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Das Bundeskriminalamt als Mittäter

Jahrelang kümmerte sich der frühere BKA-Beamte Dieter Schenk sich um die Sicherheit deutscher Botschaften im Ausland. Früh wurde ihm dabei klar, wie fragwürdig es ist, mit Polizeibehörden in Diktaturen zusammenzuarbeiten. Der Bundestag versucht seit langem herauszufinden, wie sich Bundesregierung und BKA in diesem Spannungsfeld verhielten und noch verhalten. Auch Dieter Schenk hat das untersucht.

Von Dieter Schenk | 15.12.2008
    Der frühere Polizist Dieter Schenk hat zweifellos ein wichtiges, ein wertvolles Buch über die zu wenig bekannten Auslandsaktivitäten seiner früheren Dienststelle, des Bundeskriminalamts geschrieben.

    Schenks Zielrichtung ist dabei immer klar: Schon auf den ersten Seiten macht er deutlich, dass er Missstände anprangern will. Es geht ihm keinesfalls darum, in irgendeiner Form Verständnis zu wecken - für die Zusammenarbeit mit Polizeibehörden oder gar Geheimdiensten aus Ländern in denen Menschenrechte verletzt werden:

    Es ist vermutlich überflüssig zu erwähnen, dass das BKA eine große Zahl von wichtigen Aufgaben nach rechtsstaatlichen Kriterien erfüllt. Das Amt nimmt weltweit eine Spitzenstellung unter vergleichbaren Behörden ein und ist vor allem technisch auf dem neuesten Stand. Die Erfolgsgeschichte hat ihre Berechtigung, und es nicht Intention dieser Untersuchung, die ihren Schwerpunkt im Bereich der Menschenrechte sieht, die Wiesbadener Behörde pauschal zu kritisieren oder ihre Verdienste zu schmälern.

    An Kritik mangelt es auf den folgenden, knapp 400 Seiten aber keineswegs. Anderes wäre von Schenk nicht zu erwarten. Schließlich hatte er das Bundeskriminalamt wegen Zitat, "unüberbrückbarer Gegensätze" verlassen.
    Aber anders als die "Reise nach Beirut" wirkt Schenks neuestes Buch "BKA-Polizeihilfe für Folterregime" nicht im Entferntesten wie eine Abrechnung. Aus Sicht des Autors ist es eine "Untersuchung". Mit deutlicher, aber fundierter Kritik will Schenk offenbar wieder in eine Art von Dialog mit dem Bundeskriminalamt eintreten - immerhin ist ihm das schon einmal gelungen. Er selbst erinnert daran:

    "Ich hab' das Buch geschrieben, weil ich eingeladen war beim Bundeskriminalamt in drei Kolloquien, die dazu dienen sollten die NS-Vergangenheit des Amtes aufzuarbeiten und ich festgestellt habe, dass in der Diskussion Fragen der zurückliegenden Zeit aktuell waren, dass es aber schwierig war zu fragen, was ist der Status Quo, welche Menschenrechtsverletzungen spielen heute ein Rolle, wie sieht das aus in der internationalen Zusammenarbeit?"
    Schlecht sieht es aus, in der Zusammenarbeit deutscher Behörden, auch des BKA mit ausländischen Behörden. Obwohl sich Schenk immer wieder um Differenzierung bemüht - so ist sein Urteil hier doch eindeutig.
    Er führt viele Bereiche an:
    - den internationalen Austausch von Daten, ohne dass Datenschutzbestimmungen angewandt werden;
    - das Training ausländischer Polizeikräfte, auch durch die GSG-9;
    - Stipendien und längere Ausbildungskurse in Deutschland;
    - die Zusammenarbeit mit zweifelhaften Regimen oder gar Diktaturen im Rahmen von Interpol,
    - die Auslandseinsätze des Zolls,
    - die Vermischung von Polizeiarbeit und geheimdienstlicher Tätigkeit
    und schließlich die "Vorverlagerungsstrategie" des BKA - also das Bemühen zum Beispiel beim Drogenhandel schon in den Anbauländern anzusetzen.

    In sämtlichen Kapiteln bietet Schenk reichlich Fakten auf, er greift einzelne Fälle heraus und bleibt stets betont distanziert und kritisch. Der Buchtitel - "BKA, Zusammenarbeit mit Folterregimen" - weist da nicht in die Irre, sondern spitzt höchstens ein wenig zu. Besonders gilt das, wenn es um die Verbindungsbeamten des BKA im Ausland geht:

    Sie arbeiten unter anderem in 24 Staaten, in denen, so der Autor wörtlich, "systematisch gefoltert und/oder systematisch misshandelt wird".

