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"Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz war ein Kompromiss"

Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz der Bundesregierung hat nach Ansicht von Rolf Peffekoven, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaften in Mainz, sein wichtigstes Ziel bisher nicht erreicht: die Kreditversorgung der Wirtschaft durch die Banken zu sichern .Dennoch sei es ohne Alternative gewesen, um das Vertrauen zwischen den Banken wieder herzustellen. Ebenso werde man auch um einen Rettungsschirm für Unternehmen nicht herumkommen.

Rolf Peffekoven im Gespräch mit Jasper Barenberg | 10.01.2009
    Jasper Barenberg: Vielleicht fangen wir mit dem Problem an. Banken lassen derzeit vor allem große Unternehmen am langen Arm verhungern, wenn sie frisches Geld benötigen. Warum ist das so?

    Rolf Peffekoven: Das hängt damit zusammen, dass auch die Banken in Schwierigkeiten sind, Kredite zu gewährleisten, zu vergeben, denn wir haben seit etwa im September letzten Jahres festzustellen, dass die Liquiditätsversorgung für die Banken erschwert worden ist. Der sogenannte Interbankenhandel ist zusammengebrochen. Banken untereinander geben sich keine Kredite, und das bedingt, dass dann auch die Kreditvergabe an Unternehmen schwieriger wird.

    Barenberg: Der Rettungsschirm für die Banken sollte ja eigentlich helfen, dieses Problem zu lösen, auch dazu beitragen, die Kreditversorgung unter den Banken wieder in Schwung zu bringen. Warum gelingt das bis jetzt nicht?

    Peffekoven: Der Rettungsschirm, der für die Banken ausgespannt worden ist, der wird ja nun zunehmend in Anspruch genommen, der Fall Commerzbank ist ja vielleicht der bisher größte Fall der da zu subsumieren ist. Dabei sieht man aber auch, dass die Banken natürlich, wenn sie diese Zusagen des Bundes - Garantien oder auch direkte Beteiligungen - in Anspruch nehmen, dass das teuer ist, dass das auch Einflussmöglichkeiten des Staates in den Banken gibt, und viele Banken sind daran zunächst einmal nicht interessiert. Im Fall der Commerzbank hat es wohl keinen Ausweg mehr gegeben, weil das Institut in arge Verlegenheit gekommen ist. Es ist sicher richtig: Dieses Gesetz, Finanzmarktstabilisierungsgesetz, hat als wichtigstes Ziel die Kreditversorgung der Wirtschaft zu sichern, und das ist bisher nicht gelungen.

    Barenberg: Mit welchen Folgen denn? Unternehmen brauchen Darlehen, um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, um neue Investitionen zu finanzieren. Wie groß ist die Gefahr, die von dieser sogenannten Kreditklemme ausgeht? Wie sehr verschärft sie den Abwärtstrend?

    Peffekoven: Die verschärft den Abwärtstrend, und das war ja auch der Grund, warum sich der Bund mit doch beachtlichen Mitteln, nämlich in der Summe mit 480 Milliarden Euro Gesamtvolumen, in diesem Geschäft engagiert hat, bisher offenbar nicht mit dem gewünschten Effekt. Und das ist der Grund, warum jetzt versucht wird, über andere Wege zu erreichen, dass die Kreditversorgung der Unternehmer gesichert wird, dass es eben nicht zu der immer wieder befürchteten Kreditklemme kommt. Denn wenn die noch zu den derzeitigen, aktuellen konjunkturellen Problemen hinzukäme, dann würde sich die Lage in der privaten Wirtschaft eher noch verschärfen.

    Barenberg: Lassen Sie uns noch einen Augenblick bei diesem Rettungsschirm für die Banken bleiben. Es sind im Moment, wenn ich das richtig weiß, etwa 15 Institute, die dort Anträge gestellt haben, viele Landesbanken darunter. Aber das Vertrauen zwischen den Banken insgesamt ist offenbar noch nicht wiederhergestellt. Wie kann man das ändern? Es gibt ja Meinungsäußerungen, die Spielregeln zu ändern, etwa von Gerhard Stratthaus, dem ehemaligen Finanzminister von Baden-Württemberg, der an der Spitze dieses Sonderfonds steht. Er selbst fordert Änderungen.

