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Das göttliche Kind - Teil 1: Krishna
Butterdieb und Dämonentöter

Auch Götter haben klein angefangen. Viele Religionen feiern die Geburt eines besonderen Kindes, nicht nur das Christentum. Im Hinduismus wird dem kleinen Krishna gehuldigt. Der spielte Streiche, klaute Milch und legte sich schon früh mit bösen Geistern an.

Von Mechthild Klein | 20.12.2017
    Kinder verkleidet als Krishna während des Janmastami-Festes in Kalkutta
    Kinder verkleidet als Krishna während des Janmastami-Festes in Kalkutta (imago stock&people)
    Musik zum Geburtstag des kleinen Krishna. Hindus in aller Welt feiern im August/September seinen Geburtstag. Auch im Berliner Shri Ganesh-Tempel. Dort hängt neben der Krishna-Statue eine Schaukel. An seinem Geburtstag wird dort eine Figur des kleinen Krishna hingestellt und geschaukelt.
    "Krishna ist eine Inkarnation von Vishnu", sagt Hanumaiah Viadyanathan, Generalsekretär des Shri Ganesh Tempels in Berlin.
    "Er kommt ja ursprünglich von einer Bauernfamilie, die Milchbauern waren. Deshalb gibt es auch viele sehr interessanten Geschichten über Krishna, wie er Milch geklaut hat oder Butter und so. Und er war auch der Gruppenführer im Dorf, wo er geboren wurde."
    Die meisten Hindus kennen die Geschichten über die Streiche Krishnas als Kind. Zu seinem Geburtstag verkleiden sich Kinder tradionell wie Krishna. Sie malen sich blau an, denn Krishna hatte eine dunkle Hautfarbe. Er gilt als Verkörperung des Gottes Vishnu, der sich immer dann auf der Erde inkarniert, wenn die Schöpfung bedroht ist. Die Geschichte wird vielfach in den heiligen Schriften der Hindus geschildert, sagt die Berliner Indologin Liane Wobbe.
    Ein Kind göttlichen Ursprungs
    "Wie es eben im Bhagavata Purana heißt, dass Vishnu sich zwei Haare ausgerissen hat, ein schwarzes und ein weißes und diese Haare nun in die Prinzessi Devaki eingegangen sind, sind so Zeichen der Göttlichkeit des Kindes. Sie verweisen darauf, das Kind ist nicht menschlich gezeugt, es ist ein göttliches Kind, es hat einen göttlichen Ursprung."
    Vishnu inkarniert sich als Retter, weil die Erde unter der Last der schlechten Taten unterzugehen droht. Die Menschen folgen nicht mehr der göttlichen Ordnung und die Dämonen übernehmen immer mehr die Macht.
    Poster und bedruckte Stoffe am Rande des Janmashtami Festes in Nepal
    Poster und bedruckte Stoffe am Rande des Janmashtami Festes in Nepal (imago stock&people)
    Als Mutter hat sich Gott Vishnu Prinzessin Devaki ausgesucht, die untadelige Schwester des Dämonenkönigs Kamsa. Kamsa wird prophezeit, dass das achte Kind seiner Schwester ihn vom Thron stoßen und töten wird. Er sperrt daraufhin seine Schwester Devaki und ihren Mann Vasudeva in den Kerker ein. Jedes Neugeborene, das Devaki zur Welt bringt, tötet der Dämonenkönig. Als Krishna geboren wird, geschieht jedoch ein Wunder, heißt es im Bhagavata Purana. Das Buch kündigt detailreich die heilsbringenden Zeit an.
    Das Erscheinen des Herrn
    Als nun die glückverheißende Zeit für das Erscheinen des Herrn gekommen war, durchdrangen alle Eigenschaften der Tugend, Schönheit und des Friedens das gesamte Universum. (...) Die Flüsse strömten mit klarem Wasser dahin, und die mit Lilien und Lotosblumen übersäten Seen und die großen Gewässer waren außerordentlich schön. In den Bäumen und grünen Pflanzen, die voller Blüten und Blätter waren und die die Augen erfreuten, begannen Vögel wie Kuckucke den Halbgöttern zuliebe mit lieblichen Stimmen zu singen, und Bienenschwärme summten. (...) [Himmlische Wesen wie die] Kinnaras und Gandharvas sangen glückverheißende Lieder [andere Halbgötter begannen vor Jubel zu tanzen]. (Srimad Bhagavatam, 10.3, Übrs. Sw. Prabhupada, zitiert in Paul Schwarzenau, Das göttliche Kind. Der Mythos vom Neubeginn, S. 19f)
    Als Krishna geboren wird, streuen die Götter Blumen vom Himmel. Sanftes Donnern erklingt in der tiefen Dunkelheit der Nacht.
    Hierauf betrachtete Vasudeva das neugeborene Kind, das wundervolle, lotosgleiche Augen hatte und in seinen vier Händen die vier [göttlichen] Waffen Muschel, Rad, Keule und Lotos trug. (...) Das Kind war in gelbe Gewänder gekleidet, sein Körper war schwärzlich wie eine dichte Wolke, es besaß langes, wallendes Haar, und sein Helm und seine Ohrringe glitzerten ungewöhnlich (...) Als Vasudeva seinen außergewöhnlichen Sohn sah, weiteten sich seine Augen vor Erstaunen.
