Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Das Ende einer Institution

Am Mittwoch wird das Bundeskabinett voraussichtlich dem Wunsch des Verteidigungsminister entsprechen, die allgemeine Wehrpflicht auszusetzen. Die Wehrpflicht war seit Gründung der Bundeswehr das entscheidende Strukturmerkmal für die Bundeswehr, und in den 50er-Jahre vor allem für Sozialdemokraten eine zentrale Forderung in der Wiederbewaffnungsdebatte.

Von Rolf Clement | 14.12.2010
    "Ich bin Luftwaffentransportsoldat. Das heißt, dass ich die Flugzeuge belade und entlade. Die Soldaten - die fliegen ja auch nach Afghanistan - die haben auch Gepäck dabei und das tue ich halt packen, also palettieren und dann ins Flugzeug rein, damit es nach Afghanistan kommt."

    Der Obergefreite Tarek Grimm sitzt auf einem Gabelstapler am Flughafen Köln/Bonn. Er belädt die Flugzeuge, die Versorgungsgüter zu den Truppen nach Afghanistan fliegen. Damit leistet er einen wesentlichen Beitrag zu dem Einsatz.

    Grimm ist Grundwehrdienstleistender. Er und die anderen Wehrdienstleistenden bilden die Säule der Kompanie, die Hauptmann Burghard Bethke befehligt:

    "Circa 50 Prozent meiner Einheit sind Grundwehrdienstleistende. Und daraus rekrutieren sich früher oder später unsere Zeitsoldaten."

    Morgen (15.12.2010) wird das Bundeskabinett beschließen, künftig keine Grundwehrdienstleistenden mehr einzuberufen. Der Bundestag wird sich vermutlich im Januar kommenden Jahres mit dem Gesetzentwurf befassen. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Zum 1. Januar 2011 rücken die letzten aufgrund der Wehrpflicht einberufenen Rekruten in die Kasernen der Bundeswehr ein.

    In der Allgemeinen Grundausbildung, der sogenannten AGA, die alle Wehrdienstleistenden durchlaufen, werden Szenarien aus den Einsätzen eingeübt. Was dazugehört, schildert Jan Hellenthal, der seine Grundausbildung in Gerolstein in der Eifel absolviert hat, so:

    "Da wird man auf ein paar standardmäßige Situationen vorbereitet, Patrouillengänge im Ausland, der Umgang mit der Zivilbevölkerung wird da nachgestellt. Man lernt, wie man Demonstranten begegnet, wie man deeskalierend wirkt, solche Sachen."

    In der Grundausbildung wird auch eingeübt, wie Checkpoints betrieben werden. Die Grundwehrdienstleistenden bewegen sich mit rund 15 Kilo Gepäck, darunter auch ihr Gewehr, schemenhaft durch den Tannenwald bei Gerolstein. Sie sind getarnt, ihre Gesichter sind dunkel geschminkt. Auch wenn bei den aktuellen Einsätzen die Tarnschminke in der Regel im Schrank bleibt - schließlich geht es ja gerade darum, dass die Soldaten gesehen werden. Aber an diesem Tag hatte der Kompaniechef, Hauptmann Vahl, die Gesichtstarnung angeordnet. Er hat für die Übung ein Szenario entworfen, das die Camouflage gebietet.

    "Weil die Bedrohungslage so groß ist, dass wir in einem robusten Mandat sind und dementsprechend jetzt auch auftreten, mit Gesichtstarnung, Helm auf dem Kopf, ABC am Mann."

    Getarnt, unter dem Stahlhelm und mit der Schutzmaske gegen biologische und chemische Kampfstoffe trainieren die Grundwehrdienst-Leistenden, wie sie sich im Einsatz verhalten müssen. Zu seinem Übungsszenario gehört auch eine fiktive lokale Bevölkerung, die den Soldaten alles andere als aufgeschlossen gegenübersteht.

    Auch die lokalen Einwohner werden im Rahmen der Ausbildung von Grundwehrdienstleistenden dargestellt. Das ist so üblich. Nicht nur hier in Gerolstein, sondern generell bei der Einsatzausbildung, so zum Beispiel auch in Hammelburg, dem UN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr. Oder bei der Ausbildung für den Afghanistaneinsatz, den die Panzerbrigade 21 gerade durchläuft. Vor einiger Zeit waren die Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Lehnin bei Potsdam. Und da tummelten sich Soldaten als Bewohner eines Ortes, der in den nächsten Stunden freigekämpft werden soll. Major Alexander Müller-Kramer:

    "Wir stellen hier dar ein Dorfleben über zwei Tage, eine Nacht, um unserer Ausbildungstruppe, der Task-Force Copper, ein Bild für die Vorbereitung des Freikämpfens dieser Ortschaft zu stellen."

