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Dänisch für Deutsche

Der geplante Fehmarnbelt-Tunnel wird die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Dänemark enger verzahnen - Dänischkenntnisse sind da von Vorteil. Das hat auch die schleswig-holsteinische Landesregierung erkannt und will den Dänischunterricht ausbauen.

Von Matthias Günther | 21.02.2011
    Monika und Wolfgang Schuppan haben einen Malereibetrieb in Heikendorf bei Kiel. Anders als Unternehmen im nordwestlichen Schleswig-Holstein nahe der dänischen Grenze haben sie lange keine Ambitionen gehabt, Aufträge im Nachbarland anzunehmen. Das hat sich geändert, berichtet Monika Schuppan:

    "Irgendwann kam mal eine Anfrage, ob wir auch in Dänemark arbeiten. Und da wir gerade nicht so recht ausgelastet waren, habe ich spontan ja gesagt. Dann kam mein Mann nach Hause und sagte: Du spinnst wohl."

    Doch inzwischen ist Wolfgang Schuppan sehr zufrieden mit den Aufträgen aus Dänemark. Allerdings:

    "Die können eigentlich zu 95 Prozent alle deutsch. Aber wenn wir irgendwas nicht wissen sollen oder nicht mitbekommen sollen, dann schwenken sie sofort auf Dänisch um. Und das ist ein großes Manko für uns."

    Dänischkenntnisse dürften für Schleswig-Holsteiner künftig noch wichtiger werden, denn mit dem geplanten Fehmarnbelt-Tunnel wird auch der östliche Landesteil näher an Dänemark heranrücken. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein, Christoph Andreas Leicht, fordert deshalb, an schleswig-holsteinischen Schulen Dänisch als zweite Fremdsprache einzuführen oder zumindest als dritte Fremdsprache anzubieten:

    "Wir haben eine neue nordeuropäische Wirtschaftsregion, die entsteht. Hamburg, Schleswig-Holstein in der Mitte und im Norden Dänemark und Südschweden. Aber da müssen wir natürlich auch die Landessprache sprechen."

    Im Nordwesten von Schleswig-Holstein wird immerhin an den Schulen der dänischen Minderheit Dänisch gesprochen, im übrigen Land haben Schüler kaum Chancen, die Sprache in der Schule zu erlernen. Eine Ausnahme ist die Holstentor-Gemeinschaftsschule in Lübeck. Hier lernen Schüler seit 40 Jahren Dänisch. Schulleiter Jörg Senkspiel:

    "Das Fach Dänisch als zweite Fremdsprache ab Klasse sieben wird recht gut angenommen. Wir bieten als zweite Sprache Französisch an, das wird naturgemäß etwas häufiger gewählt. Aber wir haben überhaupt keine Probleme, Gruppen von Schülerinnen und Schülern für das Fach Dänisch zusammen zu bekommen."

    Mit der näher rückenden festen Verbindung über die Ostsee sieht der Schulleiter noch bessere Chancen, Eltern und Schüler von der Bedeutung der Fremdsprache Dänisch zu überzeugen:

    "In der momentanen Situation wird die Sprache Dänisch, glaube ich, immer wichtiger. Wir werben auch dafür. Es bringt insofern auch was, als es hier schon Rückfragen an der Schule gegeben hat von Firmen, die sich interessierten für zukünftige potenzielle Auszubildende, die Dänisch sprechen können oder die Dänisch im Unterricht gehabt haben."

    Diese Schüler der zehnten Klasse müssen nicht mehr überzeugt werden:

    "Dänemark ist ja auch ganz in der Nähe. Und dann denke ich auch, dass man da gute Chancen hat auf einen Job, falls es hier mal nicht so läuft in Deutschland."

    "Ich habe Dänisch gewählt, weil ich die Sprache sehr interessant finde und schön, und weil es nahe bei uns liegt und in der Berufswelt ist es bestimmt später praktisch. Und ich hatte auch vor, eigentlich später in Dänemark zu arbeiten und hier in Deutschland zu wohnen."

    "Falls die Berufslage in Deutschland mal schlechter wird, kann man ja immer noch nach Dänemark gehen. Die sehen ja gern deutsche Arbeitskräfte, die Dänisch können. Und das ist für meine Zukunft dann sehr vorteilhaft."

    Natürlich ist Dänisch für Deutsche, die beispielsweise auf einer Baustelle in Dänemark arbeiten, hilfreich, sagt IHK-Präsident Christoph Andreas Leicht. Aber auch für das Zusammenwachsen der Region hält er es für wichtig, die Sprache des Nachbarlandes zu verstehen:

    "Da müssen wir uns dann natürlich in allen gesellschaftspolitischen Bereichen darauf einstellen, übrigens natürlich auch, was die Gesellschaftsmodelle der Skandinavier, was Frauenarbeitsquote angeht, was Beschäftigung Älterer angeht, was die Sozialversicherungssysteme angeht, was die steuerrechtlichen Systeme angeht, auch da haben wir ernormen Harmonisierungs- und auch Lernbedarf."

    Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat den Vorschlag aufgegriffen und will nun die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Dänisch als Unterrichtsfach möglichst flächendeckend angeboten werden kann. Dänisch-Lehrer müssen ausgebildet, gegebenenfalls angeworben werden. Wenn alles klappt, könnten zur Eröffnung des Fehmarnbelt-Tunnels im Jahre 2020 schon die ersten Jahrgänge mit Dänisch als zweiter oder dritter Fremdsprache die Schule verlassen haben.