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Das göttliche Kind, Teil 2
Baby Buddha - erleuchtet von Anfang an

Bei seiner Geburt bereitete er seiner Mutter keine Schmerzen, schon als Säugling konnte er laufen und sprechen, in der Schule übertrumpft er die Lehrer mit seiner Weisheit. Buddha ist der Star unter den göttlichen Kindern.

Von Mechthild Klein | 21.12.2017
    Denkmal vom sitzenden Buddha mit seinen Juengern im Tempel Karma Kagyo Monastery im Heiligen Garten von Lumbini - dem Geburtsort von Siddhartha Gautama, den wir unter der Bezeichnung Buddha kennen.
    Denkmal vom sitzenden Buddha mit seinen Jüngern im Tempel Karma Kagyo Monastery im Heiligen Garten von Lumbini - dem Geburtsort von Siddhartha Gautama, den wir unter der Bezeichnung Buddha kennen. (imago / Kai Horstmann)
    Buddhas Geburtstag wird überall auf der Welt gefeiert. Gläubige gehen in den Tempel, können ein Öl-Licht anzünden. Sie hören dann zum Beispiel wie diese Mönche in Singapur heilige Texte rezitieren. Das Vesakh-Fest heißt in jedem Land anders und es wird im Mai/Juni gefeiert.
    Die Gläubigen erinnern sich beim Vesakh-Fest nicht nur an die Geburt des Buddha, sondern vor allem an sein Erwachen sowie seinen Tod und sein endgültiges Eingehen ins Nirvana. In Japan und Korea ziehen lange Prozessionen durch die Straßen, dort wie auch in Sri Lanka bieten Buddhisten Tee oder kostenlose Mahlzeiten an - es ist ein großes Volksfest.
    Zu Lebzeiten Buddhas im 4. vorchristlichen Jahrhundert und auch kurz nach seinem Tod war man nur an seinen Lehrreden interessiert, nicht an seinem Leben. Dazu Michael Zimmermann vom Institut für Buddhismuskunde:
    "Es gab wohl in den ersten Jahrhunderten keine durchgängige Biographie, sondern das waren eher so Überlieferungsfetzen. Als Historiker muss man sagen, aus der Jugend, aus der Kindheit, aus der Geburtszeit des Buddha weiß man historisch überhaupt nichts."
    Warten auf Wiedergeburt
    Nach und nach schmückten die Erzähler Buddhas Herkunft und seine Geburt immer mehr aus. Aus dem Provinzfürstensohn Siddharta Gautama wurde ein Königssohn, ja ein Weltenherrscher. Wie bei allen göttlichen Kindern wurde sogar die Zeugung immer mehr zu einem übernatürlichen Ereignis. Der Buddha selbst wartet aufgrund seiner vielen guten Taten bereits im obersten Götterhimmel, im Tushita-Himmel, auf seine Wiedergeburt als Mensch. Sogar die Götter Indra und Brahma erinnern den Buddha daran, dass es nun an der Zeit wäre, sich zu inkarnieren.
    "Es zeigt ganz deutlich die von Buddhisten angenommene Überlegenheit des Buddhismus, ja, dass selbst die Götter diese Dinger eigentlich nicht selbst stemmen können und dann auf den Buddha zugehen im Himmel und dann zu sagen, jetzt ist es aber an der Zeit, dich zu inkarnieren."
    Touristen beobachten eine Buddha-Statue am Kotoku-in Tempel in Kamakura, Präfektur Kanagawa im Osten Japans. Die 11,5m hohe Bronze Statue wurde im Jahr 1252 konstruiert und ist die zweitgrößte Buddha Statue in Japan nach dem großen Buddha in Nara.
    Touristen beobachten eine Buddha-Statue am Kotoku-in Tempel in Kamakura (picture alliance / dpa / Toru Kawata)
    "Wenn der zukünftige Buddha in den Mutterleib hinabgestiegen ist, umstellen ihn vier Göttersöhne zum Schutz nach den vier Himmelrichtungen: Dass nur nicht diesen zukünftigen Buddha oder dieses zukünftigen Buddha Mutter ein Mensch oder Nichtmensch oder sonst irgendwer schädige!" Lalitavistara, zitiert aus Paul Schwarzenau, Das göttliche Kind, S. 40)
    Explizit wird im Lalitavistara gesagt, dass Maya keusch lebte. Das Ereignis der Herabkunft Buddhas aus dem Tushita-Himmel wird von einem gewaltigen Glanz begleitet, welcher die 10.000 Weltensysteme erleuchtet bis in finsterste Höllen hinab. Alle Wesen verspüren Glück und Frieden. Sogar Krankheiten verschwinden.