    Die Ausbildung ist sehr realitätsnah, darauf legt Major Müller-Kramer wert:

    "Das sind die Kämpfer von Rocco. Rocco ist der Warlord, der hier im Umland mit Sprengfallen, mit Hinterhalten unsere Task-Force Copper angreift. Und der hat sich hier in dieser Ortschaft eingenistet mit seinen Kämpfern. Diese Ortschaft ist aber auch noch durch Zivilbevölkerung bewohnt, die sich in gewisser Weise arrangiert, weil sie hier natürlich aus ihren angestammten Häusern nicht vertrieben werden will und zurzeit so lala neben diesen Kämpfern lebt."

    Grundwehrdienstleistende sind also von großer Bedeutung für die Auslandseinsätze - bei der Ausbildung der Zeit- und Berufssoldaten und bei der Unterstützung der Einsätze von Deutschland aus - auch, wenn sie selbst gar nicht nach Afghanistan, nach Bosnien oder in das Kosovo mitgenommen werden. An diesen Ausbildungsstandorten ist der Begriff "Gammeldienst" deshalb ein Fremdwort.

    Andere Aufgaben, die Grundwehrdienstleistenden übertragen werden, sind weniger herausfordernd. Also etwa Jobs als Ordonnanzen in Offiziersheimen, oder aber in Stäben und an Stellen, die einsatzfern sind. Alle diese Aufgaben müssen künftig, nach dem Ende der Wehrpflicht, von Soldaten erledigt werden, die freiwillig zur Bundeswehr kommen.

    Die allgemeine Wehrpflicht war seit Gründung der Bundeswehr das entscheidende Strukturmerkmal für die Bundeswehr. Sie war vor allem für die damals oppositionellen Sozialdemokraten eine zentrale Forderung in der Wiederbewaffnungsdebatte der 1950er-Jahre. Bundeskanzler Konrad Adenauer gab den jungen Männern damals mit auf den Weg:

    "Schutz unserer Freiheit, Schutz unserer Heimat und Schutz Europas vor dem vordrängenden Sowjetrussland, das Europa haben will."

    Als der Bundestag 1956 über die Wehrpflicht debattierte, führte der Unions-Abgeordnete Fritz Berendsen ein Argument ein, das in der Jahrhunderte-langen Geschichte dieser Wehrform immer eine Rolle spielte:

    "Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erfordert in jedem Fall die Aufstellung herkömmlicher Streitkräfte in einer Stärke von rund 500.000 Mann. Der Schwerpunkt muss beim Heere liegen. Die Aufstellung einer Wehrmacht dieses Umfangs ist auf freiwilliger Basis nicht möglich. Sie kann nur durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht durchgeführt werden."

    Ein weiteres Argument bei der Einführung der Wehrpflicht war: Nur so könne verhindert werden, dass die Bundeswehr zu einem Staat im Staate werde. Die Erfahrungen, die mit der Wehrmacht des Dritten Reiches gemacht wurden, spielten hier eine Rolle. Seit der Französischen Revolution war durch die Wehrpflicht die Verteidigung des eigenen Landes zur Sache aller Bürger geworden. Damals war es ein erkämpftes Recht, dass nicht nur der Adel die Truppen führen durfte. Jetzt, in den 1950er-Jahren, galt es, zu verhindern, dass die Soldaten eine ihnen nicht zustehende Macht im Staate erringen könnten.

    Für die Sozialdemokraten war es nicht einfach, sich nur ein Jahrzehnt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit einer neuen Armee in Deutschland abzufinden. Reinhold Robbe, SPD-Verteidigungspolitiker und langjähriger Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages:

    "Ich stand mit jungen Jahren vor der Frage, ob ich im Verteidigungsfall auf meine Verwandten in der damaligen DDR hätte schießen müssen."

