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Das Erbe des Nicolas Sarkozy

Nach der Wahlniederlage Nicolas Sarkozys haben die Konservativen Frankreichs, die Mitglieder der UMP, auch ihre ehemalige Führungsfigur verloren. Nun fällt die Partei in ein tiefes Loch und muss gleichzeitig ihre Position zu den Rechten von Marine Le Pens Front National überprüfen,

Von Ursula Welter | 21.06.2012
    "So kann es nicht weiter gehen, schauen wir der Wahrheit ins Gesicht."
    "Zu viele Einwanderer – da funktioniert unser Integrationsmodell nicht mehr."

    Sätze wie diese hat Nicolas Sarkozy seiner Partei hinterlassen, sie hätten auch von Marine Le Pen sein können.

    "Wir können keine zusätzlichen Einwanderer aufnehmen."

    Die frühere Regierungspartei UMP fragt sich nun, was ihre Werte sind - nach den langen Monaten des harten Wahlkampfes, der Abfolge von Wahlniederlagen auf regionaler und nationaler Ebene.

    "Die Strategie von Grenobel, der Rechtsruck, ist gescheitert", sagt Jean-Pierre Raffarin. Im Sommer 2010 hatte Sarkozy diesen Kurs eingeschlagen, illegale Einwanderung und Kriminalität zum Thema gemacht und dies spektakulär mit der Ausweisung von Roma eingeleitet.

    Eine Allianz mit dem Front National schließt die UMP offiziell aus und hat das auch im Wahlkampf getan – das Fischen im Themenbecken der Rechtsextremen ließ die Grenzen jedoch verschwimmen, in manchem Wahlkreis, wie hier in Lothringen, haben die Wähler am Sonntag kaum noch einen Unterschied gemacht:

    "Ich habe immer UMP gewählt, aber weil die nun geschlagen waren, nach dem ersten Wahlgang, habe ich Front National gewählt", sagt diese Frau. Sind die Wähler, die zum Front National abgewandert sind, bereit, zur UMP, zur bürgerlichen, zur republikanischen Kraft im Land zurückzukehren? Dieser Wähler ist skeptisch:

    "Die UMP mag ja mit Worten so tun, als würden sie die Probleme der Einwanderung, der Ungerechtigkeiten, der Kriminalität sehen, aber das ist heuchlerisch, geschehen ist ja nichts, also habe ich jemanden gewählt, der hier auch den Mut aufbringt, was zu tun, das Maß ist voll."

    Wie umgehen mit den Wählern, die den Druck der Einwanderung verantwortlich machen für Kriminalität und Arbeitslosigkeit, die den populistischen Parolen des Front National auf den Leim gehen? Wie umgehen mit Abgeordneten aus den eigenen Reihen, die, weil sie um ihren Wahlkreis bangen mussten, den FN und seine Politiker öffentlich lobten?
    Wie weit soll das noch gehen mit der Anbiederung?, fragte etwa Francois Baroin, Finanzminister unter Sarkozy. Notfalls werde er sich selbst um den Parteivorsitz bewerben, kandidieren, sollten seine Ideen nicht übernommen werden. Der Parteivorsitz: Im Herbst wird der künftige Chef der UMP gewählt, die Präsidentschaftswahlen 2017 fest im Blick, bringen sich die ersten Schwergewichte der Partei in Stellung.

    "Ich denke wir müssen klarstellen, welches die großen, die fundamentalen Werte der UMP sind", sagt Alain Juppé, Außenminister unter Nicolas Sarkozy, dessen Name für den Parteivorsitz gehandelt wird – neben jenen der Hauptkontrahenten, Jean-Francois Copé, dem bisherigen Parteichef und Francois Fillon, Sarkozys Premierminister. Copé hatte die Strategie des Staatspräsidenten mitgetragen, und zwischen beiden Wahlgängen nicht eindeutig Position bezogen gegen den Front National. Das könnte ihm schlecht bekommen.

    "Die Wähler wollen von Politikern wissen, wofür sie stehen, was sie denken und dann entscheiden sie."

    Nathalie Kosjisku-Morizet , die ebenso selbstbewusste wie charmante frühere Umweltministerin und Kampagnensprecherin von Sarkozy, setzt sich bereits klar ab, vom Gewesenen und Gesagten der Parteispitze:

    "Die UMP muss sich jetzt für die Zukunft aufstellen und sagen, wo sie steht!"

    Die verschiedenen Familien, die Strömungen im UMP-Clan, der sich aus Gaullisten, Liberaldemokraten und zentristischer UDF zusammensetzt, werden nach der Wahlniederlage so sichtbar wie seit Langem nicht mehr. Und gleichzeitig wird die Partei in die Zange genommen: Druck kommt von rechts außen und von der Mitte, denn während die UMP nach ihren Werten sucht, formiert sich im Zentrum eine neue Gruppierung, Abgeordnete um Hervé Morin und den früheren Umweltminister Borloo haben eine Fraktion gebildet, die "Union der unabhängigen Demokraten".

    Der extreme Front National wiederum freut sich über zwei Abgeordnete, die nun im Halbrund des französischen Parlaments Platz nehmen und Marine Le Pen, die Parteichefin, sieht sich bestätigt: Die UMP, so hatte sie schon vor den Wahlen gesagt, sei ein Wahlverein aus Gruppen ohne große Gemeinsamkeiten, und auch deshalb werde die Partei von Nicolas Sarkozy nach den Wahlen implodieren.