    Der weiße Elefant - Zeugung und Geburt
    Schon auf den ältesten indischen Reliefs aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert findet sich die übernatürliche Empfängnis in Stein gemeißelt: Buddhas Mutter Maya liegt auf ihrem Lager und träumt, dass ein geschmückter weißer Elefant in ihre rechte Seite eingeht.
    Der weiße Elefant steht für den Buddha, er gilt aber auch als Statussymbol eines weltlichen Herrschers.
    Alle späteren Texte sprechen von einer übernatürlichen Zeugung. Der zukünftige Buddha wohnt im Leib der Maya in einem Juwelenpalast.
    "Dieser Palast oder goldene Käfig in der Gebärmutter von Maya hat vor allem zwei Gründe: Zum einen zeigt es, dass das doch eher als schmutzig empfundene Innenleben des menschlichen Körpers keine Berührung hatte mit dem Buddha-Kind, mit dem Buddha-Embryo. Das andere ist auch, dass der Buddha als Baby Maya auch keine Schmerzen zufügen konnte. Das wäre als eines Bodhisattvas, eines Buddhas nicht angemessen, dass er durch Strampeln oder Bewegungen der Mutter Schmerzen zufügen konnte, deshalb ist er im Palast doch, auch wenn es ein goldener Juwelenpalast ist, besser aufgehoben als in einer natürlichen Gebärmutter."
    Sogar die Geburt ist ein wunderbarer Akt. Königin Maya verweilt im Lumbini Park, als Buddha geboren wird.
    "Da streckte die Königin Maya ihren rechten Arm aus, so schnell, daß es schien, als wenn ein Blitz die Luft durchzuckte und ergriff den Zweig und stand, den Blick gen Himmel gerichtet und sich anmutig dehnend da. (…) Und als die zehn Monate voll waren, trat der Bodhisattva, der schon im Mutterleibe mit solchen Fähigkeiten zu Wundern ausgestattet war, zur rechten Seite seiner Mutter heraus. Er war bei vollem Bewusstsein und nicht mit dem Schmutz des Mutterleibes behaftet."
    Buddhistischer Geltungsanspruch
    Die hinduistischen Götter verneigen sich vor dem frisch geborenen Buddha, der der Welt bald die erlösende Lehre verkünden wird.
    "Manchmal sind die anderen Götter, die ihn waschen, manchmal ist es ein warmer Wasserstrahl und ein kalter Wasserstrahl, der vom Himmel kommt und ihn reinigt. Und auch hier sehen sie ganz deutlich die Übergeordnetheit des Buddhismus in der Legendenproduktion der Buddhisten."
    So wird die Geburt des zukünftigen Buddha als Wendepunkt der Zeit geschildert. Glückverheißende Sternkonstellationen bilden sich am Firmament. Ein Erdbeben und ein heller, wohltuender Glanz durchfährt alle Welten. Alle Götter und himmlischen Wesen sind außer sich vor Freunde über die Geburt, himmlische Musik ertönt.
    Der Buddha kommt auf die Welt, ohne seiner Mutter Schmerzen zuzufügen. Er tritt durch Mayas rechte Seite aus - eine Art buddhistischer Kaiserschnitt, ohne Leiden zu verursachen.
    "Auf jeden Fall wieder eine saubere Geburt, die eben nicht vaginal erfolgt. Zum anderen gibt es auch die Annahme in Indien, zumindest in der damaligen Zeit, dass der Austritt aus der Gebärmutter auf dem normalen Weg sehr viel Schmerz beinhaltet. Für beide Seiten, für das Baby durch den Druck und auch für die Mutter, was dem Buddha unangemessen ist. Zudem nahm man an, dass durch den Druck, der auf das Baby ausgeübt wird, die Erinnerung an frühere Geburten ausgelöscht wird. Und das ist beim Buddha nicht der Fall. Wie wir wissen, konnte der sich sehr wohl ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder an alle seine Vorgeburten erinnern."
    Sagt der Indologe Michael Zimmermann. Nach buddhistischer Auffassung erlangt man die Kenntnis über alle seine früheren Geburten, wenn man eine bestimmte Meditationsstufe erreicht hat.
