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Das Erwachen der Maschinen
Die Herausforderung selbstlernender Roboter

Waren Roboter vor einigen Jahrzehnten noch bloße Science-Fiction, sind sie aus dem Leben heute kaum mehr wegzudenken. Sie entschärfen Bomben, bauen Autos oder fahren diese sogar mittlerweile selbst. Aber zunehmend wird auch an Robotern mit sozialer Kompetenz geforscht, die mit den Menschen in eine komplexe Kommunikation treten können.

Von Ingeborg Breuer | 03.11.2016
    Das Erwachen der Maschinen - Die Herausforderung selbstlernender Roboter
    Die Herausforderung autonomer, selbstlernender Systeme war Thema einer Tagung der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen. (picture-alliance / dpa / Peter Kneffel)
    Ob die Technik zu einem Gegenüber wird, das der Mensch nicht mehr genau kontrollieren kann, ob Roboter zunehmend menschenähnlicher werden, dazu fand am vergangenen Wochenende an der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen eine Tagung statt. Religionswissenschaftler und Neurowissenschaftler beobachteten das "Erwachen der Maschinen" und diskutierten über die Herausforderung autonomer, selbstlernender Systeme.

    Als die Computertechnologie noch in den Kinderschuhe steckte, blühten die sogenannten posthumanistischen Utopien. Die biologische Menschheit, so der Gedanke, habe den Gipfel der Evolution bereits erreicht, und deshalb würden in einigen Jahrzehnten Roboter und künstliche Intelligenzen den Menschen ablösen.
    "Der Posthumanismus ist in den 1980er Jahren entstanden. Das waren vor allem Robotiker und Computerforscher, die die Vision hatten, dass die biologische Menschheit überholt ist, zweitens eine Unsterblichkeit des Menschen im Computer möglich ist."
    Prof. Oliver Krüger, Religionswissenschaftler an der Uni Fribourg in der Schweiz beschrieb in seinem Eröffnungsvortrag auf der Aachener Tagung, wie dies technisch passieren sollte.
    "Einer der ersten Posthumanisten schildert das in seinem Buch so, dass man in einen Operationsaal geschoben wird und das Gehirn wird Scheibchen für Scheibchen gescannt und Molekül für Molekül im Computer wieder aufgebaut. Dann ist das Original tot und das Bewusstsein erwacht neu im Computerspeicher."
    Die Utopie basierte auf der Annahme, dass der Mensch eine informationsverarbeitende Maschine sei. Dann aber könne man ihn von seiner überflüssigen Leiblichkeit befreien, damit er auf der Festplatte unsterblich werde.
    "Und wenn man das so sieht, kann man Mensch und Computer vergleichen und kommt zu dem Schluss, dass Computer die besseren Menschen sind."
    "Diese Vorstellung, dass man seine Intelligenz unverkörpert in eine Datenbasis einscannen kann, das widerspricht allem, was wir wissen über Kognition. Das sind Visionen völlig neben der Spur."
    Der Bochumer Neurowissenschaftler Prof. Gregor Schöner beschäftigt sich damit, wie menschliche Kognition – zum Beispiel Wahrnehmen, Erinnern, Lernen oder Problemlösen – im Nervensystem entsteht. Seine wesentliche Einsicht: Kognition ist "embodied". D.h. der Mensch orientiert sich, lernt und handelt nur als Körper inmitten einer Um-Welt. Es ist also notwendig,
    "Dass das System Sensorik und Motorik hat und eingebettet ist in eine Umwelt, die entsprechend strukturiert ist."
    Mehr und mehr entschlüsseln Forscher, wie der Mensch seine Umwelt versteht und sie sich aneignet. Wie er z.B. beim Fußballspielen das Spielfeld überblickt, dass er berechnet, wohin der Ball rollt, dass er seine Handlung im Spiel plant. Das zunehmende Verständnis der neuronalen Vorgänge im Gehirn eines solchen Fußballspielers ist die Basis dafür, intelligente Maschinen zu entwickeln, die menschliches Handeln nachbilden können.
    "Wir können Stück für Stück sehen, dass Dinge, die wir für sehr fortgeschritten gehalten haben, dass die recht banal gemacht sind. Und wenn man das schafft, dann ist das schon auch denkbar, dass man diese Mechanismen emuliert und das letzten Endes nachbauen kann."