    Diese Frage stellte sich ebenso in der DDR, die bei der Nationalen Volksarmee ebenfalls die Wehrpflicht einführte. Für die Bundeswehr gilt, dass die Dauer der Wehrpflicht immer ein Indiz für die sicherheitspolitische Lage war. Am 1. Januar 1957 wurden die Grundwehrdienstleistenden zunächst für ein Jahr zum Bund gerufen. Nach dem Bau der Berliner Mauer wurde die Dienstzeit innerhalb eines Jahres gleich zweimal verlängert, zunächst auf 15, später auf 18 Monate. Als die sozialliberale Bundesregierung mit den Ostverträgen die Lage in Europa stabilisiert hatte, wurde die Dienstzeit zum 1. Januar 1973 wieder auf 15 Monate verkürzt. Nach dem Ende der Blockkonfrontation mussten junge Männer ab dem 1. Oktober 1990 nur noch 12 Monate "dienen". Fünf Jahre später, als sich die politische Situation in Europa weiter stabilisiert hatte, dauerte der Dienst gerade noch zehn Monate. Und seit dem 1. Januar 2002 wurden die jungen Männer nur noch für neun Monate zu den Waffen gerufen.

    Hinzu kam eine andere Entwicklung: Da die Bundeswehr mehr und mehr in Auslandseinsätze geschickt wurde, musste sie die Tauglichkeitskriterien schärfer beachten - sie brauchte vor allem leistungsfähige junge Männer. Doch deren Zahl nahm rapide ab. Die Jugendlichen trieben immer weniger Sport, verbrachten stattdessen immer mehr Zeit vor dem Computer. Das führte dazu, dass schon 2007 nur noch die Hälfte eines Jahrgangs tauglich gemustert werden konnte. Alle Ausgemusterten waren damit nicht mehr wehrpflichtig, mussten also auch nicht zum Zivildienst.

    Viele empfanden dies als Ungerechtigkeit und Willkür. Das Schlagwort der "gefühlten Wehrungerechtigkeit" machte die Runde. Mehrere Versuche, die Wehrpflicht durch das Bundesverfassungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht auszuhebeln, scheiterten.

    Im letzten Bundestagswahlkampf spielte die Frage der Wehrform lediglich eine untergeordnete Rolle. Einzig die Union warb noch für die allgemeine Wehrpflicht. Die SPD hatte sich hingegen bereits 2007 für das Modell der freiwilligen Wehrpflicht entschieden. Das Prinzip: Solange genügend Freiwillige zu Bundeswehr kommen, wird auf die Einberufung derer verzichtet, die sich nicht freiwillig melden. Reichen die Freiwilligen aber nicht aus, werden die unbesetzten Stellen mit Wehrpflichtigen aufgefüllt.

    Die FDP hatte bereits vor zehn Jahren auf einem Sonderparteitag ihre Abkehr von der Wehrpflicht beschlossen.

    Die Grünen lehnen die Wehrpflicht seit jeher als einen Zwangsdienst ab.

    Als CDU/CSU und FDP im Herbst 2009 ihre neue Koalition aushandelten, musste die Partei, die für den Wehrdienst eintrat, mit der Partei, die sie abschaffen wollte, einen Kompromiss finden: Dieser bestand in einer nochmaligen Verkürzung der Grundwehrdienstzeit. Sie sollte auf nur noch sechs Monate schrumpfen. Eigentlich stieß diese Regelung bei allen auf Kritik: Die Befürworter der Wehrpflicht sagten, in sechs Monaten sei ein sinnvoller Wehrdienst nicht mehr zu gestalten. Die Gegner nahmen dieses Argument auf und meinten, dann sollte man ihn doch gleich ganz abschaffen.

    Noch bevor sich der Bundestag mit dem verkürzten Grundwehrdienst beschäftigen konnte, hielt Verteidigungsminister zu Guttenberg am 26. Mai an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg eine Rede, die heute als der Startschuss für die Reformdiskussion gesehen wird.

    "Die allgemeine Wehrpflicht hat in der Vergangenheit ganz entscheidend zur Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft beigetragen. Ich erwarte, dass bei einer Ausgestaltung, der die Haushaltsfrage noch nicht zugrunde lag, dass dies auch mit dem auf sechs Monate ehrgeizig verkürzten Wehrdienst der Zukunft so bleibt. Wir wollen, dass für jeden Einzelnen die Zeit beim Bund in dieser verdichteten Form zu einem wichtigen staatsbürgerlichen Dienst und damit zu einer einmaligen Lebenserfahrung gestaltet wird. Richtig ist auch, dass diese Diskussion in diesen Tagen noch mal an Schubkraft gewinnen wird, weil plötzlich einige das sehr eng verknüpfen mit der Haushaltsfrage."

