Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Das Gewissen der Nation

Romane wie "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" oder "Ansichten eines Clowns" machten Heinrich Böll zu einem der bekanntesten Autoren der Nachkriegszeit. Der Literatur-Nobelpreisträger, der auch als Gewissen der Nation galt, wäre dieses Jahr 90 Jahre alt geworden. Anlässlich seines Geburtstags erscheinen Originalaufnahmen Bölls von 1952 bis 1985 auf CD.

Von Walter van Rossum | 23.12.2007
    "Der Weg hierher war ein weiter Weg für mich, der ich wie viele Millionen aus dem Krieg heimkehrte und nicht viel mehr besaß, als die Hände in der Tasche, unterschieden von den anderen nur durch die Leidenschaft, schreiben und wieder schreiben zu wollen. Das Schreiben hat mich hierher gebracht. Gestatten Sie mir, die Tatsache, dass ich hier stehe für nicht ganz so wahr zu halten, wenn ich zurückblicke auf den jungen Mann, der nach langer Vertreibung und langem Umhergetriebensein in eine vertriebene Heimat zurückkehrte; nicht nur dem Tod, auch der Todessehnsucht entronnen; befreit; überlebend."

    Heinrich Böll in seiner Dankesrede für den Nobelpreis 1972 in Stockholm.

    "Diese siebenundzwanzig Jahre waren ein langer Marsch, nicht nur für den Autor, auch für den Staatsbürger, durch einen dichten Wald von Zeigefingern, die aus der vertrackten Dimension der Eigentlichkeit stammten, innerhalb derer verlorene Kriege zu eigentlich gewonnenen werden. Gar mancher Finger war scharf geladen und hatte seinen Druckpunkt an und in sich selbst. Ich bin weder ein Eigentlicher, noch."

    Noch als Gymnasiast begann Böll zu schreiben, ohne Anleitung, ohne Vorbilder, allerdings im sicheren Abstand zur gerade gültigen nationalen Poesie. Von Anfang an betrachtete er die Literatur als ein Medium der Sinnstiftung, der Orientierung und daran hat er sein Leben lang festgehalten.

    "Es trifft zu und ist leicht gesagt, Sprache sei Material, und es materialisiere sich, wenn man schreibt, etwas. Wie aber könnte man erklären, dass da - was gelegentlich festgestellt wird - etwas wie Leben entsteht, Personen, Schicksale, Handlungen, dass da Verkörperung stattfindet auf etwas so Totenblassem wie Papier, wo sich die Vorstellungskraft des Autors mit der des Lesers auf eine bisher unerklärte Weise verbindet."

    Doch vielleicht bestanden Heinrich Bölls erste bedeutende literarische Handlungen nicht in den Texten, die er in der elterlichen Küche verfasste, sondern in der Sprachverweigerung.

    Nach dem Abitur, nach dem Arbeitsdienst, konnte er gerade noch ein Semester studieren, bevor er 1939 für sechs lange Jahre zur Wehrmacht eingezogen wurde. Die Literatur, die Böll sechs Jahre lang verfasste, bestand in Hunderten von Briefen von der Front im Westen oder der Front im Osten, aus verschiedenen Lazaretten, aus irgendwelchen Kasernen in Russland, Frankreich: Briefe vor allem an Annemarie Cech, die er 1942 während eines kurzen Heimaturlaubs heiratete, Briefe als Rauchzeichen seines Lebens, adressierte Schrift als Überlebensmittel.

    Gewiss keine Literatur im artistischen Sinne, aber Brot doch. Und wahrscheinlich befähigte ihn dieses harte Brot der frühen Jahre zu jener Größe, die zu einem Platz im spärlich bestückten deutschen Heldenkatalog berechtigte: Sechs Jahre lang verzichtete Böll auf jeglichen Karrieresprung, obwohl ihm als Abiturient die Offizierslaufbahn offen stand.

