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Daibes: Israel muss bereit sein, die Besatzung aufzugeben

Vor Beginn der Nahostkonferenz in Annapolis hat die palästinensische Tourismusministerin Khuloud Daibes bekräftigt, die Konferenz könne ein erster vertrauensbildender Schritt sein. Unabdingbar sei jedoch, dass Israel die besetzten Gebiete räume. Darüber hinaus seien das Rückkehrrecht der Flüchtlinge und der Status der Stadt Jerusalem wichtige Forderungen der palästinensischen Seite, sagte sie.

Moderation: Christiane Kaess | 27.11.2007
    Christiane Kaess: Am Telefon ist Khuloud Daibes, palästinensische Ministerin für Tourismus. Guten Morgen!

    Khuloud Daibes: Schönen guten Morgen!

    Kaess: Frau Daibes, viele internationale Vertreter sind vorsichtig optimistisch. Sind Sie das auch?

    Daibes: Ja!

    Kaess: Warum?

    Daibes: Wir haben keine andere Option, als optimistisch zu sein. Und nach so langer Zeit, wie in Ihrem Bericht auch eindeutig war, gehen die Palästinenser nach Annapolis, um endlich mal die Besatzung zu beenden und endlich in diese Region Frieden zu bringen. Visionen der Koexistenz dürfen nicht fehlen, insofern haben wir auch nichts zu verlieren und können uns nicht leisten, nicht hinzugehen und nicht optimistisch zu sein.

    Kaess: Können sich denn Palästinenser und Israelis heute mehr vertrauen als vor ein paar Jahren?

    Daibes: Vielleicht ist es der Anfang, dass ernste Schritte gemacht werden, damit Vertrauen auf beiden Seiten aufgebaut wird. Nein, ich würde nicht sagen, dass es mehr ist als vor paar Jahren, vor allem, weil wir sehr ernste Schritte fühlen müssen, dass Israel auch mental bereit ist, die Besatzung aufzugeben. Und wenn es soweit ist, denke ich, dass Verhandlungen dann viel einfacher werden.

    Kaess: Schauen wir mal auf das Konzept. Es ist neu, dass man anders vorgehen will, es soll relativ zügig über Grundsatzfragen wie den Status Jerusalems oder die Grenzziehung gesprochen werden. Ist das sinnvoller als das Konzept zuvor, dass die sensiblen Fragen bis zum Schluss aufsparen wollte?

    Daibes: Wir haben 14 Jahre verhandelt über diese schwierigen Fragen. Nach Oslo hat man fünf Jahre vereinbart, damit man auf die schwierigen Fragen sich einigt. Es hat nicht geklappt, und es hat, im Gegenteil, die Lebensbedingungen der Palästinenser verschlechtert. Nie haben die Palästinenser so schlechte und ökonomisch schlechte Rahmenbedingungen gehabt wie nach Oslo. Insofern denke ich schon, dass man damit anfangen soll. Man kann nicht ewig verhandeln, und man kann über Prinzipien nicht verhandeln. Ich finde, man könnte über die Einzelheiten und die Art und Weise, wie das alles durchgeführt ist, verhandeln, aber über diesen Kompromiss der Zweistaaten-Lösung könnte man eigentlich auf beiden Seiten nicht verhandeln, und darunter könnte man sowieso nicht gehen.

    Kaess: Frau Daibes, schauen wir auf die Einzelheiten und die Streitpunkte. Wird sich Israel mit einer Teilung von Jerusalem anfreunden müssen?

    Daibes: Ich denke, dieser Konflikt wird nur auf der Basis des internationalen Rechts zu lösen sein. Dass die Mehrheit der Palästinenser immer noch der Überzeugung sind, dass dieser Konflikt auf dem Weg der friedlichen Verhandlungen zu lösen ist, denke ich, ist schon bemerkenswert, insofern, ja, es könnte nicht anders gehen. Man kann nicht, auch wir als Palästinenser, wir können, wie gesagt, nicht darunter gehen, was uns das internationale Recht zugeteilt hat. Insofern: Jerusalem ja als Hauptstadt des Staates Palästinas, Zweistaatenlösung, Rückzug aus den besetzten Gebieten und Siedlungsräumung, alles, was in Ihrem Bericht zu hören war, das sind die Forderungen der Palästinenser. Ich denke, kein palästinensischer Führer kann sich es leisten, darf es sich leisten, darunter zu gehen, denn wenn wir wieder zum Volk gehen, dann muss das Volk auch mitentscheiden.

