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Das Ende aller Stürze

Physik. - Was da in der aktuellen Ausgabe der britischen Militärzeitschrift zu lesen ist, erinnert eher an Science Fiction oder einen Aprilscherz: Es gibt keine Schwerkraft mehr. Autos fliegen durch die Luft, Raketen rasen ohne Brennstoff in den Weltraum oder Menschen bewegen sich schwerelos über der Erde. Glaubwürdigkeit verleiht diesen Meldungen, dass auch ein renommiertes Entwicklungslabor des Flugzeugherstellers Boeing an derartigen Technologien arbeitet.

19.08.2002
    Das Ende der Schwerkraft könnte näher gekommen sein, glaubt man den Berichten von Nick Cook vom Medien- und Beraterhaus Jane's in London. Demnach, so der Experte für Schwerkraftphänomene, beschäftige sich zum Beispiel das Forschungslabor Phantom Works des Flugzeugherstellers Boeing in Seattle im Projekt GRASP mit Antischwerkraft: "Anti-Schwerkraft ist eigentlich ein Tabuthema. Zum ersten Mal ist nun zu beobachten, dass einer der größten Flugzeughersteller diese Phänomene ernst nimmt." Die Abkürzung GRASP steht für "Gravitätsforschung für den fortschrittlichen Antrieb von Flugkörpern im Weltraum". Indes interessiert sich nicht nur Boeing für Antischwerkraft, sondern auch die NASA, das US-Verteidigungsministerium und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurden inzwischen hellhörig.

    Auslöser der umtriebigen Recherchen über die mysteriöse Technologie war der russische Physiker Evgeny Podkletnov, der seit Jahren angibt, er habe eine Maschine konstruiert, die kräftige Antischwerkraftimpulse erzeugen könne. Das Gerät bestehe im wesentlichen aus einer schnell rotierenden Scheibe, vermutlich aus Yttrium-Barium-Kupfer-Oxid, wobei Podkletnov allerdings die genaue Rezeptur nicht verrät. Bei tiefen Temperaturen sei der Diskus supraleitend und dann angeblich in der Lage, elektromagnetische Felder in Schwerkraftfelder umzuwandeln - und zwar mit einer Kraft, die dem Tausendfachen der Erdbeschleunigung entspreche. Podkletnov behauptet überdies, es sei ihm gelungen, über einen Kilometer Entfernung hinweg ein Buch zum Umfallen zu bringen. Der britische Physiker Professor Robin Tucker von der Universität Lancaster bezweifelt derartige Erfolge mit Schwerkraftexperimenten: "Er behauptet, einen bedeutenden Schwerkraftpuls detektiert zu haben. Er will dies durch eine extrem schnelle Entladung einer sehr hohen Spannung erreicht haben - innerhalb von Millisekunden, bei den Bedingungen der Supraleitung und mit Verbundmaterialien. Nach unserem gegenwärtigen Kenntnisstand ist solch ein experimenteller Aufbau ungeeignet, um Schwerkraftwellen zu erzeugen, die Materie in der Umgebung bewegen würden, wie behauptet wird." So habe der US-Physiker Clive Woods von der Universität von Iowa das Experiment wiederholt, konnte aber Podkletnovs Behauptungen nicht mit Substanz füllen.

    Auch der Direktor für Raumfahrtprojekte des DLR in Bonn, Klaus Berge, meldet Zweifel an, dass der Russe die Antischwerkraft fest im Griff hat. "Ich glaube, dass er mehr durch Zufall auf diese Dinge gestoßen ist, denn sonst wäre das aufgegriffen und veröffentlicht worden. Und insofern glaube ich nicht, dass er hinter den wirklichen Mechanismus gekommen ist, der dem zugrunde liegen muss." Gerade deswegen will sich der DLR-Manager dafür stark machen, das Thema erstmals auch in Deutschland von der bloßen Spinnerei in den Rang eines Forschungsprojekts zu heben. "Ich glaube durchaus, dass so etwas existiert. Nur wir begreifen es noch nicht. Wir können es noch nicht mathematisch begreifen, wir können es nicht messen. Ich will nicht sagen, dass das Spekulation ist, sondern es sind Phänomene, die weit über unseren mathematischen Horizont hinweggehen", so Klaus Berge. Würde sich Schwerkraft kontrollieren lassen, wäre dies sicher einen Nobelpreis wert. So investierte die US-Raumfahrtbehörde NASA immerhin weit mehr als sechshunderttausend US-Dollar, um das russische Experiment nachzubauen. Erste Ergebnisse werden bereits für September erwartet.

    [Quelle: Klaus Herbst]