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Das Christentum des Herzens
Der Mystiker Sebastian Franck und die Reformation

Der Reformator Sebastian Franck ist geprägt von Martin Luther. Und sagt dennoch: "Ich will und mag nicht lutherisch sein." Er spitzt Luther zu, lehnt Kirchenstrukturen ab. Ebenso einzigartig in seiner Zeit: sein universalistisches Denken. Muslime sind für ihn Glaubensbrüder. Kirchen und weltliche Machthaber verfolgen den Mystiker, der glaubt: Gott ist überall.

Von Christian Pietscher | 13.04.2016
    Luther-Bibel "Biblia Teutsch" von 1545 im Kloster zum Heiligen Kreuz in Rostock
    Der Reformator Sebastian Franck stieß mit seiner universalistischen Denkweise bei anderen Reformatoren auf wenig Verständnis. Er verabschiedete sich somit von der sich formierenden Großkirche lutherischer Konfession. (picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck)
    "Ich will und mag nicht päpstlich sein:
    Der Glaub ist klein
    bei Mönchen und bei Pfaffen.
    Es wird beim äußerlichen Schein
    ihr Herz nicht rein:
    Sie machen d'Leut zu Affen.
    Der Kirchen Brauch
    nährt ihren Bauch,
    der ist ihr Gott:
    ich merk den Spott;
    will mich da nicht vergaffen."
    Aus der ersten Strophe eines Liedes von Sebastian Franck. Er schrieb es 1530, der Titel: "Von den vier zwieträchtigen Kirchen, deren jede die andere hasst und verdammt."
    Massiv prangert er darin die Missstände in der katholischen Kirche an. Sie setze Äußerlichkeiten und Reichtum über die spirituelle Kraft des Glaubens. Doch es bleibt nicht bei dieser typisch reformatorischen Frontstellung gegen den römischen Katholizismus.
    Spöttisch wendet sich Sebastian Franck gegen alle christlichen Religionsgemeinschaften seiner Zeit:
    "Ich will und mag nicht lutherisch sein:
    Ist Trug und Schein
    sein Freiheit, die er lehret.
    An Gottes Haus sie nur abbricht
    und bauet nicht.
    Das Volk wird mehr verkehret.
    Er lehrt: "Glaub! Glaub!"
    Macht damit taub'
    und werklos Leut.
    Am Tag liegt's heut:
    Kein Besserung man höret."
    In diesem Lied distanziert sich Sebastian Franck mit klaren Worten auch von der lutherischen Bewegung.
    Kirche eine "spirituelle Größe"
    Martin Luthers Sola Fide, die Rechtfertigung des Gottlosen allein aus Glauben, hat Franck zwar nie grundsätzlich in Frage gestellt. Doch die Freiheit, die ein Mensch durch diesen Glauben erlange, müsse auch gute Werke hervorbringen. Dabei orientiert sich Franck an Luthers frühen Schriften, die diesen Zusammenhang noch stark betonen.
    Überhaupt ist festzuhalten: Sebastian Franck ist in seinem Denken stark geprägt von Luthers großen Reformationsschriften aus den 1520er Jahren. Nur radikalisiert er dessen Thesen und spitzt sie auf ungewohnte Weise zu. So lehnt Franck beispielsweise jegliche äußerliche Gestalt oder Verfasstheit der Kirche ab. Sie ist für ihn durch und durch eine spirituelle Größe.
    Franck: "Die Kirche ist ja nicht etwa ein besonderer Haufen und eine mit Fingern zu zeigende Sekte, gebunden an ein Element, eine Zeit, Person und Stätte, sondern ein geistlicher unsichtbarer Leib aller Glieder Christi, aus Gott geboren, und in einem Sinn, Geist und Glauben; die Versammlung und Gemeinde aller recht gottesfrommen und gutherzigen, neuen Menschen in aller Welt, durch den Heiligen Geist in dem Frieden Gottes mit dem Band der Liebe zusammengegürtet, außer der kein Heil, kein Christus, kein Gott, Verstand der Schrift, Heiliger Geist noch Evangelium ist."
    Damit verfehlen auch alle anderen reformatorischen Gruppierungen der damaligen Zeit das eigentliche Ziel, schreibt Franck.