    Aber noch, so Gregor Schöner, sei es für einen Roboter einfach zu schwer, sich menschenähnlich in der Welt zu bewegen. Insofern halte er eine Diskussion über "das Erwachen der Maschinen", so ja das Thema der Tagung, für wenig sinnvoll:
    "Da sind diese spektakulären Spielzeuge, so menschenartige Roboter, da ist man sehr weit davon entfernt, von einem kognitiven Prozess zu sprechen. Also Lernen, Erfahrung sammeln, ein autobiografisches Gedächtnis, das wäre nicht programmierbar. Da müsste ein Roboter die Kita durchlaufen."
    Die Kognitionsforschung entschlüssle vor allen Dingen, welche neuronalen Voraussetzungen menschliches Handeln hat. Und dies könne durchaus zu einer "Demystifizierung" des Menschen führen, wie man an der Diskussion über den freien Willen ja schon gesehen habe.
    "Ich fänd’s viel interessanter, wenn man darüber nachdenkt, was es für unser Menschenbild bedeutet, wenn wir nach und nach verstehen, wie wir als kognitive Maschinchen funktionieren. Wenn man sieht, wie wir handeln, was wir tun, durchaus Gesetzmäßigkeiten unterliegt, die wir mechanistisch verstehen."
    Auch Prof. Helge Ritter, Neuroinformatiker an der Uni Bielefeld, relativierte die Fähigkeiten von Robotern, sich menschlichen Verhaltensweisen anzunähern. Industrieroboter funktionierten ja mittlerweile ganz zuverlässig, aber auf der Ebene der sozialen Kompetenz werde in Roboter "mehr Intelligenz hinein spintisiert", als sie wirklich haben.
    "Da gibt es das Forschungsfeld der sozialen Robotik, dass die Roboter auch für uns Menschen als ein angenehmes Gegenüber fungieren können mit Gesichtsgestik, mit Ausdruck, mit Sprache. Das ist weitgehend Forschungsgegenstand."
    Die Entscheidung von Schicksalsfragen, so Helge Ritter, werde wohl auch weiterhin beim Menschen liegen. Der Gründer des Bielefelder Forschungsinstituts für Kognition und Robotik sieht in der Interaktion zwischen Mensch und Roboter eine andere große Chance.
    "Die positive Vision ist, dass uns die Roboter freistellen von Tätigkeiten, die wir als mühselig, anstrengend, unangenehm empfinden."
    Hat jeder also demnächst seinen Service-Roboter zu Hause? Schicken wir unsere Roboter für uns zur Arbeit, so wie die Aristokratie in früheren Jahrhunderten auch nicht auf die Idee kam, sich die Hände schmutzig zu machen? Warum nicht, meint Helge Ritter zuversichtlich, die Politik müsse dann allerdings mit kreativen Ideen für Verteilungsgerechtigkeit sorgen. Und auch in der Pflege, so der Neuroinformatiker, könnten Roboter in Zukunft gute Dienste leisten:
    "Z.B. bettlägerige Personen können mit Robotern in Verbindung mit virtuellen Realitätsbrillen Fernpräsenz haben, sie können mit ihren Verwandten im Stadtpark spazieren gehen und können dadurch ganz anders teilnehmen am alltäglichen Leben. Und schließlich Roboter in Pflegeheimen werden uns helfen mit der demografischen Entwicklung besser fertig zu werden. Und ich glaube, dass sie Pflegeheime zu einem unterhaltsameren Ort mit weniger gestressten Menschen machen können. Denn das Pflegepersonal wird nach wie vor gebraucht werden, aber es kann sich stärker auf die Aufgaben konzentrieren, die für uns menschengemäßer sind."
    Die gruseligen posthumanistischen Ideen einer Verschmelzung von Mensch und Maschine bleiben also weiterhin Science Fiction. Ob allerdings die Roboter, wie hier so schön ausgemalt, wirklich im Dienst der Menschen stehen werden? Oder ob sie eher dazu dienen, ökonomischer zu wirtschaften, wie der Leiter der Tagung Dr. Georg Souvignier kritisch bemerkte:
    "Wenn ich mir anschaue, wie im Moment die Personalsituation in Pflegeeinrichtungen ist und wie da durch den Kostendruck die Qualität noch weiter eingeschränkt wird, dann fehlt mir im Moment die Zuversicht, wenn man da jetzt Maschinen reinbringt, dass die entlastet werden und das dann zugunsten der Patienten geht. Also, so lange sich an dem Finanzierungsmodell der Pflege nichts ändert, glaube ich nicht, dass hier eine Technisierung irgendjemand was nützt, außer denen, die das finanzieren."