    Unmittelbar nach dem Krieg schrieb Heinrich Böll Erzählungen und Prosa, die keiner lesen wollte. Er schrieb wie kaum ein anderer vom Krieg, vom Bombenterror von den Verbrechen der Wehrmacht und der planmäßigen Vernichtung ganzer Völker - dreißig Jahre bevor solche Themen in der deutsche Literatur wieder salonfähig wurden. Doch gerade für Salons wollte er nicht schreiben. Er bekannte sich zu den Ruinen:

    "Es war Krieg gewesen, sechs Jahre lang. Wir kehrten heim aus diesem Krieg, wir fanden Trümmer und schrieben darüber. Merkwürdig, fast verdächtig war nur der vorwurfsvolle, fast gekränkte Ton, mit dem man sich dieser Bezeichnungen bediente: Man schien uns zwar nicht verantwortlich zu machen dafür, dass Krieg gewesen, dass alles in Trümmern lag, nur nahm man uns offenbar übel, dass wir es gesehen hatten und sahen, aber wir hatten keine Binde vor den Augen und sahen es. Ein gutes Auge gehört zum Handwerkszeug des Schriftstellers."

    So erklärte Böll Anfang der fünfziger Jahre, zugleich eines der frühesten Tonaufnahmen des Schriftstellers während der später legendären Mittwochgespräche aus dem Wartesaal des Kölner Hauptbahnhofs. Mitte der sechziger Jahre sagte er in den Frankfurter Poetik-Vorlesungen:

    "Unsere Literatur hat keine Orte. Die ungeheure, oft mühselige Anstrengung der Nachkriegsliteratur hat ja darin bestanden, Orte und Nachbarschaften wiederzufinden. Man hat das noch nicht begriffen, was es bedeutete, im Jahr 1945 auch nur eine halbe Seite deutscher Prosa zu schreiben."

    Böll wollte deutsche Prosa schreiben: Prosa, die Rechenschaft ablegte von einem unbewohnbaren Land und die Bewohnbarkeit mit Sprache herstellen.

    Mit diesem Text gewann Böll 1951 den Preis der Gruppe 47, eine Art literarischer Klub, der zwanzig Jahre lang für die Nachkriegsliteratur maßgeblich war. Doch die Entscheidung fiel denkbar knapp aus und viele Kollegen murrten. Man gab Böll zu verstehen: So ganz ernst könne man ihn nicht nehmen. Das war wegweisend und blieb es bis zum Schluss. Böll gehörte nie ganz dazu, auch später noch, als er der berühmteste Autor des Landes war und der erste Literaturnobelpreisträger der Bundesrepublik.

    Man hat ihn mit einiger Herablassung oft einen Autor der kleinen Leute genannt. Böll pflegte darin eine Kompliment zu entdecken und fragte sich, ob er denn "bisher nur bei kleinen Leuten Größe gefunden haben" sollte?

    Viele seiner frühen Erzählungen, ersten Prosabände und Romane wie Wanderer kommst du nach Spa oder Der Zug war pünktlich handeln auch von Bölls Schwierigkeiten mit dem Katholizismus. Allerdings ging es Böll weniger um den Lieben Gott als um seine irdische Verwaltung, es ging ihm um die:

    "Die Konfessionen, behaupte ich, haben bis heute nicht begriffen, was ein Mensch ist. Und die Theologie bestimmt nicht."

    Mit der Kunstreligion hatte Böll nichts im Sinne und in seinen Texten finden sich jede Menge Invektiven gegen solche elitären Andachten. Man erinnere sich der kostbaren Satire "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen", wo einem gewissen Professor Bur-Malottke die Kunst und "jenes höhere Wesen, das wir verehren" so tückisch durcheinander geraten, was ja vielleicht auch damit zu tun hat, dass Professor Bur-Malottke vor 1945 noch ganz andere höhere Wesen verehrt hatte.

    In der großen Erzählung Entfernung von der Truppe aus dem Jahre 1964 erhebt Böll die Kategorie "dienstuntauglich" zum humanen Programm und er meint dabei nicht nur die Desertion des Soldaten, sondern auch den Austritt des Schriftstellers aus der Kirche der Kunst. 1963 steht ein heruntergekommener Clown im Mittelpunkt des Romans Ansichten eines Clowns. Sein von Gewissensbissen geplagter Vater bietet ihm an, ihm teure Stunden bei einem international renommierten Pantomimen zu finanzieren. Der Clown lehnt ab und wird Straßenmusiker. Er erklärt: "Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke."

