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"Dann kommt auch für die CSU der Sonnenschein über Bayern"

Klemens Gsell, Bürgermeister in Nürnberg, glaubt, dass nach der stürmischen Phase in der Stoiber-Krise nun in Ruhe an der Nachfolge gearbeitet werde. Nach der Wankelpolitik hoffe er auf einen Rückzug Stoibers in Ehren und in Würde, betonte Gsell, der als Stoiber-Kritiker gilt.

Moderation: Silvia Engels | 18.01.2007
    Silvia Engels: In München wogt der Führungsstreit in der CSU hin und her. Am Vormittag machten zunächst Meldungen die Runde, wonach sich der bayerische Innenminister Beckstein und Wirtschaftsminister Huber auf die Nachfolge von Edmund Stoiber geeinigt hätten. Danach solle Beckstein Ministerpräsident und Huber Parteichef werden. Etwas später relativierten einige CSU-Spitzenpolitiker diese Meldungen, doch dass eine grundsätzliche Ablösung Stoibers bevorsteht, wird kaum noch dementiert. Der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag Joachim Hermann bemühte sich zum Abschluss der Klausurtagung in Wildbad Kreuth, Ruhe in die Debatte zu bringen.

    O-Ton Joachim Herrmann: "In Absprache mit Edmund Stoiber kann ich ihnen mitteilen, dass er am Montag, am kommenden Montag im Parteivorstand einen Fahrplan für die genannten Gespräche mit den Spitzen von Partei und Fraktion vorlegen wird. Dazu gehört - das will ich ausdrücklich sagen - natürlich auch die Spitze der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Wir waren uns am Dienstag einig, dass wir eine zukunftsfähige Lösung gemeinsam mit Edmund Stoiber entwickeln wollen."

    Engels: Joachim Herrmann direkt aus Wildbad Kreuth. - Mitgehört hat Klemens Gsell. Er ist Bürgermeister in Nürnberg und im CSU-Bezirk Nürnberg Stellvertreter des dortigen Vorsitzenden Günther Beckstein. Er hatte schon vor Weihnachten wie die Fürther Landrätin Gabriele Pauli eine Mitgliederbefragung innerhalb der CSU zur Spitzenkandidatur für die Landtagswahlen 2008 verlangt. Guten Tag Herr Gsell!

    Klemens Gsell: Einen schönen Tag. Hallo!

    Engels: Ist die Ablösung von Edmund Stoiber in beiden Ämtern nur noch Formsache?

    Gsell: Eine Formsache ist etwas, was automatisch läuft. Die ganze Geschichte wird jetzt aber in einem sehr vernünftigen und fairen Umgang miteinander diskutiert und ich gehe davon aus, dass es nicht bis September dauert, bis irgendwelche Entscheidungen kommen. Dass es aber jetzt auch nicht eine Sache ist, die über Nacht, um irgendwelche schnellen Schlagzeilen zu produzieren, zu erledigen ist, ist auch klar. Ich gehe davon aus, dass in München im Augenblick die Realität in der Staatskanzlei vorhanden ist und in den nächsten Wochen vernünftige Entscheidungen kommen.

    Engels: In den nächsten Wochen. Für wann rechnen Sie mit Stoibers Rücktritt?

    Gsell: Wenn ich darauf wetten dürfte oder müsste und so weiter, dann würde ich es jetzt nicht öffentlich erklären, weil dieses Wissen ist natürlich dann auch sicherlich für den einen oder anderen ganz interessant. - Nein, die Ironie etwas bei Seite. Das ist natürlich etwas, was der engste Führungszirkel in dieser Partei miteinander bespricht und dann auch entsprechende Losungen nach draußen gibt. Da will ich jetzt nicht irgendetwas in die Welt setzen, was dann hinterher haltlos ist. Ich finde es positiv, wie es im Augenblick weitergeht. Ich finde es sehr gut, dass heute ein Gespräch mit der Gabi Pauli stattfindet. Es ist durchaus zu begrüßen, dass der Herr Ministerpräsident angekündigt hat, er will sich auch für das Verhalten seines Mitarbeiters entschuldigen. Das ist ein Signal in die richtige Richtung und ich glaube, dass in der CSU jetzt nach den stürmischen Tagen die Phase ist, wo man in Ruhe dann die Nachfolge bearbeitet. Dann kommt auch für die CSU der Sonnenschein über Bayern.

