anerkennung nennt - und auch die ist schon völkerrechtswidrig gewesen.

    Heinemann: Was verstehen Sie unter Schaukelpolitik? Den Begriff hatten Sie eben benutzt.

    von Klaeden: Ich meine, dass Russland gegenüber dem Iran eine Schaukelpolitik betreibt, weil es ein strategisches Teil mit uns teilt, nämlich die nukleare Bewaffnung des Iran zu verhindern, aber andere strategische Ziele verfolgt, die nicht mit unseren übereinstimmen. Dazu gehört die Verringerung des amerikanischen Einflusses und die Waffenlieferungen an Syrien und Iran. Wenn Sie zum Beispiel sich daran erinnern: Als der Iran 15 britische Seeleute vor gut einem Jahr entführt hatte, war es der russische UN-Botschafter Tschurkin, der die Forderung des Sicherheitsrates nach einer sofortigen Freilassung der Seeleute verhindert hatte. Und schließlich gibt es ja seit Jahren Initiativen Russlands, mit dem Iran zusammen eine so genannte Gas-OPEC zu gründen, also ein Gas-Kartell, um die Preise diktieren zu können. Russland hat die größten, Iran die zweitgrößten Gasvorkommen. Da liegt es aus russischer Sicht nahe, diese Kooperation anzustreben. Deswegen will man einerseits natürlich einen nuklear bewaffneten Iran verhindern, andererseits aber die Beziehungen zum Iran nicht zu sehr beeinträchtigen. Daraus ergibt sich diese Schaukelpolitik.

    Heinemann: Und eine Sorge besteht, dass zwei andere Konflikte noch miteinander verbunden werden könnten. Konstantin Kosatschov, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der russischen Duma, meint, Russland werde kein Entgegenkommen im Kaukasus-Konflikt als Bedingung für eine Mitarbeit im Atomstreit mit dem Iran stellen. Kosatschov äußerte sich kürzlich hier in dieser Sendung.

    "Definitiv nicht. Diese beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun, und wir werden jetzt nicht feilschen. Unsere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten in der Frage des Iran ist auch in der Zukunft absolut möglich. Die einzige Bedingung für alle in diesem Prozess Beteiligten lautet, dass wir uns alle an das internationale Recht halten. Solange nicht bestätigt ist, dass der Iran dagegen verstößt, sollte jede Perspektive der Anwendung militärischer Gewalt ausgeschlossen werden."

    Konstantin Kosatschov, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der russischen Duma, im Deutschlandfunk. - Herr von Klaeden, wie bewerten Sie das? Werden die Russen ein Junktim herstellen zwischen Südossetien und dem Iran? Taktisch gesehen wären sie ja fast dumm, wenn sie es nicht täten.

    von Klaeden: Ich sehe es umgekehrt. Ich glaube, dass die Schaukelpolitik, die ich gerade beschrieben habe, im russischen Interesse ist. Dazu gehört eben auch - sonst wäre es eben keine Schaukel -, dass man gleichzeitig sich weiter bemüht oder jedenfalls sich daran beteiligt, eine nukleare Bewaffnung des Iran zu verhindern. Der Kollege Kosatschov hat ja gesagt, Iran verletze internationales Recht nicht. Das ist definitiv falsch. Die Nichtkooperation mit der IAEO, das geheime Starten des Nuklearprogramms und schließlich die fortgesetzten Verstöße gegen die UN-Resolutionen, die ja mit russischer Zustimmung verabschiedet worden sind, sind Verstöße gegen das internationale Recht. Und ob keine Beweise für nukleare Bestrebungen des Iran vorliegen, das kann man wirklich so und so sehen. Der Iran betreibt ja nach eigenen Angaben ein nukleares Treibstoffprogramm, obwohl er nicht ein Kraftwerk in Planung hat, in dem dieser Treibstoff überhaupt eingesetzt werden kann. Das wäre so, als wenn jemand einen Führerschein macht, er dem ADAC beitritt, eine Garage baut und ein Auto bestellt und man dennoch behauptet, das sei kein Beweis, dass er vor hat, Auto zu fahren. Da ist die russische Argumentation angesichts des iranischen Gefechtskopfprogramms, des Raketenprogramms und der Nutzlosigkeit des Anreicherungsprogramms, denn die Brennstäbe für Bushehr werden ja von Russland geliefert - das ist ja ein von uns auch befürwortetes Abkommen Russlands mit dem Iran -, da sind die russischen Einlassungen wirklich nicht sehr überzeugend.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Wir sprechen mit Eckart von Klaeden, dem außenpolitischen Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. - Herr von Klaeden, der ehemalige US-Außenminister Lawrence Eagleburger wurde kürzlich mit der Meinung zitiert, und zwar in der italienischen Tageszeitung "La Repubblica", vor einer möglichen Amtseinführung des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama würde Israel eine militärische Aktion gegen den Iran starten, um die iranische Nuklearinstallation zu zerstören, da für Israel von einer demokratischen US-Regierung keine Garantien ausgingen. Halten Sie einen Militärschlag gegen den Iran im November oder Dezember für wahrscheinlich?

    von Klaeden: Ich halte ihn nicht für wahrscheinlich, aber wenn wir einen Militärschlag gegen den Iran ausschließen wollen, denn der Iran hat ja Israel fortwährend bedroht und bedroht es nach wie vor, wenn wir jetzt mal an die Rede von Ahmadinedschad vor wenigen Tagen vor der UN-Vollversammlung denken, die auch von Bundesaußenminister Steinmeier zurecht als stark antisemitisch bezeichnet worden ist, dann muss man Verständnis dafür haben, dass in Israel die Sorgen wachsen. Wir haben ja gerade über das Nuklearprogramm des Iran und seine Komponenten schon gesprochen. Deswegen müssen wir die Frage, die McCain ja einmal gestellt hat - was ist die größere Katastrophe: einen nuklear bewaffneten Iran hinzunehmen oder das durch einen Militärschlag zu versuchen zu verhindern -, diese Frage müssen wir dadurch vermeiden, dass wir entschlossen die Doppelstrategie gegenüber dem Iran fortsetzen, nämlich einerseits Angebote zu machen, aber andererseits eben auch zu verstärkten Sanktionen bereit zu sein. Da gibt es noch eine ganze Menge Spielraum. Der Iran hat den Windschatten der Georgien-Krise genutzt, um seine Kooperation mit der IAEO, mit der Internationalen Atomenergiebehörde weiter zu reduzieren. Deswegen ist es wichtig, dass wir zu weiteren und schärferen Sanktionen gegenüber dem Iran bereit sind. Die Sanktionen zeigen erste Erfolge. Der frühere Chefunterhändler Larijani hat im iranischen Parlamentswahlkampf mit Fotos, mit Plakaten geworben, die ihn mit Solana, dem europäischen Chefunterhändler, zeigten, und das hat dazu geführt, dass er ein exzellentes Wahlergebnis bekommen hat. Das heißt, auch in der iranischen Bevölkerung wächst die Kritik an der Führung von Ahmadinedschad. Wir müssen entschlossen diese Strategie fortsetzen, damit gerade die Frage, die Eagleburger aufgeworfen hat, sich nicht stellt.