    Universalherrscher mit 32 Zeichen
    Ähnlich wie das Krishna-Baby kann auch der Buddha gleich nach der Geburt laufen und sprechen. Er sagt:
    "Vorzüglichster bin ich in dieser Welt! Erster bin ich dieser Welt! Höchster bin ich dieser Welt! Dieses ist die letzte Geburt! Nicht gibt es mehr ein Wiederdasein!"
    Gemäß der Überlieferung stirbt Buddhas Mutter sieben Tage nach der Geburt. Es scheint undenkbar, dass Maya nach ihrem Sohn, dem zukünftigen Buddha, noch andere Kinder haben könnte.
    Wenn göttliche Kinder auf die Welt kommen, tauchen gerne Angehörige anderer Religionen auf, die das Kind verehren wollen. Beim Buddha kommt dem Asketen Asita diese Rolle zu. Er sah die himmlischen Wunderzeichen und wie die Göttersöhne freudig tanzten und hörte immer wieder den Namen Buddha. Mittels seiner magischen Kräfte erfährt er, dass ein Kind geboren ist, das mit den 32 Zeichen der Größe eines Weltherrschers versehen ist. Auf Rishi-Art fliegt Asita zu dem König, um den kleinen Buddha zu segnen. Dann fängt er an zu weinen. Er prophezeit, dass er die befreiende Lehre nicht mehr erleben werde, dass der kleine Prinz einmal ein Buddha werden würde, ein Lehrer der Götter und Menschen.
    Buddha auf einem weißen Elefanten. Statue im buddhistischen Vạn Hạnh Zen Tempel in Vietnam.
    Buddha auf einem weißen Elefanten. Statue im buddhistischen Vạn Hạnh Zen Tempel in Vietnam. (imago / Leemage)
    "Die 32 Merkmale, die sie am Buddha-Säugling feststellen, ermöglicht es, dass dieser Säugling entweder ein weltlicher Herrscher werden würde oder ein Universalherrscher, ein chakravartin, der den gesamten Kontinent beherrschen wird. Oder parallel wird er ein spiritueller Herrscher werden. Der Vater des Buddha hofft natürlich stark, dass er seine Nachfolge antreten wird."
    Kein Kindheitskult
    Wurden am Anfang der Buddha-Vita nur die übermenschlichen Fähigkeiten Buddhas herausgestellt, dass er aus eigener Kraft das rettende Wissen zur Erlösung erlangt, so wird der Buddha nach und nach selbst zu einem göttlichen Wesen, der schon immer erleuchtet war und nur zum Schein und aus Liebe zu den Menschen, alle Gegebenheiten auf der Welt mitmacht, um der Konvention zu genügen. Buddhas erster Schulbesuch ist ein Beispiel dafür. In einer riesigen Prozession wird er zur Schule geleitet und spricht zu seinem Lehrer:
    "Welche Schrift, Meister, willst du mich lehren? Die Brahmi, die Kharoshti, die Pushkarasari (…)?" Nachdem der kleine Buddha die verschiedenen Schriften aufzählte, fragte er: "Welche von diesen 64 Schriften also willst du mich lehren, Meister?" Da staunte Vishvamitra, der Lehrer des Jungen und sprach: "Es ist erstaunlich, wie sich das reine Wesen hier auf Erden dem Brauch der Welt anpaßt. Obwohl es alle Lehrbücher bereits studiert hat, ist es doch in die Schule gekommen!" (Zitiert nach Waldschmidt in Volker Zotz: Buddha.)
    Eines aber sucht man in der Buddha-Vita vergeblich: dass der kleine Prinz Gewalt anwendet oder andere verletzt.
    "Das kann der Buddha natürlich nicht machen: Gewalt gehört nicht zu seinem Standardrepertoire."
    Es gibt beim kleinen Buddha keine moralische Entwicklung, keine negativen Elemente, nichts Unausgereiftes. Vielleicht ist das der Grund, warum es nie einen ausgeprägten Kindheitskult im Buddhismus gegeben hat. Die Religion ist vollkommen konzentriert auf das Erwachen und die Verkündigung der Lehre. Anders als die krishnaitische Tradition, die sehr verspielt ist, denkt man im Buddhismus mehr an die Welt als unheilsamen Ort, als Kreislauf der Wiedergeburt. Und da will man raus. Vielleicht bieten christlichen Traditionen dem Jesuskind mehr Platz für diese Ebene. Denn dort begegnet man einem sehr menschlichen Jesus, der auch Emotionen zeigt und wütend wird.