    Peffekoven: Es gibt eine ganze Reihe von Änderungen. Das Hauptproblem ist nach wie vor, dass zwischen den einzelnen Banken keinerlei Vertrauen besteht. Keiner weiß, welche Bank, welcher Konkurrent möglicherweise noch welche Risiken in seiner Bilanz hat, wie sich das ja jetzt auch wieder bei der Commerzbank gezeigt hat. Und Kredit hat was zu tun damit - das Wort kommt ja von credere, vertrauen, glauben -, dass man einem Kreditnehmer auch vertraut. Das ist nicht vorhanden und infolgedessen ist der Interbankenhandel seit Monaten zum Erliegen gekommen. Das ist aber die wichtige Quelle dafür, dass sich Banken Geld verschaffen können, das sie dann den Unternehmern als Kredite weiterreichen können. Und es gibt Versuche, das zu beheben. Zunächst sind die Zentralbanken eingesprungen mit einer sehr starken Liquiditätsausweitung, das hat aber nicht den Erfolg gehabt, denn man kann feststellen, dass das zusätzliche Geld zu einem großen Teil von anderen Banken dann wieder bei der Zentralbank hinterlegt wird auf Konten, die kaum verzinst werden. Man nimmt also lieber die sichere, aber gering verzinste Anlage in der Zentralbank in Anspruch, anstatt höher verzinsliche Darlehen an Konkurrenten zu geben, an andere Banken.

    Barenberg: Wären Sie also dafür, Konstruktionsfehler im ersten Rettungspaket zu korrigieren oder Änderungen vorzunehmen?

    Peffekoven: Das ist nicht so sehr ein Konstruktionsfehler im Finanzmarktstabilisierungsgesetz, sondern das beruht einfach darauf, dass das Vertrauen bisher nicht wieder hergestellt worden ist. Und da wird man sicher noch mit anderen Maßnahmen - vielleicht mit einem Verzinsungsverbot von Einlagen bei der Zentralbank, vielleicht auch damit, dass man sogar Strafzinsen für solche Anlagen bei der Zentralbank erhebt. Das ist in der Diskussion, da wird sicher noch mal nachgebessert werden. Bisher hat man nur den Weg über das Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Das wird genutzt, es sind viele Anträge da, es werden sicher in den nächsten Tagen auch weitere Banken diesen Schirm in Anspruch nehmen. Aber bisher ist der Erfolg noch nicht sichtbar.

    Barenberg: Liegt das möglicherweise auch daran, dass diese faulen Kredite immer noch ein unsicherer Faktor oder eine ungewisse Größe haben?

    Peffekoven: Ja.

    Barenberg: Es gibt ja den Vorschlag, eine sogenannte Bad Bank zu errichten, eine Bank also, die all diese schlechten Wertpapiere aufkauft und damit die Risiken minimiert. Könnte das etwa beitragen dazu, das Vertrauen zwischen den Banken wieder herzustellen?

    Peffekoven: An der Lösung des Problems wird das wenig verändern, wenn Sie die faulen Kredite jetzt aus den einzelnen Bilanzen rausnehmen und die auf eine Spezialbank, die sogenannte Bad Bank, übertragen. Irgendwann müssen die natürlich bereinigt werden. Sie ziehen das dann aus dem einzelnen Institut raus und übertragen es auf eine Gemeinschaftsorganisation. Das löst kein Problem. Genauso wenig wird das Problem in den Griff zu bekommen sein, was immer wieder diskutiert wird, wenn man jetzt damit beginnt, neue Bewertungsregeln, also die faulen Kredite günstiger zu bewerten als das nach den bisherigen Regeln erforderlich ist. Das löst alles die Probleme nicht.

    Ich denke schon, der Weg über das Finanzmarktstabilisierungsgesetz war ein Kompromiss, ist sicher hier auch keine Lösung, die man unbedingt anstreben musste, aber es gab keine Alternative in der Situation, und man kann nur darauf hoffen, dass jetzt mit den Bürgschaften und Garantien das Misstrauen zwischen den Banken auch beseitigt wird und dass die Kreditvergabe wieder in Schwung kommt.