    Kaess: Aber bleiben wir noch mal bei den einzelnen Punkten. Ist denn die Teilung Jerusalems überhaupt praktisch möglich, denn auch der Ostteil der Stadt ist ja voll mit israelischen Siedlungen. Wie soll das denn praktisch umgesetzt werden?

    Daibes: Ja, das ist richtig. Es gibt so viele vollendete Tatsachen, leider, die Israel geschaffen hat in den letzten Jahren mit dem Siedlungsbau, mit dem Mauerbau. In Jerusalem sind jetzt nicht mehr die Mehrheit der Einwohner Palästinenser. Also es gab eine demografische Änderung in Jerusalem. Das war die vielleicht versteckte Politik Israels in Jerusalem, so wenig Palästinenser wie möglich zu haben, und so viel wie möglich Land auch zu bekommen. Das wird bestimmt nicht einfach zu lösen sein, aber ich denke, man müsste praktische Lösungen finden, wie man beide Seiten und alle Probleme beseitigen kann, ich meine, beide Seiten befriedigen und alle Probleme beseitigen kann, damit auch Jerusalem lebensfähig wird für die Palästinenser.

    Kaess: Frau Daibes, können die Palästinenser umgekehrt auf ein Rückkehrrecht für die Flüchtlinge verzichten?

    Daibes: Nein, das Rückkehrrecht ist ein individuelles Recht, was auch wiederum uns das internationale Recht garantiert hat. Insofern: Das ist nicht die Entscheidung auf der politischen Ebene. Wiederum hier könnte man über die Einzelheiten sprechen.

    Kaess: Aber es ist doch unrealistisch, dass Israel Millionen von Flüchtlingen aufnehmen kann?
    Daibes: Es geht um die Anerkennung des Prinzips, wie es auch in Israel das Recht gibt, jeder jüdischer oder Israeli, der gerne nach Israel einwandern will, würde dieses Recht gegeben. Es geht um das Prinzip. Ich glaube, es gibt auch viele Palästinenser, die überall in der Welt in der Diaspora leben, die eventuell oder einige, die nicht zurückkehren wollen. Es geht nur um das Recht und die Anerkennung. Und dann könnte man über die Einzelheiten sprechen, über Wiedergutmachung oder ob Rückkehrrecht, wo sollte man zurückgehen. Ich denke, da gibt es auch viele Vorschläge, die von Palästinensern und von Israelis ausgearbeitet wurden. Insofern ist die wirkliche Anerkennung für uns wichtig.

    Kaess: Frau Daibes, noch kurz Schluss: Die Hamas ist Herrin über den Gazastreifen. Wie wollen Sie die Radikalen von dem Friedensprozess überzeugen?

    Daibes: Also wir dürfen uns kein Scheitern leisten in Annapolis, und wir als Regierung sind verpflichtet, die Lebensbedingungen unserer Mitmenschen zu verbessern. Wenn wir auf der politischen Ebene keine positiven Resultate herbeiführen, sind die Extremisten und die nicht moderaten Stimmen verstärkt und ist Hamas dann auch in der Lage, sich da ...

    Kaess: Aber wie wollen Sie sie einbinden?

    Daibes: Wir wollen, wie gesagt, Erfolge erzielen auf politischer Ebene, auf ökonomischer Ebene, damit Hamas endlich mal überzeugt wird, ins politische Leben sich zu integrieren und das palästinensische, politische System auch zu akzeptieren, sonst wird es auch schwierig sein, wie wir das mit Gaza regeln werden.

    Kaess: Zur heutigen beginnenden Nahost-Konferenz war das Khuloud Daibes, palästinensische Ministerin für Tourismus. Vielen Dank!