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"Da hat eine Entzauberung stattgefunden"

Der sportlich adrette "Meister des geschliffenen Wortes" wirke bei seiner Abrechnung in Buchform "sehr verbissen, sehr rechthaberisch, sehr selbstgerecht", urteilt Ex-Regierungssprecher Thomas Steg über Theodor zu Guttenbergs Buch "Vorerst gescheitert".

Thomas Steg im Gespräch mit Friedbert Meurer | 29.11.2011
    Friedbert Meurer: Nur vorerst gescheitert sieht sich Karl-Theodor zu Guttenberg, wenn man den Titel seines Buches nimmt. Dieses Buch erscheint heute im Handel und hat schon im Vorfeld hohe Wellen geschlagen. Viele lesen nämlich den Vorabdruck als Ankündigung eines politischen Comebacks – ein Comeback, das das lange gefeierte politische Wunderkind Karl-Theodor zu Guttenberg aber eher nicht in seiner alten Partei sieht. In der CSU hätten sich "viele Spinnweben gebildet. Zu glauben, noch eine Volkspartei zu sein, das sei eine Verhöhnung früherer Träume." Entsprechend geharnischt fallen die Reaktionen innerhalb der CSU auch aus.

    Alois Glück: "In der Tat war die Partei schon sehr, sehr solidarisch mit ihm, und insofern, denke ich, sollte das auch der Karl-Theodor nicht vergessen."

    Günther Beckstein: " Schuldbekenntnis ist die Voraussetzung der Vergebung, habe ich in der Synode bei uns immer wieder gehört, und so extrem entschuldigend hat er sich bisher ja auch nicht geäußert, was aus meiner Sicht schon zunächst mal naheliegt.""

    Erwin Huber: "Es gibt überhaupt keine Berechtigung, zu kokettieren mit der Gründung einer eigenen Partei. Ich halte das nicht für kameradschaftlich, nicht für fair und nicht für solidarisch."

    Meurer: Erwin Huber, Günther Beckstein, Alois Glück, drei ehemalige Größen der CSU. – Mit seinem Interview scheint zu Guttenberg, fast alle Brücken zur CSU abgebrochen zu haben. Vielleicht plant er, wie gerade gehört, eine eigene Partei zu gründen. – Am Telefon begrüße ich Thomas Steg, er war von 2002 bis 2009 stellvertretender Regierungssprecher der Bundesregierung, zunächst von Gerhard Schröder, Rot-Grün, dann von der Großen Koalition. Guten Tag, Herr Steg.

    Thomas Steg: Schönen guten Tag!

    Meurer: Ist das der Karl-Theodor zu Guttenberg, wie Sie ihn im Kabinett zum Schluss kennengelernt haben?

    Steg: Nein, ganz so nicht. Ihm fehlt doch jetzt – das ist erkennbar – ein klein wenig, oder sogar sehr deutlich Format, Leichtigkeit, das, was ihn damals so faszinierend gemacht hat. Er, der der Politik scheinbar Glanz, Würde, was Aristokratisches und was Strahlendes verleihen konnte, wirkt jetzt sehr verbissen, sehr rechthaberisch, sehr selbstgerecht, und insofern ist das ein anderer Karl-Theodor zu Guttenberg, der jetzt versucht, sich wieder ins Spiel zu bringen.

    Meurer: Warum zeugt das für Sie nicht von Leichtigkeit, wenn jemand sagt, die Volksparteien schmieren ab, bilden Spinnweben? Kann man das nicht auch interpretieren als, hier hat jemand aus der Distanz ein Urteil gefällt, was ja durchaus von anderen auch geteilt wird?

    Steg: Ja, wobei man jetzt erst mal sehen muss: Will er mehr seiner eigenen, seiner Partei, der CSU, seiner jetzigen Partei drohen, schaden, sie gar erpressen, weil er auf ein Comeback in der Politik hofft, oder sieht er wirklich Möglichkeiten für sich und für andere, eine neue, eine wahrscheinlich dann ja doch populistische Partei zu gründen? Da muss ich nur sagen, das ist in Deutschland, wenn man bundesweit erfolgreich sein will, gar nicht so leicht. Da muss man harte Arbeit leisten, am Ende muss man in allen Bundesländern Strukturen aufbauen, Landeslisten an den Start bringen. Also wenn man sich in Finnland den Erfolg der Wahren Finnen ansieht, so etwas ist in Deutschland nicht so leicht übertragbar.

    Meurer: Wir kommen gleich noch mal auf eine mögliche Parteiengründung zurück, Herr Steg. Horst Seehofer hat ja gesagt, in seiner Reaktion auf die Vorabveröffentlichung des Buches, da erkennt man die Persönlichkeitsstruktur zu Guttenbergs wieder. Sie sagen, ich erlebe jetzt eine andere Persönlichkeitsstruktur. Was hat denn schon früher dafür gesprochen, dass zu Guttenberg einigen als abgehoben erscheint?

