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Dämpfer für TTIP-Gegner
EU-Kommission gegen Europäische Bürgerinitiative

Mehr als 230 Organisationen aus 21 EU-Ländern wollen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA verhindern. In der Hoffnung auf ein Einlenken Brüssels setzen die Gegner vor allem auf die Europäische Bürgerinitiative – eine Art EU-weites Bürgerbegehren. Doch daraus wird vorerst nichts.

Von Johannes Kulms | 12.09.2014
    Gegner des geplanten Freihandelsabkommens während einer Demo in Hamburg.
    Gegner des geplanten Freihandelsabkommens während einer Demo in Hamburg. (dpa/ picture alliance / Axel Heimken)
    Michael Efler ist enttäuscht. Er ist eine von mehreren Kontaktpersonen der Europäischen Bürgerinitiative, die Verhandlungen zu gleich zwei Handels- und Investitionsabkommen der EU stoppen will: Einerseits TTIP mit den USA, und andererseits den Vertrag CETA mit Kanada. Dass die Europäische Kommission eine solche Initiative ablehnt, damit hatten Efler und seine Mitstreiter nicht gerechnet:
    "Wir haben uns rechtzeitig, bevor wir den Antrag gestellt haben, bei der Kommission darum bemüht, eine informelle Auskunft zu bekommen, ob das Ganze zulassungsfähig ist oder nicht. Und wir haben keinerlei Auskunft bekommen und dann haben wir halt den Antrag gestellt. Und jetzt bekommen wir kurz vor Ende der Frist diese Ablehnung – die ist ausgesprochen schlecht begründet."
    Eigentlich sollte es bald losgehen mit der Unterschriftensammlung im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative. Eine Million gültige Unterzeichner aus sieben Ländern sind dazu nötig. Auch wenn die EU-Kommission das Ergebnis nicht automatisch übernehmen muss, ist es doch ein beachtliches Druckmittel. Nun hat die Kommission das Verfahren wegen formaler Voraussetzungen kassiert. Dabei seien die Hürden hoch, um eine Europäische Bürgerinitiative abzuweisen: Nur wenn diese offensichtlich den EU-Verträgen widerspreche, sagt Efler. Deshalb wittert er eine politische Entscheidung der Kommission.
    Ganz anders sieht es Wojtek Talko, Sprecher des scheidenden EU-Handelskommissars Karel De Gucht. Mit einer Europäischen Bürgerinitiative könnte die Kommission aufgefordert werden, ein neues Gesetzt vorzuschlagen oder ein bestehendes zu ändern.
    "Die hier nun vorliegende Initiative hat das nicht beachtet. Denn sie hat ja die Kommission dazu aufgefordert, die TTIP-Verhandlungen zu stoppen. Aber Verhandlungen sind kein Rechtsakt. Die Bürger können etwas anderes einbringen, solange es dabei um einen Rechtsakt geht",
    sagte der Sprecher gegenüber diesem Sender. Die Juristen der Kommission seien zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verhandlungsmandat nicht die EU-Verträge tangiere. Doch genau das wäre laut der Kommission die Bedingung für eine Europäische Bürgerinitiative.
    Dem widerspricht Michael Efler: Auch das Verhandlungsmandat sei als Rechtsakt einzustufen. Zwei juristische Untersuchungen – darunter eine des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages - hätten die TTIP-Bürgerinitiative für zulässig erklärt. Er sieht in der Ablehnung der Kommission auch ein fatales Signal für die politische Partizipation der Europäer:
    "Wenn das Schule macht, würde das bedeuten, dass die Bürger überhaupt nicht mehr auf laufende politische Vorgänge einwirken können. Denn das ist die zentrale Begründung der Kommission: Sie sagt, weil die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, sind sie noch nicht rechtskräftig und man kann dagegen nicht vorgehen. Und das ist natürlich absurd, weil die Verhandlungen zu TTIP und CETA sind das, was Millionen Menschen in ganz Europa gerade erregt."
    Bärbel Höhn: "eine dreiste Entscheidung"
    Auch aus dem EU-Parlament kommt bereits laute Kritik am Vorgehen der EU-Kommission. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold sprach von einem Aussperren der Bürger bei der Entscheidung über TTIP, seine Parteikollegin aus dem Bundestag, Bärbel Höhn, sprach von einer "dreisten Entscheidung". Die Linke forderte die Bundesregierung dazu auf, sich für einen Stopp der Verhandlungen mit den USA auszusprechen. Kommissionssprecher Talko gibt sich derweil gelassen. Keineswegs sieht er das Risiko, dass nun die Bürger nicht mehr ihre Meinung zu den Verhandlungen über TTIP und CETA kundtun würden. Im Übrigen sei die Kommission dankbar für solche Anläufe:
    "Weil wir so die Möglichkeit haben, Dinge klarzustellen. Es sind ja dieselben Gruppen, die Gerüchte verbreiten, wonach zum Beispiel gentechnisch veränderte Organismen erlaubt werden oder die Chlorhühner. Aber das ist nicht wahr. Und dies sind die Momente, wo es dann Beachtung für TTIP gibt. Und dann können wir auch Missverständnisse klarstellen, wie sie zum Beispiel unter deutschen Bürgern verbreitet sind."
    Zudem weist die Kommission immer wieder auch darauf hin, dass sich die TTIP-Kritiker nach der gescheiterten Bürgerinitiative an den Europäischen Gerichtshof wenden könnten.
    Diesen Weg will das Bündnis nun prüfen. Michael Efler setzt indes auch Hoffnung auf Jean-Claude Juncker, den designierten neuen EU-Kommissionspräsidenten:
    "Also, Juncker hat gesagt, dass er sich für mehr Demokratie einsetzt in der EU. Und das wäre dann eine wunderbare, wenn er jetzt als erstes die Entscheidung der Barroso-Kommission rückgängig macht."
    Ob es so kommen wird, das wird sich zeigen.