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Das elektronische Müllauge

Die Deutschen sind Weltmeister bei der Mülltrennung. Deshalb hat sich auch rund um das Recycling eine eigene Branche entwickelt, die technologisch weltweit führend ist. Zu diesen Firmen zählt auch ein Unternehmen aus Berlin, das sich auf Optik spezialisiert hat.

Von Claudia van Laak | 21.08.2009
    Es ist heiß, laut und es stinkt. Quer durch das Innere einer gigantischen Fabrikhalle ziehen sich Förderbänder. Sie transportieren Joghurtbecher, Tetrapaks, leere Konservendosen, Plastikflaschen - den Verpackungsmüll von vier Millionen Verbrauchern.

    Wurde vor zehn Jahren der Verpackungsmüll weitgehend von Hand sortiert, haben mittlerweile Maschinen den Menschen diese unangenehme Arbeit weitgehend abgenommen. Es ist ein ausgeklügeltes System von Magneten, rotierenden Sieben, Infrarotsensoren und Luftdüsen, das Kronkorken von Milchtüten und Aludosen von Kunststoffflaschen trennt.

    "Diese automatischen Anlagen arbeiten natürlich 24 Stunden rund um die Uhr, was Sie sonst dreischichtig machen müssten. Und die automatischen Systeme arbeiten immer mit der gleichbleibenden Qualität,"

    … sagt Frank Gerstmann, Geschäftsführer des Berliner Unternehmens LLA. Der Messgerätehersteller - Jahresumsatz etwa vier Millionen Euro - verkauft seine Infrarotgeräte weltweit.

    "Wir sind in der Nische richtig präsent, sind überall wahrgenommen und weltweit sind da Anlagen vertrieben. In der Branche kennt man einfach unseren Namen."

    Der neu gebaute Firmensitz von LLA Instruments in Berlin-Adlershof. Hier setzen 24 Mitarbeiter die einzelnen Komponenten der Infrarotmessgeräte zusammen, prüfen sie auf ihre Tauglichkeit. 50 Geräte zum Preis von 50.000 Euro pro Stück verlassen jedes Jahr das Unternehmen. Im Grunde genommen sind wir eine Manufaktur, sagt Vertriebschef Olaf Krenz. Die einzelnen Komponenten der Messgeräte lässt LLA in Deutschland produzieren.

    "Die Serien, die wir auflegen, sind vergleichsweise klein. Da lohnt es sich nicht, ins Ausland zu gehen. Da sind die Transportwege zu lang und auch zu teuer."

    Olaf Krenz steht vor einem fast fertig montierten Messgerät. Später in der Abfallsortieranlage wird es sich etwa 20 Zentimeter über dem Fließband befinden und den Verpackungsmüll mit Infrarotlicht bestrahlen.

    "Das Licht wird auf die Plasteflasche draufgeleitet. Ein Teil des Lichts wird reflektiert, dann durch Glasfaserkabel geleitet, die sind hier oben in diese Probe eingesteckt, und wird dann zu unserem Spektrometer geleitet. In dem Spektrometer wird der Fingerprint, also der Fingerabdruck, analysiert auf charakteristische Absorbtionsbanden."

    Der optische Fingerabdruck zeigt, um welches Material es sich handelt. Verschiedene Kunststoffe werden in Bruchteilen von Sekunden erkannt, selbst wenn der Joghurtbecher zuhause ungespült im gelben Sack gelandet ist. PVC, PET oder PPP – diese verschiedenen Materialien unterscheiden zu können, ist elementar wichtig. Soll der Rest im Anschluss verbrannt werden, muss das PVC vorher entfernt werden, denn beim Verbrennen entstehen krebserregende Dioxine. Und PET muss sortenrein sortiert werden, erläutert LLA-Geschäftsführer Gerstmann.

    "Wenn Sie also PET-Flaschen sortieren und die anschließend recyceln wollen, also klein schreddern und waschen, und wieder ein sauberes PET-Recycling machen wollen, dann müssen Sie davon ausgehen, wenn Sie eine PVC-Flasche in 1000 PET-Flaschen haben, dann ist die ganze Fraktion so entwertet, dass sie keinen sauberen Kunststoff draus machen können."

    Die Kunststoffe sind erkannt, weiter unten am Fließband befinden sind von Computern angesteuerte Luftdüsen, die PET, PVC und anderes in unterschiedliche Richtungen vom Band pusten. Die vom Berliner Messgerätehersteller LLA hergestellten Spektrometer sind auch in anderen Bereichen einsetzbar, zum Beispiel bei der Trennung von Papier und Pappe oder in der Lebensmittelanalytik. Der Jahresumsatz von LLA Instruments hängt direkt mit dem Ölpreis zusammen. Steigt dieser Preis, wachsen die Nachfragen nach Kunststoffen aus recyceltem Material und damit auch die Nachfrage nach den Infrarotmessgeräten. Sinkt der Ölpreis, wird mehr Kunststoff auf Erdölbasis produziert, es sinkt die Nachfrage nach den LLA-Produkten.

    "Im Augenblick sind etliche Investitionen aufgeschoben. Weil jeder Recycler natürlich rechnet, was bekomme ich, wenn ich Müll abnehme, und was für Geld bekomme ich, wenn ich den Müll sortenrein wiederverkaufe. Wenn die Preise natürlich fallen, dann rechnet sich im Moment der Neubau einer Anlage nicht."

    Zurück in der Müllsortierung. Am Ende des Prozesses landet der Abfall in 16 verschiedenen Bunkern. Die vier sortenrein getrennten Kunststoffe sind jetzt kein Müll mehr, sie haben sich in Wertstoffe verwandelt. Die PET-Flaschen haben jetzt einen langen Weg nach China vor sich. Dort werden sie eingeschmolzen, weiterverarbeitet und als Fleecepullover zurück nach Deutschland exportiert.