Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Daddeln für den Verkehr

Stadtplanung. Verkehrspolitik ist eines der ganz großen Probleme in Italien, und besonders Rom hat unter dem Verkehrsinfarkt zu leiden. Ausgerechnet ein Computerspiel könnte die Rettung bringen, hoffen italienische Experten.

Von Thomas Migge | 21.04.2008
    Rom, Via Nazionale. Eine schnurgerade Straße mitten in der Altstadt. Mit einem täglich höllischen Verkehr. Das soll sich demnächst ändern. Die Stadtverwaltung plant den Bau einer Straßenbahnlinie. Der Verkehr soll damit deutlich entlastet werden. Ein ähnliches Projekt wurde bereits im Stadtteil Trastevere verwirklicht - doch die verkehrstechnisch positiven Folgen blieben aus: Die Straßenbahn verschlimmerte das Verkehrschaos. Fehlplanungen dieser Art lassen sich relativ einfach verhindern, meint Americo Cicchetti, Professor für Management und Organisation an der privaten römischen Università Cattolica del Sacro Cuore:

    "Das ist bei uns in Italien eine Frage der Kultur, der Erziehung. Unsere Kommunalpolitiker wollen nicht einsehen, dass sie bei so großen und komplexen Metropolen wie Rom bestimmte wichtige Entscheidungen, zum Beispiel im Verkehrswesen, nicht ohne elektronische Hilfen fällen können. Die virtuelle Realität findet in diesem Bereich noch gar keine Anwendung."

    Americo Chicchetti spricht von virtuellen Realitäten, die angehenden Assessoren, Kommunalmanagern und städtischen Experten zur Lösung bestimmter Problemstellungen bei ihrer Arbeit unter die Arme greifen. Der römische Professor stieß durch Zufall auf den konkreten komunalpolitischen Nutzen von handelsüblichen Videospielen - wie den bei informierten Kids und Spielefreunden wohlbekannten "Second-life-games". Ausgehend von diesen Videospielen entwickelte Cicchetti das "Sim-City-Project":

    "Das ist ein Projekt, bei dem wir auf ganz neue Weise zu Lösungsprozessen im kommunalen Bereich kommen. Ich habe das hier an der Hochschule mit meinen Studenten ausprobiert und es funktioniert nahezu perfekt. Sie müssen sich das wie bei den Piloten mit ihren Flugsimulatoren vorstellen."

    Cicchetti entdeckte, dass "Second life" Spiele bis zu fünf virtuelle Stadtrealitäten enthalten, die von Freizeit-Usern in der Regel nicht genutzt werden: von der Kleinstadt bis zur Metropole. Diese virtuellen dreidimensionalen Stadtmodelle lassen sich in verschiedenen Möglichkeiten auf dem Computerbildschirm abrufen: von oben besehen, aus der Vogelperspektive, oder als Fußgänger in einer Straße oder auf einem Platz. Americo Cicchetti:

    "Die wichtigsten Parameter für kommunalpolitisches "decision making" und für "problem solving" sind in diesen Spielen enthalten. Warum Unternehmen für diese Spiele eine so ausgeklügelte Software entwickeln, ist mir unklar. Diese Software erlaubt es uns, die Folgen von Informations-Inputs in bestimmten Bereichen zu ermitteln, zum Beispiel im Bereich Verkehr oder beim Bau eines neuen Shoppingcenters am Stadtrand, der Auswirkungen auf den Verkehr haben wird."

    Um bei dem Beispiel Verkehr und Einkaufszentrum zu bleiben: Kommunalpolitiker haben mit Hilfe der "Second Life"-Spiele die Möglichkeit, über ihre Joysticks Eingaben zu machen, um die Verkehrsdichte in einem bestimmten Stadtteil oder in einer Straße zu erhöhen - eine logische Folge des Baus von Shoppingcentern. Die Software liefert anschließend Dateninfos, die Auskunft darüber geben, wie sich die Erhöhung der PKW-Dichte auf die Luftverschmutzung und auf den bereits bestehenden Verkehr auswirkt. Der User sieht also direkt die Folgen seines Handelns und kann andere Lösungsmöglichkeiten ausprobieren. Er kann zum Beispiel zu der Einsicht gelangen, dass ein für den Stadtteil X geplantes Einkaufszentrum besser woanders errichtet werden sollte, wo der zusätzliche Verkehr durch bestehende Straßen besser aufgefangen werden kann. Was halten Stadtmanager von den kommunalpolitischen Anwendungsmöglichkeiten der Videospiele? Nur schöne Ideen ohne Praxisrelevanz? In keiner Weise, meint Odoardo Malatesta aus dem Verkehrsassessorat der Stadt Rom:

    "Wir können uns gut vorstellen, dass wir diese Simulationen zur Lösung kommunalpolitischer Probleme verwenden werden. Deshalb suchen wir bereits eine Zusammenarbeit mit Cicchetti."