    "Was mich an diesen Jours fixes bei meiner Mutter aufregte, war die Harmlosigkeit der zurückgekehrten Emigranten. Sie waren so gerührt von all der Reue und den laut hinausposaunten Bekenntnissen zur Demokratie, dass es dauernd zu Verbrüderungen und Umarmungen kam. Sie begriffen nicht, dass das Geheimnis des Schrecken im Detail liegt. Große Sachen zu bereuen ist ja kinderleicht: Politische Irrtümer, Ehebruch, Mord, Antisemitismus. Aber wer verzeiht einem die Details?"

    Um die Kunst des Details, die Kollekte der Augenblicke windet sich das, was man Bölls Poetik nennen könnte.

    "Ein emeritierter Professor von der Universität Köln hat mir einmal erzählt, wie er von einem Tag auf den anderen von seinen Kollegen nicht mehr gegrüßt wurde, nämlich vom 30. Januar auf den 31. Januar. Dieses Detail - hinter dem verbergen sich Hunderte von Problemen, Fakten auch - würde mir genügen, einen Roman darüber zu schreiben. Von einem solchen Detail ausgehend, kannst du die ganze Zeitgeschichte aufrollen."

    Für Böll handelt die Literatur von der elementaren Art, wie Menschen sich realisieren und in diesem Sinne war sie ihm heilig. Aus dem gleichen Grund lag ihm alle Kunstreligion fern und mancher aus der Zunft nahm ihm das übel. Man ließ ihn spüren, dass er ein ewiger Autodidakt sei, verdienstvoll gewiss, aber doch eher auf moralischem Gebiet und in Angelegenheiten der Weltverbesserung.

    Böll geriet in die Mühlen jenes furchtbaren Dualismus, der die literarische Debatte der letzten 50 Jahre beherrscht und überschattet hat: Einerseits die sogenannte engagierte Literatur, andererseits die ästhetische oder experimentelle Literatur, hier erzählende Weltverbesserer, dort wortversonnene Dichter.

    "Kein Autor kann vorgegebene oder vorgeschobene Teilungen und Urteile übernehmen, und es erscheint mir als beinahe selbstmörderisch, wenn wir immer noch und immer wieder die Teilung in engagierte Literatur und die andere überhaupt diskutieren. Nicht nur, dass man, gerade, wenn man das eine zu sein glaubt, für das andere eintreten muss bis zum Äußersten, nein wir übernehmen gerade mit dieser gefälschten Alternative ein bürgerliches Teilungsprinzip, das uns entfremdet."
    Bölls Literatur war allein insofern engagiert, als er darin ein elementares Lebensmittel sah, etwas Verbindliches und Verbindendes.

    "Um eine Vorstellung vom Leben zu haben, die kann die Wissenschaft nicht vermitteln. Die Auskunft über das ganze Leben kann nur die Literatur geben. Deshalb kann ich die Alternative Wissenschaft oder Literatur nicht akzeptieren. Wir wissen zuviel und wir wissen gar nichts, wenn wir bloß die Fakten sammeln."

    Anders gesagt: Uns fehlen die Worte. Liebe, Leben, Tod, Heimat, Wahrheit lassen sich im Wörterbuch, in Enzyklopädien nachschlagen, aber was wissen wir dann? Wie jeder ahnt, kann man mit Hilfe von Wörtern und Begriffen allenfalls bestimmte Gegenstände erfassen und gegebenenfalls innerhalb bestimmter Regeln klassifizieren, doch das Reale selbst entgeht uns, wir selbst entgehen uns. Und so gesehen verliert das so genannte Reale beim Anhauch seiner Betrachtung seine täuschende Stabilität und beginnt magisch zu leuchten - wie etwa in dem Roman Gruppenbild mit Dame, der 1972 erschien.