    Barenberg: Prinzip Hoffnung also.

    Peffekoven: Ja.

    Barenberg: Sie haben das Beispiel der Commerzbank angesprochen, wo der Staat jetzt mit einer Sperrminorität eingestiegen ist. Der Erfolg war, dass die Aktie auf ein historisches Tief gefallen ist. Dennoch gibt es ja Menschen, die das als Vorbild sehen, zum Beispiel den geschäftsführenden hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Wir wollen uns mal anhören, was er zu dem Problem gesagt hat:

    "Es wäre eigentlich gut, wenn einige andere, die in der vergleichbaren Lage sind und es nur nicht zugeben, es möglichst schnell genauso machen. Denn dafür war das Gesetz gedacht, dafür gibt es diese Sonderbehörde des Bundes, Sofin. Und ich finde, dass die Commerzbank sich klug verhalten hat in der Frage, und dass hoffentlich jetzt endlich das Eis gebrochen wird, die Garantieangebote des Staates auch zu nutzen. Je schneller das geht, umso sicherer ist, dass nicht Arbeitsplätze am Ende gefährdet werden, weil wir die Kreditkrise nicht rechtzeitig in den Griff bekommen haben."

    Barenberg: Das sagte Roland Koch gestern im Bayrischen Rundfunk. Rechnen Sie jetzt damit, dass weitere Banken folgen werden, dass der Damm gebrochen ist?

    Peffekoven: Ich würde zunächst noch einen Schritt weitergehen und sagen, die Commerzbank hat in der derzeitigen Situation wenig Alternativen gehabt. Sie musste wohl diesen Weg gehen, denn sie hat nicht nur die faulen Kredite in ihrer Bilanz stehen. Sie muss auch damit rechnen, dass es Kredite, die sie vergeben hat, wegen der Konjunkturprobleme noch möglicherweise abgeschrieben werden müssen, weil es ja zur Insolvenzen erfahrungsgemäß in einer solchen Situation kommt. Und die Commerzbank hatte sich ja noch die Belastung aus der Fusion mit der Dresdner Bank - das sind auch gut fünf Milliarden Euro - verschafft. Da war gar kein anderer Weg möglich und ich gehe auch davon aus, dass jetzt einige Institute diesem Beispiel folgen werden und den Finanzmarktstabilisierungsfond in Anspruch nehmen werden.

    Barenberg: Werfen wir noch einen Blick auf das zweite Paket, den zweiten Rettungsschirm, nämlich den für die Unternehmen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sehen Sie das angesichts des mangelnden Vertrauens zwischen den Banken zumindest für eine Übergangszeit für die richtige Entscheidung.

    Peffekoven: Ob sie richtig ist, das ist eine andere Frage. Es wird sicher diese Forderung kommen, mit dieser Forderung war in dem Augenblick zu rechnen, als sich der Bund bereiterklärt hat, den in Schwierigkeiten geratenen Banken zu helfen, da war damit zu rechnen, dass nun auch Unternehmen, die - teils in Folge, teils aber auch wegen der schlechteren Konjunktur - in Schwierigkeiten geraten, mit ähnlichen Forderungen aufkommen werden. Es geht auch in diesem Fall darum, Vertrauen zu schaffen und damit den Unternehmern bessere Kreditmöglichkeiten zu geben. Es wird im Einzelnen außerordentlich schwer sein, festzustellen, ob ein einzelnes Unternehmen durch eigenes Verschulden - und dann sollte der Bund eigentlich nicht einspringen - oder ob es aufgrund der sich andeutenden Kreditklemme in Schwierigkeiten kommt. Das auseinanderzuhalten wird sehr schwer sein, aber ich denke, man wird auch um dieses Programm letzten Endes nicht herumkommen. Der Bund ist seit Monaten immer in der Situation, Lösungen zu finden, die für sich gesehen alle von Übel sind, und er muss jeweils sehen, wo ist das kleinere Übel. Das hat er mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, wie ich denke, zufriedenstellend gelöst. Er wird jetzt sicher den zweiten Schritt auch tun.