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Dänemark
Zu wenig Kinder, weil zu lange gewartet wird

Vor zwei Tagen wurde bekannt, dass Apple und Facebook ihren Mitarbeiterinnen das Social Freezing bezahlen wollen: Dabei werden Eizellen eingefroren und bei Bedarf Jahre später wieder aufgetaut und künstlich befruchtet – eine Schwangerschaft soll so auch jenseits der 40 gelingen. In Dänemark gehen Ärzte einen ganz anderen Weg. Sie wollen die Frauen dazu bringen, lieber wieder früher ihre Kinder zu kriegen.

Von Marieke Degen | 17.10.2014
    Das Reichshospital in Kopenhagen. Siebte Etage, Fertilitätsklinik.
    "Elisabeth Schwarz?"
    "Ja?"
    Elisabeth ist 34 und hat mit ihrem Mann schon oft über Kinder gesprochen. Er sagt, dass sie es einfach versuchen sollten. Sie ist da eher zögerlich.
    "Irgendwie hatte ich schon immer das Gefühl, dass es für mich schwierig werden könnte. Ich war noch nie schwanger, noch nicht mal unbeabsichtigt. Und deshalb dachte ich oft: Vielleicht kann ich gar nicht."
    Dänemark hat ein Fruchtbarkeitsproblem. Bei jedem zehnten Kind, das hier auf die Welt kommt, haben Reproduktionsmediziner nachgeholfen – das sind Tausende Kinder, sagt die Ärztin Kathrine Birch Petersen.
    "Neue Techniken in der Reproduktionsmedizin voranzutreiben ist eine gute Sache. Aber in erster Linie haben wir zu wenig Kinder, weil wir einfach zu lange warten. Und deshalb versuchen wir hier einen anderen Weg."
    Fruchtbarkeitsberatung soll helfen
    Kathrine Birch Petersen und ihre Kollegen haben hier, am Reichshospital, eine Fruchtbarkeitsberatungsstelle ins Leben gerufen. Jeder, der möchte, kann hier seine Fruchtbarkeit untersuchen lassen, abschätzen, wie viel Zeit noch für eine natürliche Schwangerschaft bleibt. Die meisten Klienten sind weiblich, Mitte 30 und kinderlos – wie Elisabeth.
    Die Ärztin wird Elisabeths ovarielle Reserve vermessen, die Fähigkeit ihrer Eierstöcke, Eizellen zu bilden. Elisabeth hat zu Hause schon einen Fragebogen ausgefüllt: Ob sie raucht, ob sie viel Stress hat, ob sie mal am Unterleib operiert worden ist. All das kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
    "Ich nehme die Pille, seit ich 16 bin. Und ich nehme sie durchgehend, so dass ich gar keine Menstruation mehr habe. Die war für mich nämlich immer extrem schmerzhaft. Und dann habe ich noch angegeben, dass meine Mutter eher früh in die Menopause gekommen ist – mit Mitte 40."
    Was bedeuten könnte, dass Elisabeth ebenfalls früh in die Menopause kommt. Und schon zehn Jahre vorher, sagt Kathrine Birch Petersen, nimmt die Fruchtbarkeit massiv ab.
    "Wir machen jetzt noch einen Bluttest, der die Konzentration des Anti-Müller-Hormons misst und uns sagt, wie viele Eizellen heranreifen."
    Zum Schluss wird sie sich Elisabeths Eierstöcke genau anschauen – mit Hilfe einer transvaginalen Ultraschallaufnahme.
    Die Fruchtbarkeitsberatung in Kopenhagen gibt es seit zwei Jahren. Sie ist gleichzeitig ein Forschungsprojekt: Die Ärzte wollen die Risikofaktoren für eine drohende Unfruchtbarkeit ermitteln, eine Checkliste erstellen. Bislang haben sie um die 1000 Klienten untersucht, alle werden noch zwei Jahre lang nachverfolgt.
    "Die ersten 140 Fälle haben wir abgeschlossen. Und von diesen 140 Frauen sind 89 schwanger geworden, und 59 Babys sind geboren worden. Das ist sehr viel mehr als normal! Wir wissen nicht, ob das auf unsere Beratung zurückzuführen ist – oder ob eben hauptsächlich Frauen zu uns kommen, die ohnehin bald ein Kind wollen. Aber zumindest werden sie sich ihrer Situation mehr bewusst."
    Elisabeth hat die Untersuchung geschafft. Ihre ovarielle Reserve sieht gut aus. Aber die Ärzte haben herausgefunden, dass sie wohl an einer Endometriose leidet, einer Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut. Und die kann eine Schwangerschaft erschweren.
    "Kinder zu haben war nie ein großer Traum von mir. Aber wenn, sagen sie, dann sollte es in den nächsten drei Jahren passieren. Mein Mann und ich müssen jetzt darüber nachdenken. Und wenn wir uns dafür entscheiden, sollten wir loslegen."
    Eine künstliche Befruchtung, sagt sie, würde für sie nie in Frage kommen.