    Engels: Offenbar hat Stoiber seinem Rückzug noch nicht endgültig zugestimmt. Er will erst seine geplanten Auftritte bei der Basis umsetzen. Hat er denn noch Chancen bei dieser Basis?

    Gsell: Wenn es eine Abschiedskampagne ist, wird es für ihn zu einer Triumphtour. Wenn es aber eine Phase wird, wo er sagt, ich weiß noch nicht, ich kann mir dieses oder jenes offen halten, und diese Wankelpolitik weiter fortgeführt wird, wird es wahrscheinlich nicht das erhoffte Signal für ihn werden. Ich gehe davon aus, dass er sagt, ich möchte mich jetzt in Ehren und in Würde aus diesen Ämtern zurückziehen, und das sei ihm auch durchaus zugebilligt.

    Engels: Alois Glück, der Präsident des bayerischen Landtages, hatte erst gestern noch einmal gewarnt, das nach wie vor starke Lager der Stoiber-Befürworter nicht abzuschreiben. Sie gelten nun als Stoiber-Kritiker. Unterschätzen Sie vielleicht Herrn Stoiber und dessen Machtwillen?

    Gsell: Nein, weil ich den Politiker Stoiber auch als einen sehr, sehr realistischen Menschen kennen gelernt habe und ich das Gefühl habe er weiß durchaus, wenn er mit seinen engsten Freunden aus vielen, vielen Jahren redet und von denen uneingeschränkt das, was in der Basis abläuft, auch geschildert bekommt, dass er dann auch die entsprechende Verantwortung für die Partei und für Bayern hat.

    Engels: Wie groß ist die Gefahr, dass dieser Streit nun die Gräben zwischen den ja seit jeher existierenden verschiedenen Lagern in der CSU auf Dauer zementiert?

    Gsell: Die halte ich für nicht allzu groß, weil der inhaltliche Diskurs war eigentlich gar nicht so groß. Es gab keinen Streit über die Sachpolitik in Bayern. Wir sind uns selbstbewusst genug zu sagen, die Politik für Bayern war gut und richtig. Wir sind nicht umsonst in einer der Spitzenpositionen unter den deutschen Bundesländern.

    Was vielleicht zurückbleibt sind einige menschliche Streitigkeiten, die ausgeräumt werden müssen, und es ist notwendig, dass manches im System, was bislang so war, dass die Berater vor allem aus dem beamteten Bereich kamen, verändert wird. Aber ich glaube das ist auch eine Erkenntnis, die sich bei der Spitze inzwischen durchgesetzt hat.

    Engels: Wenn es einen Nachfolger gibt, wird immer wieder der Name Günther Beckstein genannt. Wenn es dahin kommt, sollte sich dieser auch einer Mitgliederbefragung stellen?

    Gsell: Das wäre durchaus ein Weg, wobei ich immer darauf hingewiesen habe, es soll keine Lecks Stoiber oder Lecks Ministerpräsident geben. Wenn wir uns durchringen, Spitzenpositionen insgesamt über Mitgliederbefragungen zu machen - und da ist übrigens Günther Beckstein durchaus jemand, der so etwas schon immer offensiv vertreten hat -, dann sollte man das jetzt nicht nur für diese Position, sondern für allgemeine Führungspositionen machen. Frankreich hat das jetzt zum Beispiel mit dem Präsidentschaftskandidaten auch mit positiven Ergebnissen abgeschlossen. Wenn allerdings eine schnelle Entscheidung jetzt notwendig ist - und die ist aufgrund der politischen Konstellation notwendig -, dann ist es gar nicht durchführbar, weil wir satzungsmäßig noch nicht so weit sind und weil es dann eine ewige Verzögerung wäre, die der Politik die Klarheit nehmen würde.

    Engels: Besten Dank! - Das war Klemens Gsell. Er ist Bürgermeister in Nürnberg und vertritt dort im Amt des CSU-Bezirks Günther Beckstein. Besten Dank für das Gespräch.

    Gsell: Bitte schön!