    Obwohl im Gefängnis, jubelt der Vater Vasudeva, denn er erkennt, dass dieses Kind Krishna göttlicher Natur ist. Auf Bitten seiner Eltern nimmt Krishna menschliche Gestalt an. Ein weiteres Wunder geschieht und die Gefängniswachen fallen in einen tiefen Schlaf, die Gefängnistore öffnen sich, sodass Vasudeva mit dem Kind Krishna entkommen kann ...
    "... und flieht mit dem Kind über den Yamuna-Strom in ein Hirtendorf. Und er wird auch hier beschützt. Die Wunder sind ja allgegenwärtig, es ist ja das göttliche Kind. Eine Schlange folgt ihnen mit mehreren Köpfen und beschützt dieses Kind und so kann Vasudeva unbeschadet zu Yashoda in das Haus einer Kuhhirtin gelangen."
    Streiche und Schabernack
    Krishna lebt unerkannt bei den Kuhhirten weiter. Er macht Streiche und stellt alles auf den Kopf.
    "Er klaut die Butter seiner Mutter und nascht sie oder verfüttert die Butter an den Affen. Also wie ein kleines Kind verhält er sich. Aber im Anschluss an seine Streiche werden seine Eltern immer wieder mit seiner Göttlichkeit konfrontiert."
    Als der kleine Krishna mal eine Handvoll Erde isst, stürzen andere Hirtinnen zu Krishnas Pflegemutter.
    "Dann geht Yashoda zu ihrem Sohn und hält ihm den Mund auf. Und dann sieht sie aber das ganze Universum. Wie sich in seinem Mund das ganze Universum offenbart. Das ist für sie wieder ein Zeichen, dass bei ihr ein göttliches Kind aufwächst."
    Verkleidetes Kind beim Janmastami-Fest, "eine Beziehung, die auf Chanten, auf Freude und hingebungsvoller Liebe basiert".  
    Verkleidetes Kind beim Janmastami-Fest, "eine Beziehung, die auf Chanten, auf Freude und hingebungsvoller Liebe basiert". (imago stock&people)
    Eine andere Geschichte erzählt wie Krishna gegen den mächtigen Schlangendämon Kaliya kämpft. Der Schlangendämon wohnt in einem Seitenarm des Flusses Yamuna. Von seinem Gift ist die ganze Gegend verseucht. Kühe und Kinder, die von dem Wasser des Flusses trinken, sterben. Krishna belebt die Toten wieder. Dann stürzt er sich auf die Schlange mit den vielen Häuptern. Die Kuhhirten bangen um ihren Freund und Beschützer. Doch schließlich springt Krishna auf die Schlangenhauben und beginnt einen wilden Tanz. Am Ende muss sich der Schlangendämon geschlagen geben. Weil Kaliyas Frauen Krishna sofort verehren, begnadigt der kleine Held den Schlangendämon und verbannt ihn in den Ozean.
    Persönliche Beziehung statt rituelle Opfer
    Krishna bringt den Hirten auch eine neue Religionsform. Als Inkarnation Vishnus lehnt er den alten vedischen Opferkult ab und bringt den Himmelsgott Indra um sein religiöses Erbe. Stattdessen führt Krishna die Hirten zur Bhakti, zur Liebe zu dem persönlichen Gott Vishnu. Indra aber, der Wettergott ist erzürnt und bestraft das Hirtenvolk mit einem schweren Unwetter. Krishna beschützt sie und hebt den Berg Govardhana an. So schirmt er die Hirten von den Wasserfluten ab, die Indra geschickt hat. Im Grunde zeichnet sich die Botschaft hinter den bestandenen Abenteuern schon ab: Die Hirten sollen Krishna als Verkörperung Vishnus verehren, sagt die Religionswissenschaftlerin Liane Wobbe.
    "Der Hauptfokus ist eigentlich die hingebungsvolle Liebe zu Krishna. Eine persönliche Beziehung. Nicht das rituelle Opferwesen, nicht die gewohnheitsmäßige Einhaltung der Dharma-Pflichten, sondern es kommt eine persönliche Beziehung, eine enthusiastische Beziehung, die auf Chanten, auf Singen, auf Freude und hingebungsvoller Liebe basiert."
    Die Abenteuer von Krishna als Kind sind bis heute beliebt. Man kann sie in Comics verfolgen, in TV- und Kinofilmen oder im Internet. Wie Jesus wird Krishna an seinem Geburtstag in Gestalt eines Kindes verehrt. In ihm spiegelt sich das Göttliche, selbst wenn er spielt. Später als Jugendlicher besiegt Krishna den Dämonenkönig Kamsa, als er in die Stadt zurückkehrt.
    In den Geschichten über Krishna finden sich Motive wieder, die auch bei anderen göttlichen Kindern wie Buddha oder Jesus auftauchen: Die Prophezeiung über seine glorreiche Zukunft, die wunderbare Zeugung und Geburt. Auch Jesus wird wie Krishna von einem bösen König beziehungsweise Dämon bedroht. Krishna und Jesus überraschen durch ihre körperlichen Kräfte oder ihre Allwissenheit. Schon als Kinder herrschen sie über Leben und Tod. Göttliche Kinder durchlaufen eben keine Entwicklungsstufen. Von Anfang an vereinigen sie Weisheit und Härte in ihrer kindlichen Gestalt. Ein Paradoxon, das nur göttliche Kinder aushalten.