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Das Gedächtnis der Honigbiene

Zu kognitiven Leistungen, zum Lernen von Abstraktem, zum symbolhaften Kommunizieren, zur Entwicklung eines Langzeitgedächtnisses fähig seien nur große Gehirne wie die der Säugetiere, der Primaten und natürlich des Menschen, meinten die Wissenschaftler bis vor wenigen Jahren. Eine Theorie, die Studien an der Honigbiene widerlegen könnten. Bei seiner Grundlagenforschung an Bienen deckte der Berliner Neurobiologe Randolf Menzel beispielsweise Grundzüge der Gedächtnisbildung auf.

Von Suzanne Krause | 30.09.2009
    Die Honigbiene gilt heute keineswegs mehr als eine Art instinktgetriebener Reflexmaschine. Sie trifft Entscheidungen, baut Erwartungen auf und lernt Regeln, die sie in unterschiedlichen Situationen anwendet. Dabei ist ihr Gehirn gerade mal so groß wie eine Stecknadel und verfügt über knapp eine Million Neurone; das menschliche Gehirn hat über 100 Milliarden. Allerdings besitzt das Bienengehirn eine Besonderheit: gewisse Neurone, die sich als "Individuum" ausmachen lassen. Undenkbar beim menschlichen Gehirn, wo es einfach zu viele Neurone von derselben Art, derselben Klasse gibt, erläutert Randolf Menzel von der FU Berlin:

    "Zum Beispiel haben wir ein Neuron gefunden, das ist hinreichend in seiner Aktivität für die Belohnung beim Lernen. Wenn dieses Neuron aktiv ist, kurz nachdem das Tier vorher einen Duft wahrgenommen hat, dann wird der Duft gelernt. Das Neuron tut das. Und natürlich muss man vorsichtig sein, es gibt auch andere Neurone, die das auch noch mit tun, aber ein einzelnes Neuron, dessen Verschaltung wir genau kennen und dessen Gestalt wir genau kennen und dessen Individualität wir genau kennen, das reicht aus für das gesamte Verhalten von dem ganzen Tier."

    Menzel meint, es gäbe bei der Hausbiene weitere "individuelle" Neurone, die je für ein ganz bestimmtes Verhalten zuständig seien. Für ihn verbirgt sich ein Prinzip dahinter:

    "Und dieses Prinzip wollen wir eben zusätzlich immer mehr aufklären, indem wir immer mehr dem Gehirn sozusagen reinschauen."

    Die Untersuchungsmethoden sind, trotz der Winzigkeit des Studienobjekts, eher klassisch. Da messen Elektroden die Hirnströme, da werden bildgebende Verfahren eingesetzt, die Hirne unters Mikroskop gelegt. Oder auch anatomische Studien durchgeführt, um die Verschaltungen zwischen den Neuronen dreidimensional darzustellen.

    "Und diese Gestalten, die man da im Gehirn findet, denen wollen wir Funktionen zuordnen und dazu macht man das. Man schaut sich an, welches Verhalten auftritt, welches man zurückführen kann auf bestimmte solche neuronalen Funktionen. Und das ist sicherlich erst ein Anfang, den wir da gemacht haben."

    Das Team um Menzel hat Bienen ins Hirn geschaut, als diese lernten, einen Duft zu erkennen. Und hat - eine Weltpremiere - mit bildgebenden Verfahren die Gedächtnisspuren dieses Vorgangs räumlich und zeitlich dargestellt. In Ausschnitten, räumt der Neurobiologe ein, denn es ist bislang nicht möglich, die gesamten neuronalen Aktivitäten gleichzeitig zu erfassen. Dennoch bietet dies die Grundlage, ein Konzept, ein Modell zu erstellen. Das eventuell auch dabei hilft, der Gedächtnisbildung beim Menschen auf die Spur zu kommen:

    "Wir haben zum Beispiel die Kombinatorik in der Gedächtnisspur, die Vielfältigkeit, die Zahl der multiplen Repräsentationen für solche Gedächtnisspuren, das haben wir beim Bienengehirn in einer gewissen Weise - vorläufig und vorsichtig müssen wir uns da ausdrücken -, aber doch in gewisser Weise schon ganz schön zeigen können, und das wird sehr spannend, wie man das auf andere Gehirne übertragen kann."