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Das Fernsehen und der Staat

Einflussnahme gab es schon immer. Offen und dreist - oder versteckt und indirekt. Das gehört zum Rollenspiel zwischen Politik und Journalismus. Im Fall Brender geschieht lediglich öffentlich, demonstrativ und im Scheinwerferlicht, was sonst still vollzogen würde.

Von Bernd Gäbler | 26.11.2009
    1. Reden wir über Macht und Einfluss
    Einflussnahme gab es schon immer. Offen und dreist - oder versteckt und indirekt. Das gehört zum Rollenspiel zwischen Politik und Journalismus. Ja, das gehört zu menschlicher Kommunikation. Viele sagen, früher war es viel schlimmer. Da wurden landespolitische Kommentare im Westen wie im Süden vorher zum "Gegenlesen" in die Staatskanzlei gefaxt; da kam der Bayern-Berichterstatter des ZDF direkt vom CSU-Blatt "Bayern-Kurier", da wurden Intendanten und Chefredakteure vor der Berufung von Partei-Granden "ins Gebet" genommen. Wichtig dabei ist allein die Machtfrage. Wer kann was bestimmen? Und da gibt es eine Demarkationslinie: Die Vertreter des Staates dürfen nicht entscheiden, wer über den Staat was oder wie berichtet.

    2. Politik und Journalismus
    Wer aber von Politik und Journalismus als zwei säuberlich getrennten Welten spricht, sitzt einer idealistischen Konstruktion auf. Realistischer ist es, von einem politisch-publizistischen Komplex zur Herstellung von Öffentlichkeit zu sprechen. Beide haben dabei unterschiedliche Funktionen. Im Grundgesetz Artikel 5 ist das geregelt. Die Notierer des Tages, die Journalisten also, beobachten, beschreiben, bewerten die Gesetzesgeber und Regierenden. Sie sind es nicht selber. Das ist es aber auch schon. Sie haben nicht zu gehorchen. Sind sie nur Mikrofonhalter oder willfährige Opportunisten, dann ist das ihnen anzulasten. Presse und Meinungsäußerung sind frei.

    3. "Staatsfern" hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu sein
    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk nun ist weder eine privatwirtschaftliche noch eine staatliche Einrichtung. Er hat - das ist der Schlüsselbegriff aller höchstrichterlichen Rechtsprechung - "staatsfern" zu sein. Für die Demokratie ist das systemrelevant. Aber er ist durch Gesetze geregelt. Parlamente beschließen die Gebühr, die jeder zu entrichten hat. Ohne Politik, ohne den Rückhalt in der Politik gäbe es dieses System nicht. Politisch ist auch die Zusammensetzung der kontrollierenden Gremien. Auch beim ZDF. Ob ein 14-köpfiges Gremium mit 5 amtierenden und ehemaligen Ministerpräsidenten und 12 ausgewiesenen Parteimitgliedern tatsächlich "staatsfern" ist, darf bezweifelt werden. Solange keiner klagt, tagt und entscheidet der ZDF-Verwaltungsrat selbstverständlich legal. Da liegt aber das strukturelle Problem hinter dem Einzelfall Brender. Im Fall Brender geschieht lediglich öffentlich, demonstrativ und im Scheinwerferlicht, was sonst still vollzogen würde. Der kurze Blick hinter die Kulissen zeigt: Die Parteien überschätzen sich.

    4. Doch noch ein Kompromiss - wäre dann alles gut?
    Stellen wir uns einmal den unwahrscheinlichen Fall vor, es gäbe in letzter Sekunde doch noch einen Kompromiss: Brender dürfte noch einmal bis 2012 weitermachen. Was wäre gewonnen, wenn zum Beispiel im Gegenzug die Union eifrig bei der Besetzung des Berliner Büros mitreden dürfte? In der Struktur der Kontrolle liegt die Krux. Klügere und bessere Mechanismen sind denkbar. Unpolitisch wären sie auch nicht. Zum Beispiel könnte es einen kleinen, beweglichen Aufsichtsrat mit Elder Statesmen und - Women geben, die nicht Marionetten ihrer Parteien sind. Es wäre leichter, Sachfragen von Machtfragen zu trennen. Für die journalistische Kultur aber, also die Haltung in den Redaktionen, müssen die Journalisten schon selber sorgen.