    Universalistische Ansätze
    Zudem gilt er als einer der Pioniere für religiöse Toleranz. Sein Denkansatz: universalistisch - und damit für seine Zeit einzigartig.
    Er macht auch an Religionsgrenzen nicht halt. So versteht er beispielsweise "Türken" – bei ihm eine Metapher für Muslime – als Glaubensbrüder.
    "Mir ist ein Papist, Lutheraner, Zwinglianer, Täufer, ja ein Türke, ein guter Bruder, der mir freundlich begegnet und mich toleriert – obschon wir nicht einerlei gesinnt, aber dennoch gleich sind – bis uns Gott einmal in seiner Schule zusammen hilft und uns eines Sinnes macht."
    Sebastian Franck betont wieder und wieder in seinen Schriften, dass vor Gott alle Menschen gleich seien.
    "Vor Gott gilt kein Ansehen der Person, der Rotten, Sekten, Völker et cetera. Sondern wer unter allen Völkern Gott fürchtet und recht handelt, ist ihm angenehm."
    Damit setzt sich Franck in einen klaren Widerspruch zu den christlichen Kirchen: Christen stehen vor Gott nicht besser da als andere Menschen.
    Er lehnt darum auch kategorisch ab, die eigene Religion oder Konfession gewaltsam zu verteidigen oder durchzusetzen. Wegen Glaubensfragen möchte er sich – wie er es formuliert – "mit niemandem balgen." Kriege und Fehden im Namen der Religion in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bieten ihm reichlich Anschauungsmaterial.
    Überwindung religiöser Vormachtsstellungen
    Jegliche Absolutheitsansprüche, die von Kirchen, Religionen und Machthabern erhoben werden, will Franck mit seinem Ansatz überwinden. Thomas Kaufmann, Professor für Kirchengeschichte in Göttingen:
    "Sebastian Franck geht davon aus, dass Menschen aller Religionen, aller Kulturen im Stande sind, das Göttliche zu erfassen. Und daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass es den Vorrang einer bestimmten Religion oder Konfession nicht geben kann."
    Als Sebastian Franck zu dieser Position findet, ist er bereits 30 Jahre alt.
    Im Jahr 1499 oder 1500 wird Sebastian Franck im schwäbischen Donauwörth geboren. Schon im Alter von 15 Jahren beginnt er an der Universität Ingolstadt zu studieren. Nach einem ersten Abschluss wechselt er zum Theologiestudium an das Dominikanerkolleg Bethlehem in Heidelberg.
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    Francks Geburtsort Donauwörth (dpa/Karmann)
    Zu seinen Mitstudenten gehören unter anderen Johannes Brenz, Martin Bucer und Martin Frecht, die später bedeutende Wortführer der Reformation werden. 1518 werden sie alle zu Zeugen einer wichtigen Etappe der Reformation, der Heidelberger Disputation mit Martin Luther.
    Wie Sebastian Franck diese Begegnung erlebt hat, ist unbekannt. Sicher ist, dass er viele Schriften Luthers bereits in diesen frühen Jahren ausgiebig studiert hat. Offensichtlich beeindruckt von dem reformatorischen Gedankengut wechselt er die Seiten.
    1524 quittiert er seinen Dienst als katholischer Priester im Bistum Augsburg und stellt sich in Nürnberg als lutherischer Prediger zur Verfügung.
    Auf Distanz zu Luther
    Bei einer groß angelegten evangelischen Kirchenvisitation erhält Franck 1528 noch ein gutes Zeugnis. Oppositionelle Ansichten fallen den Prüfern nicht auf. Doch kurz darauf fängt er an, sich von Martin Luther zu distanzieren.
    Denn als der Reformator mit den Fürsten paktiert und es gutheißt, dass Tausende von Bauern und Täufern niedergemetzelt werden, wird Sebastian Franck klar: Der neue Glaube, wie Luther ihn versteht, hat offensichtlich keine Auswirkungen auf das sittliche Verhalten. Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann:
    "Das ist für Sebastian Franck in gewisser Weise das Motiv gewesen, Abschied von der sich formierenden Großkirche lutherischer Konfession zu nehmen."
