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"Das Aufbauprogramm darf nicht zu kurz kommen"

Das Aufbauprogramm, das für Griechenland geplant sei, müsse gut geplant werden, unterstreicht Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management. Griechenlands Wirtschaft müsse wieder wettbewerbsfähig werden. Weiter fordert er eine stärkere Integration der Finanz- und Wirtschaftspolitik der EU.

22.07.2011
    Anne Raith: Den Ball flach halten, das war salopp formuliert die Devise der Bundeskanzlerin vor dem gestrigen Gipfeltreffen in Brüssel. Übertriebene Erwartungen schon im Vorfeld eindampfen, den einen rettenden Befreiungsschlag werde es nicht geben, sagte sie. Ein Schlag ist es dann auch nicht geworden, sondern gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen und Beschlüssen, ein Rettungspaket plus sozusagen, das Griechenland nicht nur weiter finanzieren, sondern auch teilweise entschulden und wieder aufpäppeln soll.

    Diese Beschlüsse seien eine wichtige Etappe, so zumindest interpretiert die Kanzlerin das Erreichte. Tatsächlich hat die Brüsseler Einigung auf ein zweites Hilfspaket an den Finanzmärkten erst einmal für Erleichterung gesorgt und den Euro auf den höchsten Stand seit fast zwei Wochen klettern lassen. Und auch aus der Opposition kommt, wenn auch kein Lob, immerhin verhaltene Zuversicht. Allerdings werden auch Zweifel laut, ob diese wichtige Etappe die entscheidende war

    Es gibt also ein neues Hilfspaket, gepaart mit weiteren Maßnahmen, die ein langsames Abtragen des enormen Schuldenberges möglich machen sollen. Eine Atempause für Athen also, wo das Sondergipfeltreffen nicht nur mit Hoffnung, sondern auch mit Argwohn und mit Skepsis verfolgt wurde, folgten nach vielen solcher Treffen doch neue Sparauflagen, neue Proteste.
    Mitgehört hat Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management.

    Guten Tag!

    Christoph Schalast: Guten Tag, Frau Raith.

    Raith: Deutsche Bank Chef Ackermann sieht das griechische Problem seit gestern quasi als gelöst an. Aus Athen haben wir eben sehr viel pessimistischere Einschätzungen gehört. Würden Sie sagen, das, was da zusammengefasst beschlossen wurde, ist eine Art Durchbruch?

    Schalast: Ja, und ich denke, für Griechenland ist es ein Durchbruch, weil wir nicht nur eine Zinssenkung haben, was für das Land ganz zentral war, sondern eben die Verbindung mit einem Aufbauprogramm. Das muss jetzt weiter ausgearbeitet werden. Das war aber das Zentrale. Die griechische Wirtschaft muss wieder wettbewerbsfähig werden, damit Griechenland insgesamt in der Lage ist, sich zu restrukturieren. Das ist natürlich eine riesige Arbeit, eine Herkulesarbeit, aber dafür gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen, auch von Experten, die das erarbeitet haben, und dass wir diesen Weg jetzt gehen, ich glaube, das war das Wichtigste bei den Entscheidungen von gestern.

    Raith: Die Opposition kritisiert, dass längere Laufzeiten und die von Ihnen angesprochenen niedrigeren Zinsen ja nur zu mehr Krediten führen und nicht dazu, dass Griechenland irgendwann den Schuldenberg abtragen kann.

    Schalast: Na ja, man muss es ja in einem Gesamtpaket sehen. Die längeren Laufzeiten führen natürlich nicht zu weniger Schulden, aber dazu, dass sie langsamer zurückgezahlt werden müssen. Die Zinssenkungen plus wir haben ja einen faktischen Schuldenschnitt auch durch die Beteiligung des privaten Sektors, allerdings auf marktwirtschaftlicher Grundlage, und das ist ganz wichtig. Ich habe vorhin auch einige Äußerungen gehört, auch von den Linken. Man kann nicht mit Gesetz die Privaten hier beteiligen, sondern das wirklich Hervorragende an diesem Vorschlag ist ja, dass es eine private Beteiligung auf freiwilliger Grundlage, auf marktwirtschaftlicher Grundlage ist, und ich glaube, das ist ganz wichtig.

    Raith: Von einer freiwilligen Grundlage, das haben wir ja schon einmal gehört. Glauben Sie daran?

    Schalast: Ja. Das ist hier eine, sage ich mal, Lösung, die auf letztendlich den Aufkauf von griechischen Papieren, die ja allgemein nur als Ramschpapiere bezeichnet wurden, auch zu Unrecht, hinausläuft, und das ist wirklich marktwirtschaftlich, das geschieht dauernd. Man kauft solche Anleihen zurück zu ihrem aktuellen Marktwert, das führt zu einem faktischen Schuldenschnitt, hat aber nichts mit einem Ausfall zu tun.

    Raith: Glauben Sie denn, was ja auch befürchtet wird, dass daraufhin die Ratingagenturen wieder zuschlagen, wenn man es zugespitzt formulieren möchte, und dann Griechenland teilweise als zahlungsunfähig dastehen wird?

