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"Da wird schon nichts schief gehen"

Auf dem niederländischen Luftwaffenstützpunkt Volkel bei Eindhoven lagern 20 Atombomben der US-Armee - das behaupten zumindest Friedensaktivisten. Denn offiziell bestätigt ist der Vorwurf nicht. Und so haben sich die Bürger mit der Bedrohung arrangiert.

Von Kerstin Schweighöfer | 20.04.2010
    Ein einsamer Landstrich rund 30 Kilometer nördlich von Eindhoven. Zwischen ein paar grauen Lagerhallen liegen ein Parkplatz und eine grellbunt angemalte Kindertagesstätte. Gleich daneben, in einem Tiergehege, äsen Lamas und Emus zwischen Baumstämmen. Und weiter hinten im Wald, jenseits der hohen Absperrung, lagern 20 Atombomben – versteckt in Hochsicherheitsbunkern und bewacht von amerikanischen Soldaten.

    José van Leeuwen ist beim Haupteingang des niederländischen Luftwaffenstützpunktes Volkel angekommen. Viermal hat sie hier bereits demonstriert, zum letzten Mal am 3. April. An diesem Tag fanden auch in anderen europäischen Ländern, in denen noch taktische Atomwaffen der Amerikaner lagern, Demonstrationen statt.

    Es sei sehr gemütlich gewesen, mit viel Musik und Clowns, die einen Tunnel unter der Absperrung hindurch gruben. "Aber leider sind nicht mehr als 100 Demonstranten erschienen", erzählt José und begrüßt eine alte Bekannte von der sozialistischen Partei SP, die ebenfalls José heißt: José Louwers.

    Die 62-Jährige wohnt gleich um die Ecke im Nachbarort Uden und kämpft schon seit Jahrzehnten gegen die Lagerung der Atombomben. Dabei kommt sie sich manchmal vor wie ein Rufer in der Wüste:

    "In Belgien haben am dritten April 1000 Menschen demonstriert. Wir hingegen müssen froh sein, wenn es 100 werden! Ich habe hier auch schon Demos mit nur zehn Mann mitgemacht!"

    Jose Louwers weiß auch, warum: Erstens sei der Luftwaffenstützpunkt ein wichtiger Arbeitgeber; auch verdiene der Mittelstand in den umliegenden Gemeinden gut an den Soldaten. Zweitens sind die Atombomben auf Volkel nach wie vor Staatsgeheimnis. Ein offenes Geheimnis zwar, aber eines, das von der Regierung nicht an die große Glocke gehängt wird - auch nicht von Außenminister Maxime Verhagen.

    Dass sich auf Volkel 20 Atombomben befinden, könne er weder bestätigen noch dementieren, betonte Verhagen noch vor kurzem nach der Demonstration vom 3. April im niederländischen Fernsehen. "Angsthase!" schimpft Friedensaktivistin Louwers:

    "Unsere Regierung will die guten Beziehungen zu Amerika nicht aufs Spiel setzen. Sie sieht sich als bester Freund der Amerikaner und will das leider auch bleiben!"

    Folge: Die Bürger in Volkel und Uden lassen sich durch die Atomwaffen in ihrer direkten Nähe nicht aus der Ruhe bringen – falls sie über deren Anwesenheit überhaupt Bescheid wissen:

    "Das ist neu für mich", staunt eine Schülerin. "Ich weiß eigentlich nicht genau, was das sind, Atomwaffen. Aber es erschreckt mich nicht."

    "Mich stört das nicht", meint eine Mutter. "Wenn was passiert, sind wir zumindest sofort tot!"

    "Je näher, desto besser", bestätigt eine andere Frau. "Da wird schon nichts schief gehen. Wir haben gute Kontakte mit den Soldaten auf der Basis. Irgendwo muss das Zeug ja gelagert werden!"

    Inzwischen allerdings ist der Druck auf die niederländische Regierung, endlich Farbe zu bekennen, gewachsen: Schon im vergangenen Oktober hatten die Sozialdemokraten an die Abgeordneten appelliert, die Amerikaner endlich zum Entfernen der Atomwaffen auf Volkel aufzufordern. Aber es reichte nicht für eine Mehrheit. Außenminister Verhagen wies die Forderung als "kontraproduktiv" zurück und warnte vor einseitigen Schritten.

    Von dem neuen Start-II-Abkommen haben die Niederländer zwar gehört - die Initiative ihres christdemokratischen Außenministers Verhagen und seines deutschen Amtskollegen Westerwelle, jetzt auch die taktischen Atomwaffen in Europa abzubauen, hat die niederländische Öffentlichkeit aber nicht so richtig wahrgenommen. Zum Leidwesen der Friedensaktivisten, die diese Initiative nur begrüßen können.

    "Ein erster Schritt konnte dank Obama gemacht werden", freut sich José Louwers, "damit besteht auch die Aussicht auf einen zweiten."