    "Weibliche Trägerin der Handlung in der ersten Abteilung ist eine Frau von achtundvierzig Jahren, Deutsche; sie ist 1,71 Meter groß, wiegt 68,8 kg in Hauskleidung, liegt also nur etwa 300-400 Gramm unter dem Idealgewicht; sie hat zwischen Dunkelblau und Schwarz changierende Augen, leicht ergrautes, sehr dichtes blondes Haar, das lose herabhängt; glatt, helmartig umgibt es ihren Kopf. Die Frau heißt Leni Pfeiffer, ist eine geborene Gruyten, sie hat zweiunddreißig Jahre lang, mit Unterbrechungen versteht sich, jenem merkwürdigen Prozess unterlegen, den man den Arbeitsprozess nennt: fünf Jahre lang als ungelernte Hilfskraft im Büro ihres Vaters, siebenundzwanzig Jahre als ungelernte Gärtnereiarbeiterin.

    Da sie ein erhebliches immobiles Vermögen, ein solides Mietshaus in der Neustadt, das heute gut und gerne vierhunderttausend Mark Werte wäre, unter inflationistischen Umständen leichtfertig weggegeben hat, ist sie ziemlich mittellos, seitdem sie ihre Arbeit, unbegründet und ohne krank oder alt genug zu sein, aufgegeben hat. Da sie im Jahre 1941 einmal drei Tage lang mit einem Berufsunteroffizier der deutschen Wehrmacht verheiratet war, bezieht sie eine Kriegerwitwenrente, deren Aufbesserung durch eine Sozialrente noch aussteht. Man kann wohl sagen, dass es Leni Pfeiffer - nicht nur in finanzieller Hinsicht - dreckig geht, besonders seit ihr geliebter Sohn im Gefängnis sitzt."

    So lernen wir sie kennen: die sonderbare Dame im Zentrum eines tiefgestaffelten Gruppenbildes. So frontal, so überblickshaft, so fasslich werden wir ihr nicht mehr wieder begegnen. Auf den nächsten vierhundert Seiten wird uns ein Verfasser, der sich stets abgekürzt als "Verf." ins Gruppenbild einzeichnet, mit Einzelheiten ihres Lebens in Form von Zeugenaussagen und Rechercheergebnissen beliefern und so entsteht nach und nach um die Gestalt der Leni Pfeiffer, herum ein verblüffendes Panorama Deutschlands im 20. Jahrhundert.

    "Das Hauptproblem bei dieser Dame, dieser Frau und auch bei einigen Nebenfiguren war, die gesamte abendländische Ikonografie zu vermeiden. Sowohl im Negativen wie im Positiven. Deshalb wollte ich auch kein Idealbild schaffen, keine negative Heldin, überhaupt keine Heldin. Ich finde, dass auch der negative Held inzwischen schon ein großer Held geworden ist. Ich sage das, obwohl ich bestimmt einiges zur Entwicklung des negativen Helden beigetragen habe. Auch das ist schon wieder eine etablierte Figur, deren Ikonografie man wieder zerstören muss. Diese Frau ist einfach da."

    Eines von Lenis Betriebsgeheimnissen besteht von Anfang an darin, dass sie die Kataster des Realen schlicht und einfach ignoriert. Aus Gründen, die wir nicht kennen, schenkt Leni den Imperativen des Realismus kein Gehör.

    Ihr Leben findet irgendwie außerhalb der riesigen Zweck-Mittel-Maschine der Welt statt. Tief in ihr findet eine eigensinnige Evidenz statt. Mehr kann man beim besten Willen nicht über die Gründe ihrer Handlungen sagen. Und so erklärt sich vielleicht ihr Hang zum Unwahrscheinlichen und auch Sorglosen. Etwa wenn sie sich in einen sowjetischen Zwangsarbeiter verliebt. Mit Boris zusammen flicht sie Kränze in einer Kölner Friedhofsgärtner für die endlos vielen Toten in jenen letzten beiden Kriegsjahren. In einer aufgelassenen Grabkammer, dem sogenannten "Sowjetparadies in den Grüften" zeugen die beiden während der vielen Bombenangriffe auch einen Sohn. Auf diese Sorte Liebe stand immerhin die Todesstrafe.