    Zuhörer der damaligen Veranstaltung wähnten den Minister nach dieser Formulierung auf der Seite derer, die die Wehrpflicht erhalten wollten. Er habe sich doch gegen die dann ja nur mit finanzpolitischen Argumenten geführte Diskussion um die Wehrpflicht gewandt. Doch wenige Tage später, am 2. Juni, noch bevor der Bundestag über die Verkürzung des Grundwehrdienstes klang das schon anders:

    "Mit den jetzt bekannten Zahlen und nicht aufgrund koalitionsinterner Träumereien wird der Fortbestand der Wehrpflicht von einigen zur Gretchenfrage hochstilisiert werden, die neben der sicherheitspolitischen Ableitung für uns hinsichtlich Regenerationsfähigkeit und Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft jedoch Schlüsselqualität besitzt. Dennoch wird diese Debatte nicht aufzuhalten sein."

    Und neun Tage später, als das Gesetz über den sechsmonatigen Wehrdienst gerade verabschiedet war, meinte der Verteidigungsminister:

    "Dass mit Blick auf das Gesamtpersonalgefüge sich der Grundwehrdienst nicht, jedenfalls nicht mehr in der jetzt vorliegenden Form aufrechterhalten lässt, aber wir nehmen uns Zeit, dies entsprechend ergebnisoffen und mit der künftigen Ausgestaltung auch zu diskutieren, und das in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam mit dem Parlament zu diskutieren."

    So hatte Verteidigungsminister zu Guttenberg zwischen dem 26. Mai und dem 11. Juni, in nur zwei Wochen, eine deutliche Kurskorrektur vorgenommen. Es entstand der Eindruck, zu Guttenberg wolle die Wehrpflicht nur abschaffen, um 400 Millionen Euro pro Jahr zu sparen, ein Betrag, der angesichts der 8,4 Milliarden Euro, die ihm als Sparziel auferlegt wurden, kaum ins Gewicht fällt. Guttenberg hatte diesen Verdacht selbst genährt. In Hamburg an der Führungsakademie sagte er:

    "Der Anspruch 'Cost to design', also den strukturellen Rahmen seitens der Exekutive vorzugeben und anschließend zu finanzieren, wird völlig illusionsfrei durch die Realität des 'Design to cost' bestimmt werden."

    Auch in dieser Frage drehte er Anfang September, als Generalinspekteur Wieker seine Strukturvorschläge vorlegte, bei:

    "Wichtig und entscheidend ist, dass wir - was die künftigen Strukturen der Bundeswehr anbelangt - uns an den sicherheitspolitischen Gegebenheiten ausrichten. Es wird keine Bundeswehr nach Kassenlage künftig geben, sondern eine, die die sicherheitspolitischen und verteidigungspolitischen Herausforderungen bewältigen kann."

    Verteidigungsminister zu Guttenberg musste mit dieser Politik vor allem in der eigenen Partei Überzeugungsarbeit leisten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt lange Zeit vorsichtig dagegen:

    "Ich bekenne mich zur Wehrpflicht. Die Wehrpflicht ist eine wichtige Klammer zwischen Gesellschaft und Streitkräften."

    Aber als der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer seine Aussage, die Wehrpflicht sei ein Grundpfeiler der CSU-Programmatik, in den Hinweis veränderte, die CSU sei die Partei der Zeit- und Berufssoldaten, schwenkte auch die Regierungschefin und CDU-Vorsitzende ein. Die Parteitage der Unionsparteien in diesem Herbst diskutierten das Thema nicht mehr ernsthaft. Die Abschaffung der Wehrpflicht war hier nur noch eine Formalie.

    Nun müssen die jungen Männer, die die Flugzeuge nach Afghanistan beladen, die in der Ausbildung die Zivilbevölkerung darstellen, auf dem freien Markt angeworben werden. Verteidigungsminister zu Guttenberg auf der Bundeswehr-Tagung am 22. November in Dresden:

    "An die Stelle der allgemeinen Wehrpflicht tritt ein neuer freiwilliger Wehrdienst, der jungen Männern und Frauen Gelegenheit gibt, für einen Zeitraum von zwölf bis zu 23 Monaten freiwillig Dienst in den Streitkräften zu leisten."

    Das Gesetz wird so geändert, dass die Pflicht zum Dienst in den Streitkräften aufgehoben wird. Aber die Bestimmung im Grundgesetz bleibt bestehen.