    Steg: Na ja, sagen wir mal, eine völlig neue Person, ein völlig neuer Typus, ein ganz neuer Charakter ist er natürlich nicht. Nur die Wahrnehmung war früher eine andere: Da fiel ihm alles leicht, er war sportlich, adrett, eloquent, ihm ging so alles leicht von der Hand, er war ein Meister des geschliffenen Wortes. Das sieht jetzt alles nach diesem Rücktritt und nach der Plagiatsaffäre doch sehr viel anders aus. Sagen wir mal so: Es waren zu keinem Zeitpunkt die Erfahrungen oder die Leistungen von Karl-Theodor zu Guttenberg, die ihn zum Liebling in den Umfragen gemacht haben, sondern die Erwartungen der Menschen, das sie mit ihm verbunden haben, was sie ihm zugeschrieben haben, die Projektionen spielten eine Rolle, und ich glaube, da hat eine Entzauberung stattgefunden.

    Meurer: Sie glauben nicht, dass er als strahlender Ritter wieder zurückkehren wird?

    Steg: Nein. Alle Umfragen, die jetzt bekannt geworden sind, insbesondere das, was im Internet kursiert, zeigt deutlich, wie skeptisch die Menschen Karl-Theodor zu Guttenberg sehen, und sie haben auch das Gefühl, dass dieser Mann aus dieser Plagiatsaffäre, aus seinen Verstößen gegen das Urheberrecht, aus der Tatsache, dass er eine Ehrenerklärung abgegeben hat, dass diese Arbeit von ihm verfasst ist, und so weiter, immer noch nicht mit klaren Worten die Konsequenzen gezogen hat. Er sagt ja, es ist meine chaotische Arbeitsweise, aber nicht mehr. Es fehlt sozusagen immer noch die förmliche Entschuldigung.

    Meurer: Aber war das vielleicht nicht nur das Gefühl eher bei den Akademikern gewesen? Kann zu Guttenberg vielleicht in der breiten Masse doch noch ankommen?

    Steg: Na ja, das ist hoch spekulativ. Ich will gar nicht ausschließen, dass er, wenn er in Kulmbach wieder von der CSU nominiert wird, da ein gutes Ergebnis bekommt. Aber ich glaube, dieser Nimbus, der ihm früher zu eigen war, ist verflogen und er wird diese Vergangenheit nicht los. Er wird immer wieder damit konfrontiert, und deswegen ist er niemand, der wie früher die Hoffnungen der Menschen in seiner Person gebündelt hat, sondern er polarisiert jetzt.

    Meurer: Man wartet ja in Deutschland förmlich darauf, dass da irgendwie doch eine neue Partei kommt. Als Voraussetzung gilt, es muss ein gescheiter Kandidat, Spitzenkandidat sein – das könnte auf zu Guttenberg trotz allem noch zutreffen – und er muss die "Bildzeitung" hinter sich haben – das trifft auch auf ihn zu. Hat er doch eine Chance?

    Steg: Na ja, ich meine, jetzt könnte man natürlich sagen, ...

    Meurer: Und "Die Zeit" hat er auch noch hinter sich!

    Steg: Ja, genau. "Bild" und "Zeit", wann sie schreiten Seit an Seit. Das ist ja auch eine überraschende Wendung in dieser ganzen Geschichte. Ich glaube nur, wir reden sonst gerne viel von der neuen, von der digitalen Welt, was dort passiert. Das sollten wir nicht unterschätzen. Also allein mit "Bild" und "Zeit" werden keine Spitzenpolitiker kreiert und werden auch keine Kanzler gebacken.

    Meurer: Nehmen Sie das der "Zeit" eigentlich übel?

    Steg: Bitte?

    Meurer: Nehmen Sie das der "Zeit" übel?

    Steg: Ach nein. Das gehört ja sicherlich mit zum publizistischen Geschäft, zu gucken, womit man Auflage macht und womit man was Spektakuläres erreichen kann. Aber dass eine so respektable angesehene Zeitung sich für eine solche Comeback-Inszenierung hergibt, ist, glaube ich, überraschend gewesen - für viele, für mich jedenfalls auch.

    Meurer: Di Lorenzo, der Chefredakteur, wird sagen, ich habe ein kritisches Interview geführt.

    Steg: Er hat kritische Fragen gestellt, ohne Frage. Die Wirkung ist nur eine andere, dass "Die Zeit" sich hergegeben hat, um Karl-Theodor zu Guttenberg proaktiv, sagt man, glaube ich, eine Bühne, ein Forum zur Verfügung zu stellen. Aus welchem Grund eigentlich? Wenn es irgendwann eine Situation gegeben hätte, dass man ihn ruft, dass die CSU ihn ruft, dann hätte ich dafür Verständnis gehabt. So wirkt es doch sehr getragen von Überheblichkeit, wo doch Demut vielleicht besser am Platz gewesen wäre.

    Meurer: Thomas Steg war stellvertretender Regierungssprecher von 2002 bis 2009. Mit ihm sprach ich über das Buch "Vorerst gescheitert" von Karl-Theodor zu Guttenberg, das heute in den Buchhandel gekommen ist. Herr Steg, besten Dank und auf Wiederhören.

    Steg: Da nicht für! Tschüß denn!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.