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"Darwins Peep Show"
Ein Enthüllungsbuch über Genitalien

Geschlechtsorgane sind für die Evolution der Lebewesen besonders wichtig, aber nur selten Thema populärer Sachbücher. Der niederländische Biologe Menno Schilthuizen will das mit seinem Buch "Darwins Peep Show" ändern.

Von Michael Lange | 04.12.2014
    Romantische Paarung zweier Schnaken im Sonnenuntergang
    Romantische Paarung zweier Schnaken im Sonnenuntergang (imago / Mark Wunsch)
    Wenn andere peinlich berührt wegschauen, wird es für den Biologen Menno Schilthuizen erst richtig interessant. In seinem Buch "Darwins Peep Show" beschreibt er detailliert, was sich die Evolution in Sachen Geschlechtsorgane alles einfallen ließ.
    "Von allen Organen der Tiere ist es nicht das Gehirn und nicht der Schnabel, sind es nicht die Nieren und überhaupt die inneren Organe, die den größten Unterschied zwischen den Arten ausmachen."
    Sondern die Geschlechtsorgane machen biologische Arten einzigartig. Wenn sich eine Art selbstständig macht, dann ist es die beste Methode, eine besondere Vagina und einen unverwechselbaren Penis zu entwickeln. Sie müssen gut zusammenpassen und sich im Aufbau von den Geschlechtsorganen anderer Arten unterscheiden. Biologen, die sich mit diesen anatomischen Details beschäftigen, müssen ganz genau hinschauen.
    "Nicht ahnend, was für überraschende Dinge ans Licht kommen werden, begleitet der Mensch am Mikroskop sein penibles anatomisches Bemühen dann und wann mit einem gedämpften Freudenschrei."
    Der Schnaken-Penis zum Beispiel besitzt eine waschbrettartige Riffelung. Während der Begattung erzeugt er gemeinsam mit seinem Gegenstück einen Ton knapp unterhalb des mittleren C.
    "Und der Vibrator-Penis der Schnaken ist nur eines der vielen Highlights im umfangreichen Beate-Uhse-Katalog der Tierwelt."
    Da gibt es die Plattwürmer, die ihren Penis als Waffe zum Fechten benutzen - oder Schnecken, die gleichzeitig Weibchen und Männchen sind und im Liebesspiel gerne die Rollen tauschen. Was die schleimigen Tiere sonst so miteinander veranstalten, würde selbst freizügigen Zeitgenossen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Erlaubt ist, was Erfolg bringt - und was Spaß macht.
    "Die Natur hat aber keinen Sinn für Humor, also müssen die Einzelteile des Penis irgendeinen sinnvollen Zweck erfüllen. Und der scheint, schlicht gesagt, darin zu bestehen, dem Weibchen auf jede nur mögliche Weise einen angenehmen Kitzel zu verschaffen."
    Der Grund: Ohne das Einverständnis der Weibchen lässt sich Sex auf Dauer nicht erfolgreich bestreiten. Wäre Sex für die weibliche Seite nur eine lästige Pflichtübung, wären der Mensch und alle anderen Tierarten längst ausgestorben.
    Zielgruppe
    Für Leserinnen und Leser, die sich gerne mit den artübergreifenden Hintergründen der Fortpflanzung beschäftigen. Ganz sachlich natürlich und ohne jegliche Pornographie.
    Erkenntnisgewinn
    Sex geht auch anders. Jede Tierart muss sich fortpflanzen, um in der Evolution der Arten zu bestehen - und das funktioniert am besten mit beiderseitigem Lustgewinn.
    Spaßfaktor
    Stilsicher gelingt dem Autor eine Gratwanderung - ohne lüsternen Herrenwitz, aber mit jeder Menge Augenzwinkern.
    Jawohl. Dieses Buch wird Sie mit mehrfachen Orgasmen beglücken.
    Menno Schilthuizen: "Darwins Peep Show. Was tierische Fortpflanzungsmethoden über das Leben und die Evolution enthüllen"
    dtv, 344 Seiten. 19, 90 Euro