    Was genau dazu führt, dass Sebastian Franck zwischen 1528 und 1531 sein geistliches Amt aufgibt und zu einem freien Schriftsteller wird, ist nicht bekannt.
    Doch was er fortan veröffentlicht, lässt keinen Zweifel daran, dass dieser unabhängige Denker und Gelehrte auf Distanz geht: Zu allen verfassten Religionsgemeinschaften. Er ignoriert religiöse Empfindlichkeiten, wie sein aufsehenerregendes erstes Hauptwerk bald in aller Deutlichkeit zeigen wird.
    In Nürnberg beginnt Sebastian Franck an diesem Werk zu arbeiten. Als es in handschriftlicher Form vorliegt, kann er es wegen der strengen Zensur noch nicht veröffentlichen. Sonst wäre er in Gefahr, verhaftet zu werden. Also zieht er mit seiner Familie 1530 nach Straßburg. Hier darf er das Buch in den Druck geben und zwar mit dem Titel: "Chronica/Zeytbuch und geschycht bibel".
    "Christen überall und immer Ketzer gewesen"
    Diese sogenannte Geschichtsbibel erregt großes Aufsehen und wird für viele zu einem Stein des Anstoßes. Franck stellt darin die Welt gewissermaßen auf den Kopf.
    Alle Menschen, die von der katholischen Kirche als Ketzer bezeichnet werden, sind in Wirklichkeit die wahren Gläubigen, die wahren Christen. Damit wird der Begriff "Ketzer" für Franck zu einer Auszeichnung.
    Franck: "Es ist königlich, Übles nachgesagt zu bekommen, so du rechtschaffen redest und handelst, besonders von denen, von welchen gelobt zu werden eine Schande ist. Dasselbe bezeugt auch Christus. Darum stehen sie hier mit großen Ehren in diesem Register. Ich hätte sie in der ganzen Chronik nicht besser zusammenfassen und an keinen ehrenvolleren Platz setzen können. Denn Christen sind überall und immer aller Welt Ketzer gewesen."
    Dazu zählen nach Sebastian Franck dann auch Erasmus von Rotterdam, die Reformatoren und die Täufer. Ja, selbst Kirchenväter wie Origenes oder Augustinus führt Franck als Ketzer auf – doch aus Francks Sicht nimmt er sie damit in Schutz, gegen den jeweils herrschenden Katholizismus.
    Kritik am Adel
    Nicht nur die Kirche greift Sebastian Franck in der Geschichtsbibel frontal an. Er legt sich auch mit den weltlichen Mächten an, wirft ihnen Scheinheiligkeit vor und tadelt ihre Verbrechen.
    Der Philosophiehistoriker Siegfried Wollgast:
    "Immer wieder wendet er sich scharf gegen die Fürsten und ihre Räte und Schmeichler, die er unter anderem als Heuchler, Ohrenbläser und Zungendrescher bezeichnet. Der Adel sei aus nichtsnutzigen Kreaturen entstanden, die sich durch Liebedienerei und rohe Kraft emporgeschwungen und Hilfestellung bei allen Schandtaten der Fürsten unentbehrlich gemacht haben. Die Adligen saugen dem armen Mann das Blut aus."
    Die Adligen vergleicht Franck mit einem Adler:
    "Der Fleisch fressende Vogel hasst den Frieden und ist feindselig. Er ist gleichsam geboren, um zu rauben, zu morden und zu streiten – als ob es dem blutgierigen Vogel zu wenig sei, dass er von dem Blut und Fleisch anderer Vögel lebt."
    Widerstand gegen Franck
    Kurz nachdem die Geschichtsbibel gedruckt ist und in Umlauf geht, löst sie heftige Proteste aus. Der Straßburger Stadtrat verbietet den weiteren Druck und konfisziert die vorhandenen Exemplare. Sebastian Franck wird Ende 1531 verhaftet und dann mit seiner Familie aus Straßburg vertrieben. Zwei Jahre lang schlägt er sich im schwäbischen Esslingen als Seifensieder durch.
    Die bereits publizierten Exemplare der Geschichtsbibel rufen nicht nur in Straßburg Proteste hervor. Weit über die Stadtgrenzen hinaus wächst der Widerstand gegen Sebastian Franck.