    Schalast: Das kann man im Augenblick nicht voraussagen. Wir sollten aber auch nicht auf die Ratingagenturen schauen wie die Maus auf die Schlange. Eines ist ganz klar: Die europäischen Länder haben vorgesorgt, sie haben Milliarden Garantien - Garantien heißt ja nicht, dass gezahlt werden muss -, Milliarden Garantien zur Verfügung gestellt, damit selbst wenn ein solcher Ausfall festgestellt wird eben die Zahlungsfähigkeit garantiert ist. Und ich glaube, wir sollten noch stärker darüber nachdenken, dass wir nicht eine unabhängige europäische Ratingagentur brauchen, die einfach auch eine andere Sichtweise hat. Das wird inzwischen auch in vielen Ländern der Welt so gesehen.

    Raith: Von einer Atempause ist ja jetzt die Rede für Athen. Was glauben Sie denn, wie lange man Athen diese Atempause gönnen wird?

    Schalast: Na ja, Athen hat jetzt erst mal für mindestens drei Jahre, muss man sagen, Ruhe, und wenn es diesen Aufbauplan konsequent umsetzt, dann kann es daraus wirklich Ruhe für die nächsten zehn Jahre machen, und das ist die ganz große Chance für Athen und auch für Griechenland. Ich habe ja die pessimistischen Stimmen aus Griechenland gehört, aber ich glaube, was dort noch nicht angekommen ist, ist die Verbindung von Zinssenkungen, von einem gewissen Schuldenschnitt mit einem Aufbauprogramm, und das darf nicht zu kurz kommen. Dieses Aufbauprogramm muss wirklich gut geplant werden, dafür haben wir Blaupausen, das ist ja in vielen osteuropäischen Ländern schon gemacht worden, und Griechenland hat teilweise strukturell vergleichbare Probleme, wie sie die ehemalige DDR oder andere osteuropäische Staaten hatten. Da kann man wirklich mit sehr viel Erfahrung einiges bewegen, damit die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wird.

    Raith: Wo liegt bei dem Entgegenkommen der Europäer der Anreiz für Griechenland?

    Schalast: Der Anreiz für Griechenland ist, dass ein Staatsdefizit vermieden wird, ein Ausschluss aus der Eurozone, was ja auch im Raum stand, vermieden wird. Griechenland hat die Chance, in dieser Zone des Wohlstands sich selbst zu regenerieren. Ansonsten hat ja Griechenland - das hat man auch bei den Stimmen davor gehört - kaum eine Perspektive im Augenblick zumindest für sich selbst. Also ich glaube, die Griechen haben hier einen echt spannenden Anreiz bekommen und sie müssen jetzt schauen, was sie daraus machen.

    Raith: Und wo liegt der Anreiz, weiter zu sparen?

    Schalast: Der Anreiz zu sparen liegt darin, dass ganz deutlich gemacht wurde, das wird nicht noch einmal passieren, man wird hier nicht noch einmal entgegenkommen, und wenn das Geld aufgebraucht ist, was in diesen Fonds jetzt investiert wird, dann wird man das nicht einfach wiederbekommen können. Das ist ja immer dieses sogenannte Moral&Hazard-Problem, wie verhindert man, dass man wiederum darauf spekuliert, es wird immer wieder geholfen werden. Das letztendlich können wir nur lösen, indem wir die Europäische Währungsunion reformieren, und das wird ja auch ganz klar im Augenblick so gesehen. Der nächste Schritt, der große Schritt, ist eine stärkere Integration der Finanz- und Wirtschaftspolitik der beteiligten Länder, der 17 Euro-Länder, und das muss einfach jetzt angegangen werden. Das darf nicht der letzte Schritt gewesen sein.

    Raith: Griechenland hat man allerdings das eine ums andere Mal gesagt, das ist jetzt aber wirklich das letzte Mal.

    Schalast: Ja, das ist richtig, man hat es mehrfach gesagt. Nur man muss auch ganz klar sagen, dass gegen Griechenland spekuliert worden ist, dass die Griechen auch wirklich letztendlich mit vielen Schwierigkeiten umgehen mussten, für die sie teilweise nichts konnten. Es ist ja auch wirklich ganz interessant, das hat die Bundeskanzlerin ja auch gestern deutlich gemacht: Wir haben bisher an der Griechenlandhilfe Geld verdient, und zwar nicht so wenig, über 200 Millionen Euro, und wir reden im Grunde dieses Investment, was wir in Griechenland machen, kaputt, indem wir diesen Aufbau, der dort im Augenblick stattfindet, diese wirklich beeindruckenden Sparmaßnahmen, die in Gang geleitet wurden, im Grunde immer wieder kleinreden. Und das vergessen wir oftmals auch in der Krise. Schauen Sie sich an, was Italien, was Spanien, was Irland für Sparprogramme in Gang gesetzt haben. Das hätte man noch vor zwei, drei Jahren für unmöglich gehalten. Hier findet ein europäisches Umdenken statt, das ganz Europa die Chance auf ein weiteres europäisches Wirtschaftswunder gibt. Ich meine, die Chancen aus der Krise werden im Augenblick wirklich in vielen Ländern genutzt.

    Raith: ... , sagt Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.

    Schalast: Sehr gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.