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"Das Instrument ist richtig"

Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend hat generell das politische Instrument der Subventionen verteidigt. Vor dem Hintergrund der angekündigten Schließung des Nokia-Werkes in Bochum warf der Politiker dem Mobilfunk-Konzern jedoch unseriöses Verhalten vor. Das Modell der Subventionen für Beschäftigungsgarantien müsse ein Geschäft auf Gegenseitigkeit sein, betonte Wend.

Moderation: Dirk Müller | 16.01.2008
    Dirk Müller: Die Gewinne sind hoch bei Nokia und sie sollen wohl noch höher werden. So soll demnächst dazu das Werk in Deutschland geschlossen werden. Insgesamt stehen dann vermutlich mehr als 4.000 Menschen auf der Straße. Bei uns am Telefon ist nun Rainer Wend, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag!

    Rainer Wend: Schönen guten Tag!

    Müller: Herr Wend, hat Nokia alle ausgetrickst?

    Wend: Da liegt nicht zum ersten Mal der Verdacht nahe, dass große Unternehmen sich staatliche Hilfen holen, die ja von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufgebracht werden müssen, dass die mit Zusagen verknüpft werden, die dann anschließend nicht eingehalten werden. Ich denke nur an das Unternehmen BenQ, ja ebenfalls in der Handy-Sparte tätig gewesen, bei dem Vergleichbares geschehen ist, und ich kann den Ministerpräsidenten Rüttgers, auch wenn er der konkurrierenden Partei angehört, nur dabei unterstützen, dass er alle Optionen prüft, inwieweit die damals gezahlten Subventionen zurückzufordern sind, falls es tatsächlich zu diesem dramatischen Stellenabbau kommt.

    Müller: Um da noch mal nachzufragen, Herr Wend. Wenn ich Sie richtig verstanden habe kann man sagen, die Politik ist ausgetrickst worden?

    Wend: Ja, ich glaube. Noch mal: Die Bewertung liegt nahe. Es ist natürlich wenige Stunden nach dieser Entscheidung schwierig, dazu abschließend etwas zu sagen. Aber wenn in einem so erheblichen Umfang Steuergelder zur Verfügung gestellt werden, dann geschieht das natürlich im Hinblick darauf, dass Arbeitsplätze erhalten werden. Und wenn wir die Konzernbilanz von Nokia sehen mit glänzenden Gewinnen, dann ist es einfach schlichtweg nicht akzeptabel, wenn über 2000 Arbeitsplätze einfach mal mit ein so paar Worten, die an Kälte kaum zu überbieten sind, was man von den Managern von Nokia gehört hat, so dramatische Entscheidungen für Menschen trifft. Da hängen Familien dran, da hängt ja eine ganze Gegend im Ruhrgebiet dran und ich glaube da müssen wir uns fragen, ob wir nicht in Zukunft verbindlicher solche Auflagen noch festlegen können. Ich hoffe, dass das möglich ist. Das ist nicht immer ganz einfach. Nokia muss wissen: Sie werden irgendwann noch einmal in Deutschland von der Politik etwas wollen, denn ihre Produkte werden in Deutschland vertrieben. Mit dieser Art von Personalpolitik, wie Nokia sie betreibt, schafft sie keine Vertrauensgrundlage in unserem Land. Davon kann dieses Unternehmen ausgehen.

    Müller: Herr Wend, so etwas zumindest leicht übers Ohr gehauen fühlen Sie sich, weil die Politik dann im Vorfeld muss man ja ganz klar sagen zu naiv war?

    Wend: Naiv? Das ist immer leicht daher gesagt. Damals ist klar gesagt worden, wenn die Subventionen nicht kommen, dann fallen sofort 2500 Arbeitsplätze weg. In einer solchen Situation war doch der Druck auf die Politik und im Übrigen ja nicht ganz zu Unrecht sehr groß, zu einer Lösung beizutragen. Wir haben diesen spektakulären Fall von Nokia und damals auch bei BenQ, wo ich schon finde, dass wir uns übers Ohr gehauen fühlen dürfen, aber es gibt auch viele andere Fälle, in denen sehr erfolgreich etwa Landesbürgschaften oder Subventionen eingesetzt wurden und dauerhaft Arbeitsplätze erhalten wurden. Also das Instrument ist richtig und es ist falsch, mit dem Finger auf die Politik zu zeigen. Der Finger gehört dahin, wo die Entscheidungen getroffen werden. Wir müssen daraus die Konsequenzen ziehen und diesem Unternehmen sagen, wenn du deine Produkte in Deutschland veräußern willst, dann musst du auch ein Minimum an Kultur und an Verständnis für das aufbringen, was menschliche Existenzen hier in diesem Land [unverständlich, die Red.].

    Müller: Wobei, Herr Wend, das ja nun der Verbraucher, der Kunde entscheiden muss. Der kann ja jetzt auch in den nächsten Wochen und Monaten dementsprechend entscheiden, wenn er das für richtig hält. Aber Sie sind politisch ja auch verantwortlich. Deswegen reden wir noch einmal über die Rolle der Politik. Wie Sie das beschrieben haben, könnte man zumindest dann den Eindruck haben, dass wenn es um Arbeitsplätze geht die Politik direkt oder indirekt erpressbar ist?

    Wend: Ich glaube, dass das nicht ganz falsch ist. Das ist aber sagen wir mal seit Jahrzehnten so, dass immer dann, wenn ein Unternehmen nach außen tritt und sagt, wir erwägen Arbeitsplätze abzubauen, als nächstes die Kommune, das Land oder der Bund gefragt ist, seid ihr bereit zu helfen, diese Entscheidung noch einmal umzudrehen. Dieses Helfen ist meistens nicht mit guten Worten getan, sondern mit Geld. In der damaligen Phase, bei Nokia, aber auch bei vielen anderen Unternehmen setzen die Beschäftigten, setzen Betriebsrat und Gewerkschaften darauf, dass der Staat mit Steuergeldern hilft, um Arbeitsplätze zu erhalten. Das ist auch dort geschehen. Dieses Geschäft einer Gegenseitigkeit wird nicht immer seriös abgewickelt. In diesem Falle kann man wirklich nicht von Seriosität sprechen. In vielen anderen Fällen machen Unternehmen das sehr seriös. Von daher will ich noch mal betonen: Es ist immer ein Geschäft auf Gegenseitigkeit und ich erwarte von dem Unternehmen Nokia, wenn sie Geschäfte in Deutschland machen wollen, dass diese Entscheidung noch einmal überdacht wird, in den Gremien und insbesondere im Aufsichtsrat.

    Müller: Rainer Wend, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank und auf Wiederhören!