    Weltliche Machthaber wie Herzog Georg von Sachsen und Kardinalerzbischof Albrecht von Mainz stellen den Besitz und die Verbreitung dieses Buches unter Strafe. Und beißende Kritik kommt auch von den Kirchen.
    In seiner Ketzerchronik kommentiert Sebastian Franck einzelne Theologen und Denker. Breiten Raum nimmt die Auseinandersetzung mit den Schriften Martin Luthers ein.
    Der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann: "Der junge Luther ist für Sebastian Franck eine Referenzgröße. Er liest diesen jungen Luther einseitig und nimmt bei ihm einen Spiritualismus, eine Geistesunmittelbarkeit wahr, die dann von dem auf den papierenen Papst bestehenden späteren Luther nicht mehr vertreten wird."
    In der Reformation wurde der Begriff "papierener Papst" geprägt. Gemeint ist damit die Bibel, wenn sie – wie der Papst – als eine absolute Lehrautorität verstanden wird.
    Nach Franck verkommt nun Luthers theologischer Grundsatz "Sola scriptura" – "allein durch die Schrift" – zu einem Dogma: Als würde die Bibel selbst zu einem Papst.
    Porträt des Reformators Martin Luther, Ölgemälde auf Holz von Lukas Cranach d.Ae., 1528. Das Bild hängt in der Lutherhalle in Wittenberg, dem grössten reformationsgeschichtlichen Museum der Welt.
    Sebastian Franck distanzierte sich immer weiter von Martin Luther (picture-alliance / dpa / Norbert Neetz)
    Sebastian Franck dagegen entwickelt im Laufe der Jahre ein eigenes Schriftverständnis, das mit dem der Reformatoren nicht in Einklang zu bringen ist.
    Reformationsexperte Kaufmann: "Franck ist ein großer Kenner und auch Liebhaber der Heiligen Schrift. Aber er ist nicht bereit, ihr die Rolle – wie er formuliert – eines papierenen Papstes zuzugestehen."
    In seinem späteren philosophischen Werk "Paradoxa" beschreibt Franck sein Schriftverständnis.
    "Das Evangelium ist eine ewig lautere Wunderrede. Die Schrift ist ein verschlossenes Buch mit sieben Siegeln. Der Buchstabe der Schrift, des Antichrists Schwert, tötet Christum. Die Schrift ist ohne das Licht, Leben und Auslegung des Geistes ein toter Buchstabe und eine finstere Laterne."
    "Christus keine Erlöserfigur"
    Nicht nur was das Verständnis der Bibel betrifft, hebt sich Sebastian Franck deutlich von Luther ab. Von außerordentlicher Brisanz ist auch, wie er die Person Jesu deutet – dazu Thomas Kaufmann, Professor für Reformationsgeschichte:
    "Christus ist nach Franck keine Erlöserfigur, sondern Christus ist für Franck ein menschliches Vorbild, eine sittliche Orientierungsfigur – aber nicht, wie es durch das paulinisch formulierte Erbsünden- bzw. Satisfaktionsdogma gelehrt wird, derjenige, dessen Strafleiden für uns Heilswirkung erzielt. Damit bricht er mit einem Hauptstrang der abendländischen Theologie."
    Sebastian Franck hat nie einen systematischen theologischen oder philosophischen Entwurf verfasst. Sein Denken und Schreiben ist eher assoziativ.
    Kaufmann: "Die Einflüsse, die er aufnimmt, sind sehr vielfältig. Er setzt sich permanent mit der Bibel auseinander. Aber er hat auch großes Interesse an humanistischer Literatur italienischer, französischer Provenienz – konfessionelle Ekelschranken, die ansonsten in der mitteleuropäischen Konfessionslandschaft alles bestimmen, sind ihm völlig fremd. Und insofern ist er ein vielfältiger, unruhiger, unabgeschlossener Geist."
    Religionsphilosoph und Mystiker
    Sebastian Franck lässt sich – so das Urteil vieler Forscher – als Religionsphilosoph und als Mystiker beschreiben. Die Mystik geht davon aus, dass sich Gott überall in der Welt manifestiert. Und davon sind auch seine Texte geprägt:
    Franck: "Gott ist: Das Einig-Eine – das höchste Gut – sein allmächtiges wahres lebendiges Wort – Wille – Kunst – Gesetz – Sonne – Sinn – Charakter – Licht – Leben – Bild – das Reiche – das Arme – Geist – Kraft – Hand – Christus – der neue Mensch – des Weibes Samen – neben dem Samen der Schlange – in jedes Menschen Herz drin."