    Es erhebt sich die Frage, in welchem Umfang in diesen Ländern der Einsatz von Verbindungsbeamten verantwortet werden kann und ob man deren Aktivität zumindest nicht erheblich reduzieren müsste, um sie nicht zu Spießgesellen einer Folterpolizei werden zu lassen. Auf jeden Fall müsste die Teilnahme an Ermittlungshandlungen generell untersagt werden.
    Schenk stellt hier nicht nur Länder wie Algerien, China, Nigeria oder Usbekistan in eine Reihe - auch Spanien und Tschechien fallen seiner Meinung nach in diese Kategorie. Die USA fehlen in seiner Übersicht, aber er geht er an anderer Stelle auf Fälle ein, in denen Amerikaner gefoltert haben und deutsche Sicherheitsbehörden davon wussten oder sogar versucht haben, davon zu profitieren.

    Wenn es um das Verhalten von BKA-Beamten geht, so fällt der Fall des Ägypters Abdel-Halim Khafagy positiv auf:

    Der Verleger lebt seit 1979 in der Nähe von München, inzwischen ist er betagt und hat seine Geschäfte aufgegeben. Doch unmittelbar nach den Anschlägen des 11. September war er nach Bosnien aufgebrochen, um in Sarajevo Druckfahnen für eine Ausgabe des Koran zu redigieren. Dabei wurde Abdel-Halim Khafagy in seinem Hotel von vermummten Uniformierten überfallen, dann mit einem Hubschrauber zum amerikanischen Stützpunkt "Eagle-Base" nach Tuzla gebracht, dort verhört und misshandelt.

    Auf Anforderung der Amerikaner reisten später zwei BKA-Beamte mit einem Dolmetscher nach Tuzla, um den Ägypter zu befragen. Sie sollten einige Papiere durchsehen und Verbindungen nach Deutschland prüfen. Die Beamten brachen ihre Ermittlungen jedoch ab, als ihnen klar geworden war, dass die Amerikaner den Ägypter misshandelt hatten.

    Auch so können sich deutsche Polizisten also im Ausland verhalten - absolut korrekt und streng nach rechtsstaatlichen Vorgaben!

    Der Frage nachzugehen, warum das in diesem Fall möglich war, in anderen aber angeblich nicht, das wäre wohl eine Untersuchung wert. Schenk handelt diesen Fall aber lediglich auf etwa einer Seite ab. Dass das Vorgehen der Beamten 2001 durch Vorgesetzte in Wiesbaden angeordnet war, schreibt er nicht:

    Also zunächst einmal ist die Schilderung des Falles in dem Kapitel über Outsourcing von Folter erwähnt und insofern als positiver Fall dargestellt, als sich die beiden BKA-Beamten die Unterlagen ansahen und feststellten, sie sind blutverschmiert und die beiden BKA-Beamten haben daraufhin ihren Auftrag abgebrochen. Ich habe jetzt nicht ausdrücklich erwähnt, dass sie so auch instruiert waren, sondern ich habe das einfach als positives Beispiel dargestellt.
    Wenn sie so instruiert waren, dann nehme ich das für mich gerne zur Kenntnis, aber das ist für mich nur eine Begleiterscheinung, wichtig ist, ist das auch positiv, aber nur Begleiterscheinung, wichtig ist, was de facto geschehen ist.

    Das bleibt nicht die einzige Lücke in Schenks Arbeit - trotz einer Fülle fleißig zusammengetragener Fakten. Einige Zahlen sind zudem so alt, dass sie den aktuellen Stand der internationalen Polizei-Zusammenarbeit bestenfalls noch erahnen lassen. Schenk schöpft mehr als einmal aus persönlichen Erfahrungen, obwohl er vor fast 20 Jahren aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist.
    Manchmal schweift der Autor ein wenig ab, dafür erfährt man vieles am Rande, das noch weniger bekannt ist, als die internationale Polizei-Zusammenarbeit. So benennt Schenk Kooperationsforen der Geheimdienste, wie etwa den "Berner Club".

    Anders als viele "Aussteiger", die den Polizeidienst oder die Geheimdienste im Unfrieden verlassen haben, hat Dieter Schenk sich hier nicht einfach den Frust von der Seele geschrieben. Ein blindwütiger Fundamentalkritiker ist aus dem pensionierten Polizisten nicht geworden. Er weiß, wie Polizisten denken, wie sie handeln. Von dort aus schafft er es, Brücken auf die "andere Seite" zu schlagen - die von Amnesty International und von anderen Menschenrechtsgruppen.
    Das gelingt in Deutschland sehr selten. Schon deshalb ist Schenks Buch interessant, wichtig und wertvoll.

    Dieter Schenk: "BKA - Polizeihilfe für Folterregime", Dietz, Bonn, 2008, ca. 400 Seiten