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Dänen liebäugeln mit Berlin

Der Südschleswigsche Wählerbund hat in der Kieler Regierung eine Ministerin. 2013 steht die Bundestagswahl vor der Tür und auch hier würde die Partei von der Fünfprozentklausel befreit werden, aber andere Hürden stehen im Weg.

Von Dietrich Mohaupt | 20.09.2012
    Der Parteitag singt - es ist gute Tradition bei allen Veranstaltungen der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, etwas aus dem schier unerschöpflichen Volksliederreservoir des nördlichen Nachbarn zum Besten zu geben. In diesem Falle ein dänisches Herbstlied.

    Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ist angekommen in der Landesregierung - so die stolze Botschaft des Parteichefs Flemming Meyer. Mit Anke Spoorendonk stellt die Partei erstmals eine Ministerin, zuständig für das Ressort Justiz, Kultur und Europapolitik - die harte Arbeit vor der Landtagswahl im Mai hat sich also gelohnt.

    Flemming Meyer:
    "Ich weiß nicht mehr, wie oft wir vor einer Landtagswahl über eine eventuelle Regierungsbeteiligung diskutiert haben - jetzt ist sie Realität. Wir sind eine Regierungspartei, Anke ist Ministerin. Und ob Du es jetzt leiden kannst oder nicht, liebe Anke, wirst Du Dich damit abfinden müssen, dass ich dich - auf jeden Fall bei offiziellen Anlässen - mit "Frau Ministerin" ansprechen werde."


    Und weil es im Land gerade mal wieder alles so gut läuft, stellt sich so manch einer in der Partei mal wieder die Frage: Warum eigentlich nicht bei der Bundestagswahl kandidieren.

    "Ja, wenn wir genug Stimmen bekommen, warum nicht. Warum sollten wir das nicht probieren - wenn wir die Stimmen kriegen, wir haben ja die Möglichkeit."

    "Also, mein Ziel ist es nicht. Ich bin generell nicht der Meinung, dass wir nach Berlin gehen sollten."

    "Ruhig mal probieren. Ich persönlich habe es bedauert, dass wir das bei der letzten Bundestagswahl nicht gemacht hatten - da fielen die Bundestagswahl und die Landtagswahl zusammen, da hätten wir das gut schaffen können. Es sind Beschlüsse gefasst worden auch hier auf dem Parteitag, daran hat man sich gehalten - ob die ganz sinnvoll waren und richtig waren ... möchte ich bezweifeln."

    Ausgelöst hat diese - nicht zum ersten Mal geführte - Diskussion Parteichef Flemming Meyer. In einem Zeitungsinterview hatte er sich vehement für eine Kandidatur zum Bundestag ausgesprochen. Bei dieser Meinung blieb er auch auf dem Parteitag des SSW am vergangenen Wochenende - und stellte gleichzeitig klar:


    "Aber ich bin auch Realist. Ich habe gesehen, welchen kolossalen Einsatz es gekostet hat bei der Landtagswahl, wo viele von uns bis an die Grenzen dessen gegangen sind, was man leisten kann. Im Mai haben wir Kommunalwahlen und sollen wieder einen Wahlkampf auf sehr hohem Niveau führen - und die Kommunalwahlen haben für uns höchste Priorität. 4 Monate später sind Bundestagswahlen - wie sollen wir diese Herausforderung meistern?"

    Prinzipiell gehört der SSW für ihn schon nach Berlin - und rechnerisch wäre das auch machbar. Weil für die Partei auch bundesweit die Befreiung von der Fünfprozenthürde gilt, würden gut 40.000 Stimmen in Schleswig-Holstein vermutlich für ein Bundestagsmandat ausreichen - bei der Landtagswahl im Mai hatte der SSW mehr als 61.000 bekommen. Aber - erläutert Parteichef Meyer: Wir schaffen das personell jetzt einfach nicht. Mit einer Kandidatur für die Bundestagswahl wird es also 2013 nichts.

    "Das mag 2017 anders aussehen - da haben wir zwar auch zwei Wahlen, aber das ist Landtagswahl und Bundestagswahl, das kann man viel besser miteinander kombinieren, und deshalb - denke ich - ist es vernünftig, bis 2017 mit einer erneuten Debatte zu warten."

    Genau so hat sich das auch Lars Harms, einer der drei Landtagsabgeordneten des SSW und Vertreter der Friesen in der Minderheitenpartei, vorgestellt. Die aktuelle Erfolgswelle dürfe man nicht überbewerten, mahnt er - es müsse aber auch erlaubt sein, über eine Teilnahme an der Bundestagswahl jederzeit nachzudenken.

    Lars Harms:
    "Es gibt keine Denkverbote im SSW, sondern es gibt einen Parteitagsbeschluss, der da heißt, dass entweder der Landesvorstand beziehungsweise unser Parteitag oder zwei Kreisverbände den Antrag stellen müssen - und wenn das so ist, dann werden wir auch darüber debattieren. Derzeit ist es noch nicht soweit, aber ich schließe es auf jeden Fall nicht aus für die nächsten Jahre."

    Immerhin - schon 1949 bis 1953 saß ein SSW-Vertreter im Bundestag - der habe aber als Einzelkämpfer damals nicht allzu viel bewirken können, und das gelte auch heute noch, mahnt Anke Spoorendonk. Die erste Ministerin in der Geschichte des SSW ist eine erklärte Gegnerin der Berlin-Pläne.

    "Ich stelle mir vor, dass es für den SSW schwierig sein wird, sich überhaupt in Berlin Gehör zu verschaffen mit einem Abgeordneten oder einer Abgeordneten. Also, wir wären vielleicht interessant am Wahlabend - falls wir denn Zünglein an der Waage werden würden, aber die Zeit danach wäre für uns ganz schwierig, wir müssten uns einer Fraktion anschließen, wir setzen aber auf unsere Unabhängigkeit. Aber - wie gesagt, das ist eine Diskussion, die geführt wird."

    Nur, bitte schön, nicht im Moment - derzeit zählen erst einmal ganz andere Dinge, meint Anke Spoorendonk. Die Partei ist mit gut 3800 Mitgliedern zahlenmäßig zwar die drittstärkste in Schleswig-Holstein, sie hat aber im Augenblick genug damit zu tun, im Land ihren Verantwortungen gerecht zu werden.

    Anke Spoorendonk:
    "Kommunalpolitik - ganz wichtig, das ist unser Fundament. Landtagsarbeit - auch von Anfang an Teil unseres politischen Profils, ist wichtig. Wir haben ja gesagt dazu, jetzt in eine Regierung einzutreten, weil wir den Regierungswechsel und den Politikwechsel wollten - aber wir haben natürlich nicht unbegrenzt Ressourcen."

    Diesem Realismus beugt sich auch Parteichef Flemming Meyer - noch. Seinen Traum von einem SSW-Vertreter auf der ganz großen Politikbühne im Bundestag will er aber auf keinen Fall ganz begraben - dazu gebe es auch keinen Grund, betont er selbstbewusst.

    Flemming Meyer:
    "Wir müssen uns doch nicht irgendwo verstecken - wenn ich sehe, was die anderen machen, die kochen auch nur mit Wasser, was die leisten, das können wir alle Nas' lang."