    "Ich fürchte aber, dass der größte Teil unsrer Zeitgenossen allem widerstandslos gegenüber stehen. Wir denken bei Widerstand immer an Diktatur und totalitäre Systeme, den Widerstand in der Demokratie haben wir noch nicht entdeckt."

    Aber niemand wird sagen dürfen, in diesem Land hätte es keinen überragenden Lehrmeister in Sachen zivilen Widerstands gegeben, eben ihn: Heinrich Böll. Böll war seit Ende der fünfziger Jahre einer der bekanntesten deutschen Schriftsteller und er wurde zunehmend zum Repräsentanten eines "anderen" Deutschlands. Ob es um Wiederbewaffnung, Altnazis, Ostpolitik, Kardinalssottisen oder Kommunistenhatz ging: Böll hat Stellung bezogen. Böll sah zwar die Notwendigkeit eines kritischen staatsbürgerlichen Engagements und die Verantwortung des Intellektuellen und warnte doch vor einer Überschätzung dieser Rolle:

    "Man hat also den geradezu lebensgefährlichen Begriff des ’Gewissens der Nation’ kreiert, ohne zu bedenken, dass das Gewissen einer Nation zunächst ihr Parlament ist, das wichtigste, Legislative und Exekutive sind das eigentliche Gewissen der Nation. Dann kommt hinzu die öffentliche Meinung, das heißt die Zeitungen, Medien aller Art und innerhalb dieses selbstverständlichen Zusammenspiels spielen natürlich die Intellektuellen eine wichtige Rolle, auch eine notwendige Rolle. Jetzt aber die Rolle des Wächters, der Wahrheit, es Gewissens der Nation oder wie dieser ganze Unsinn heißt auf die alleine zu verweisen, das heißt, eigentlich die Öffentlichkeit in den Zustand der Gewissenlosigkeit zu versetzen."

    Und schier unvermeidbar befällt einen die Sehnsucht nach dieser Stimme, die so prägnant der Welt keine erhabenen Wahrheiten zuteil werden ließ, sondern ihr bloß ihre Unwahrheiten zu spüren gab.

    "Ein allerletztes Wort an eine Menschengruppe, die möglicherweise - ich will nicht sagen: wahrscheinlich - unter uns ist, an die Agents Povocateurs: Bitte, eine naive Sache solche Leute zu bitten, ich blamiere mich gerne in dieser Form der Naivität, wenn Sie vorhanden sind, wir alle hier oben und die Organisatoren erklären uns bereit, wenn Sie diskret zu uns kommen, Ihnen den Verdienstausfall zu ersetzen."

    Doch Böll geriet Anfang der siebziger Jahre selbst in das Fahndungsraster. Auf dem Höhepunkt der Terroristenhysterie hatte er sich erlaubt, an die Rechtsstaatlichkeit zu erinnern und die Unverhältnismäßigkeiten zu kritisieren.

    "Lesen Sie mal die Protokolle der Bundestagsdebatten über innere Sicherheit seitdem die Baader-Meinhoff-Problematik hier besteht. Schuldig laut Opposition waren immer die Intellektuellen. Wenn Sie dann einmal wörtlich nachlesen was 1972,1973,1974 in den Routinedebatten über innere Sicherheit gesagt worden ist, dann sehen Sie, dass die Rolle des Wächters, des Gewissens der Nation, gleichzeitig die Rolle des Sündebocks ist und diese Schizophrenie kann keine gesellschaftliche Gruppe tragen."

    Bis an sein Lebensende litt er schwer an diesen schizophrenen Zumutungen. Heinrich Böll starb am Morgen des 16. Juli 1985 in seinem Haus in Langenbroich bei Köln. Er wurde 67 Jahre alt.

    "Weil wir so vieles und so oft überlebt haben, bleibt eine gewisse Hoffnung."

    Heinrich Böll: Hörwerke. Originalaufnahmen 1952 bis 1985
    25 Audio-CDs, der Hörverlag, 2007