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Das Ende der Stille

Ökologie. - Unter Wasser, wo man vielleicht die große Stille vermuten mag, ist es in den letzten Jahrzehnten immer lauter geworden. Ölplattformen und Schiffsverkehr, Bootsrennen oder Kraftwerke sorgen für einen stark gestiegenen Lärmpegel in Ozeanen, Seen und Flüssen. Wiener Zoologen untersuchen jetzt genauer, wie sich die akustische Umweltverschmutzung auf Fische auswirkt.

09.06.2004
    Wasser leitet den Schall viel besser als Luft. Viele Meeresbewohner nutzen diesen Effekt, um sich in den Ozeanen über riesige Distanzen zu verständigen. "Der Nachteil ist aber auch, dass Lärm sehr stark überall präsent sein kann", sagt der Bioakustiker Friedrich Ladich von der Universität Wien. Er untersucht die Auswirkungen von Lärm auf Fische. Denn alle Fische können hören, viele sogar ganz ausgezeichnet, erklärt Ladich: "Sie sind uns in den Hörbereichen, in denen wir Menschen uns verständigen, was die Leistung betrifft, ebenbürtig." Goldfische, Karpfen oder die Schleie sind daher auch von der akustischen Umweltverschmutzung betroffen.

    Fische reagieren auf Lärm ähnlich wie wir: mit Stress, was man anhand von Stresshormonen nachweisen kann, und sie flüchten vor Lärmquellen. Der Unterwasser-Lärm beeinflusst auch die Fortpflanzung, so die Wiener Zoologin Lidia Eva Wysocki, wie neue Arbeiten amerikanischer Forscher belegen: "Sie haben zwei Zahn-Kärpflings-Arten bezüglich Wachstum und Sterblichkeit von Larven untersucht, auch die Schlupfrate aus den Eiern. Dabei wurden verschiedene Gelege aus ruhiger Umgebung und solche aus lauter Umgebung verglichen. Es hat sich gezeigt, dass die Mortalitätsrate in lauter Umgebung höher ist, genauso wie dort die Wachstumsrate und die Überlebensrate der Jungfische geringer ist."

    Auch Fische können mit einer Art Hörsturz, also dem Verlust des Gehörs, auf besonders große Lärmbelastung reagieren. Allerdings regeneriert sich ihr Gehör nach spätestens zwei Wochen wieder - schließlich brauchen sie die akustischen Informationen, um sich unter Wasser orientieren zu können.

    Aus den Untersuchungen von Wysocki und Ladich folgt: In Fischzuchtanstalten oder im Aquarium mit lauten Filtern ist Lärmvermeidung angesagt. Friedrich Ladich: "In der Fischzucht ist sehr viel Technik notwendig, um die Fische auf sehr engem Raum zu halten, was auch sehr hohe Lärmpegel erzeugt. Hier könnte man durch Gegenmaßnahmen einerseits den Fischen entgegenkommen und andererseits die Zuchterfolge erhöhen."

    Als nächstes wollen die Bioakustiker untersuchen, ob der Unterwasserlärm auch die Kommunikation unter Fischen verändert. Soldatenfische, der heimische Gründling oder der Knurrhahn verständigen sich schließlich auch über Laute. Vielleicht rücken die Fische unter Lärm enger zusammen oder verstummen, weil sie sich akustisch nicht durchsetzen. Eine kürzlich veröffentliche Untersuchung hat beispielsweise gezeigt, dass lärmgeplagte Schwertwale die Länge ihrer Rufe erhöhen, um sich trotz lauter Motorboote noch Gehör zu verschaffen.

    [Quelle: Franz Zeller]