    Sollte es notwendig sein, dann kann mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag die Wehrpflicht wieder aktiviert werden. Allerdings: Beobachter bezweifeln, dass selbst in einer solchen Situation die notwendige Mehrheit für die Wiederbelebung der Wehrpflicht zustande kommt. Vor allem: Der Bundeswehr fehlen dann die Strukturen, um Grundwehrdienstleistende kurzfristig wieder aufzunehmen.

    Trotzdem: Junge Männer im wehrpflichtigen Alter werden auch weiterhin von den Kreiswehrersatzämtern erfasst. Allerdings werden die Musterungen ausgesetzt, wahrscheinlich schon recht bald. Denn bis zum 30. Juni 2011 sollen alle Grundwehrdienstleistenden die Bundeswehr verlassen haben. Das heißt, dass am 1. Januar 2011 die Letzten nicht freiwillig dienenden eingezogen werden.

    Und welche Perspektiven haben diejenigen, die künftig freiwillig Wehrdienst leisten? Deren Aufgaben beschrieb Minister zu Guttenberg am 22. November bei der Bundeswehrtagung in Dresden so:

    "Nach einer Probezeit von sechs Monaten sollen sie einen wesentlichen Beitrag zum Heimatschutz und mit verantwortbarem Ausbildungsstand grundsätzlich, aber noch nicht obligatorisch in den Auslandseinsätzen leisten können, abhängig vom Ausbildungsstand. Wer sich für mehr als zwölf Monate entscheidet, muss mit der Möglichkeit eines Einsatzes im Ausland rechnen, sofern die Ausbildung dies gewährleistet."

    Der Dienst soll attraktiv sein - darüber besteht in der Bundeswehrführung Einigkeit. Was genau das bedeutet, muss sich noch zeigen.

    Fest steht: Wenn der freiwillige Dienst attraktiv sein soll, dann kostet das Geld. Wer sich für maximal 23 Monate an die Bundeswehr bindet, erhält aber - anders als die länger dienenden Zeitsoldaten - kein Gehalt, sondern einen Wehrsold, der durch eine Zulage aufgebessert werden soll. Deren Höhe ist aber noch nicht festgelegt.

    Spekuliert wird auch über die Zahl der Kurzdiener, die die Bundeswehr anwerben will. Generalinspekteur Wieker nannte in seinem September-Bericht die Zahl von rund 7.500, die Strukturkommission des Verteidigungsministeriums im November eine Zahl bis zu 15.000. Es scheint, dass auch Minister zu Guttenberg eher an 15.000 denkt.

    Die Koalitionsrunde am Donnerstag vergangener Woche hat beschlossen, den Umfang der Bundeswehr auf "bis zu 185.000" Soldaten festzulegen. Dabei sind die freiwillig Dienenden mit eingerechnet. Tatsächlich gehen die Planungen also davon aus, dass die Bundeswehr künftig noch 170.000 Zeit- und Berufssoldaten umfassen soll. Heute sind es insgesamt offiziell 190.000, zuzüglich 25.000 länger Wehrdienstleistende und 35.000 Grundwehrdienstleistende.

    Ob das Modell für die Bundeswehr der Zukunft finanziert werden kann, ist völlig offen. Generalinspekteur Wieker hatte im September ausgerechnet, dass bei einer Truppenstärke von 163.500 die Sparvorgabe von 8.4 Milliarden Euro bis 2014 nicht erreicht werden kann. Die aktuelle Planungszahl liegt noch deutlich darüber und die Kosten, die der freiwillige Dienst verursacht, sind auch noch nicht errechnet.

    Die Wehrpflicht wird also formal ausgesetzt. Die eh überschaubaren Einsparungen können aber nur erzielt werden, wenn die Strukturen aufgegeben werden. De facto geht es also eher um eine Abschaffung als um die Aussetzung der Wehrpflicht. Statt der rund 35.000 Grundwehrdienstleistenden pro Jahr sollen bis zu 15.000 Freiwillige angeworben werden, die besser bezahlt und mit attraktiveren Nebenleistungen angelockt werden. Wie das alles aussehen soll, ist noch unklar, da die neuen Etatdaten erst im Frühjahr, wie es heißt, bekannt werden. Die Anwerbung der Neuen muss aber sofort beginnen, denn nach dem 1. Januar 2011 sollen keine weiteren Grundwehrdienstleistenden mehr einberufen werden.