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"Das Assad-Regime ist traditionell nahe an der russischen Politik"

Moskau unterstütze Syrien, um weiterhin ein Mitspracherecht bei der Regelung der Nahostkonflikte zu haben, sagt der Erfurter Politikwissenschaftler Dietmar Herz. Dabei gehe es neben dem russischen Großmachtanspruch auch um Ressourcen und geostrategische Vorteile.

Dietmar Herz im Gespräch mit Ferdos Forudastan | 03.06.2012
    Ferdos Forudastan: Guten Morgen, Herr Herz!

    Dietmar Herz: Guten Morgen!
    Forudastan: Wir hören ja immer, dass eine härtere Gangart gegen Damaskus in der UNO an Moskau scheitert, dass Syrien nicht verprellen will. Das große Russland hat Angst vor dem Ärger des relativ kleinen Syrien. Warum ist das so?

    Herz: Nein, Russland hat nicht Angst vor dem relativ kleinen Syrien, sondern Syrien ist traditionell seit Jahrzehnten, also schon zu Zeiten der Sowjetunion, ein enger Verbündeter Moskaus und ist mittlerweile in der Region der einzige Verbündete Moskaus. Wenn Syrien eine andere Regierung bekommen würde, dann wäre Moskau in der Region weitgehend einflusslos, das ist das erste. Das zweite ist natürlich auch, dass man in Moskau fürchtet, dass auch Syrien islamistisch werden könnte. Und da hat man immer Angst vor Rückwirkungen auf die muslimischen autonomen, mehr oder weniger autonomen oder souveränen Republiken innerhalb der russischen Föderation im Kaukasus und Nordkaukasus. Also, das sind sicherlich die Hauptbeweggründe.

    Forudastan: Zu dem ersten Hauptbeweggrund, sie sagten, Moskau fürchtet um seinen Einfluss in der Region. Was bedeutet denn dieser Einfluss praktisch? Wie wirkt er sich denn jetzt, wo er noch da ist, ganz konkret aus?

    Herz: Russland verhindert im Sicherheitsrat ein härteres Vorgehen gegen Syrien, auch nicht allein, sondern zusammen mit China, das wieder ganz andere Motive hat, für dieses Vorgehen. Das ist mal das eine. Dann ermöglicht Russland natürlich Waffenlieferungen an die syrische Armee und stabilisiert damit das Assad-Regime.

    Forudastan: Wir kommen gleich noch einmal zu dem Konflikt in Syrien. Was ich noch einmal wissen wollte war, Sie sagen, Russland fürchtet um seinen Einfluss in der Region. Wie sieht denn dieser Einfluss heute aus? Also was ermöglicht der Einfluss Russlands?

    Herz: Russland versteht sich, vor allem seit Putin an der Regierung als Präsident war, also schon während seiner ersten Amtszeit und jetzt wieder, als eine Großmacht, die an die alte Position der Sowjetunion anknüpft. Und da ist es wichtig bei der Regelung der Nahostkonflikte, wo es immer auch um Ressourcen geht, ein Mitspracherecht zu haben. Und wenn man dieses Mitspracherecht effizient wahrnehmen will, dann braucht man auch Verbündete in der Region. Und für Russland ist das nur noch Syrien. Syrien ist traditionell, das Assad-Regime ist traditionell nahe an der russischen Politik, hier gibt es viele Verbindungen und das will man in jedem Fall aufrecht erhalten. Natürlich kommen auch dazu, dass Flottenstützpunkte an der syrischen Küste für russische Schiffe offenstehen. Also Syrien hat eine Vielzahl von Vorteilen, das Bündnis mit Syrien, für die russische Föderation und das will man in jedem Fall erhalten. Man will nicht, dass die Vereinigten Staaten hier die alleinige Großmacht sind, die von außen her Einfluss auf die Region ausüben kann.

    Das vollständige Gespräch mit Dietmar Herz können Sie mindestens bis zum 3.12.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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