    An anderer Stelle nennt Franck Gott "ein ewig unendlich Ding und Gut ohne jeden Namen" und vergleicht ihn mit einem "unaussprechlichen Seufzer" in der menschlichen Seele:
    "Gott hat in seiner Weisheit, Art und seines Wesens ein Muster, Zunder, eine Spur, ein Licht und ein Bild in des Menschen Herz gelegt, darin sich Gott selbst sieht. Und dieses Bild Gottes und diesen göttlichen Charakter nennt die Schrift manchmal Gottes Wort, Willen, Sohn, Samen, Hand, Licht, Leben, die Wahrheit in uns. So sind wir also Gottes fähig, und etlichermaßen nach diesem Bilde, wir sind göttlicher Art, das ist in der Leuchte oder Laterne unseres Herzens angezündet und der Schatz liegt schon in dem Acker, in den Grund der Seelen gelegt."
    "Fundamentalangriff auf das Verständnis des Christentums"
    Seine Schriften verwirren. Der Widerstand wächst. Sebastian Franck wird 1539 mit seiner Familie aus Ulm ausgewiesen.
    Doch es kommt noch härter: Der sogenannte Schmalkaldische Bund, eine militärisch-politische Vereinigung der Protestanten, verurteilt Sebastian Francks Lehre aufs Schärfste. Thomas Kaufmann.
    Kaufmann: "Die Distanzierung von Sebastian Franck bezog sich darauf, dass vieles dessen, was für die lutherischen Theologen unverbrüchlich war, die äußere Geltung der Heiligen Schrift, also das Schriftprinzip, die Sakramente, die kirchliche Organisationsgestalt, für das spiritualistische Geistchristentum, die Geist-Philosophie Francks keinerlei Bedeutung hatte. Insofern haben sie Sebastian Franck völlig zu Recht als einen Fundamentalangriff auf das Verständnis des Christentums empfunden, das sie selbst repräsentierten."
    Luther lässt an Franck denn auch kein gutes Haar, bezeichnet ihn als "bösen giftigen Buben" und als "Arschhummel". Franck sei durch "allen Kot durchgewandert und an seinem eigenen erstickt."
    Wie viele andere, die von den offiziellen reformatorischen oder katholischen Lehren abgewichen sind, findet Sebastian Franck mit seiner Frau und seinen fünf Kindern Zuflucht in Basel.
    Einfluss auf die Nachwelt
    Immer wieder zieht er seinen Kopf aus der Schlinge und verfasst – unter Pseudonym, um nicht ins Visier der Zensur zu geraten – weitere Schriften. 1542 stirbt Sebastian Franck an der Pest. Obwohl er ein radikaler Einzelgänger war, hatte er großen geistesgeschichtlichen Einfluss auf die Nachwelt.
    Kaufmann: "Er hat keine Anstrengung unternommen, so etwas wie eine Gemeinschaftsform seiner Überzeugungen zu stiften. Aber seine Texte haben gewirkt, sie haben auch im 17. Jahrhundert durchaus stark gewirkt. Auch in den Niederlanden. Von daher sehe ich durchaus Wirkungsimpulse und würde ihn hinein stellen in einen religionskulturellen Transformationsprozess, an dessen Ende neuzeitliche Toleranzvorstellungen stehen."
    Am Ende seines Liedes über die "Vier zerstrittenen Kirchen" kommt Franck zu dem Fazit, man könne sich keiner Religionsgemeinschaft anschließen. Denn alle seien unfähig, die göttliche Wahrheit zu erfassen.
    "Wer nun in Gottes Reich will gohn,
    der flieh davon!
    Nach Christo soll er trachten.
    Er bleibt in Demut und Geduld,
    such Christi Huld,
    lass sich die Welt verachten:
    Ob ihm schon feind
    all Menschen seind,
    die Welt ihm gram
    um Christi Nam'
    sein Kron' wird nicht verschmachten."