Donnerstag, 28. März 2024

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"Das ist die Aufgabe von Herrn Ramsauer"

Uwe Beckmeyer (SPD) wirft Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vor, zu spät auf die Flugverkehrskrise reagiert zu haben. Allein 300.000 Deutsche warteten im Ausland darauf, betreut zu werden.

21.04.2010
    Dirk Müller: Die Ausnahmen gehören ja zur Regel. So ist der Luftraum in vielen Teilen Europas freigegeben, in Deutschland aber offiziell noch nicht. Die Sperrung ist erst einmal verlängert worden bis heute Morgen. Aber auch hierzulande gibt es wieder Ausnahmen.
    Verwirrung in der Luft, auch in der Politik, oder vielleicht auch wegen der Politik. Mein Kollege Jürgen Liminski hatte Gelegenheit, mit dem verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Uwe Beckmeyer, zu sprechen. Seine erste Frage: dreht Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Loopings?

    Uwe Beckmeyer: Mein Eindruck ist, dass er sein als Minister wahrzunehmendes Krisenmanagement nicht voll und ganz aufnimmt und wahrnimmt und es der Deutschen Flugsicherung alleine überlässt, die eine wichtige Aufgabe haben dabei, zweifelsohne, aber die natürlich nicht umfassend das gesamte Krisenmanagement beherrschen können, weil das gar nicht ihr Metier ist.

    Jürgen Liminski: Was hätte er denn besser machen müssen?

    Beckmeyer: Er hätte ein eigenes Krisenmanagement umgehend im Hause des Bundesverkehrsministeriums einrichten müssen, am besten unter seiner Leitung, oder unter der eines seiner Staatssekretäre, einfach um auch das ganze Drumherum fest in die Hand zu nehmen. Wir haben 300.000 Deutsche außerhalb der Grenzen Deutschlands, die darauf warten, dass sie betreut werden, dass sie erfahren, wann es so weit wieder nach Hause geht. Alles das gehört dazu. Wir haben Airlines, die sich wirtschaftlich sorgen. Die laufen jetzt zu Herrn Brüderle und klopfen da an und fragen nach einer Task Force. Nein, das gehört alles in das Verkehrsministerium, das ist die Aufgabe von Herrn Ramsauer.

    Liminski: Prinzipiell sagt Minister Ramsauer, Sicherheit zuerst. Ist das denn falsch?

    Beckmeyer: An dieser These habe ich überhaupt nichts auszusetzen. Das ist auch abgestimmt in der Verkehrspolitik. Das Thema muss so behandelt werden, Safety first geht vor wirtschaftlichen Fragen der Airlines, das ist völlig richtig. Das hat aber auch die Lufthansa und Air Berlin nie bestritten.

    Liminski: Ihr Parteifreund Pronold sagt, Ramsauer müsse mehr Asche auf sein Haupt streuen, als der Vulkan derzeit ausspucke. Stürzt Ramsauer?

    Beckmeyer: Ich weiß nicht, ob er abstürzt, aber entscheidend ist: Ein Minister, der diese Aufgabe originär zu bewältigen hat, der muss das auch tun und der darf es nicht, ich sage mal, Dritten überlassen. Ich habe den Vergleich benutzt bei einer Pressekonferenz: Das wäre so, als wenn der Afghanistan-Konflikt von einem Hauptfeldwebel geführt wird. Das geht nicht! Die haben alle ihre Aufgaben und alle ihre Verantwortung, aber die zentrale Aufgabe eines zentralen Krisenstabes, die hat der Minister selber, und da sind alle Facetten zusammenzunehmen und zu beurteilen. Wir haben ja gerade auf europäischer Ebene gehört, dass auch da es nicht gut koordiniert ist. Auch da gibt es unterschiedliche Sichten, unterschiedliche Verhaltensweisen der einzelnen Staaten, und irgendwie gehört ja Europa zusammen. Es kann ja nicht sein, dass an der deutschen Grenze bis zum Rhein das Reglement führt und ein Kilometer weiter ein anderes Reglement greift. Das muss abgestimmt werden und das kann nicht nur die Deutsche Flugsicherung machen, da gehört mehr dazu. Da gehört eine europäische Kooperation, ein europäisches Management dazu, und das ist ministerielle Aufgabe.

    Liminski: Hat die gesamte Verkehrspolitik in Europa nicht versagt, weil man auch schon lange hätte Standards erarbeiten müssen für solche Fälle, sodass man zum Beispiel weiß, ab wann eine Aschewolke überhaupt gefährlich ist?

    Beckmeyer: Das sind ja im Grunde Standards, die von der internationalen Ebene kommen, ICAO (International Civil Aviation Organization), die dafür ja auch ihre Zuständigkeit hat. Was wir lernen ist, dass dieses am grünen Tisch erarbeitete und sicherlich hin und wieder auch überprüfte, aber nun ja zum ersten Mal ganz dramatische Entwicklungen, Auswirkungen entfaltet, dass dieses, denke ich, noch mal überprüft werden muss. Das ist auch eine Lehre aus der aktuellen Situation.

    Liminski: Welche weiteren Lehren würden Sie aus dem Fall ziehen?

    Beckmeyer: Ja, auf jeden Fall, dass man ein, ich sage mal, Krisenszenario weiter im Grunde ausformen muss. Die Frage ist, was wir jetzt haben, drei verschiedene Kriterien von Lufträumen, also der Luftraum direkt um den Feuer speienden und Rauch speienden Vulkan, das ist die eine Zone, die zweite Zone ist das, wo wir sind, und die andere Zone ist, wo keine Belastung ist. Das ist irgendwie ein bisschen unklar und ein bisschen sehr einfach. Ich habe die Furcht, dass momentan ein großes Risiko in der Luftverkehrswirtschaft bei den Piloten abgeladen wird. Die beklagen sich ja auch inzwischen, sehen aber natürlich auch, dass die Airlines es von ihnen erwarten, und sie tun es ja auch, diese Flüge, aber am Ende ist das auch nicht korrekt, was da passiert. Das ist juristisch möglicherweise so jetzt ausgearbeitet worden, aber ich habe da persönlich ein ungutes Gefühl, dass wir nicht die Piloten in dieser Frage derart mit Verantwortung überziehen, die ihnen eigentlich nicht zusteht oder zukommt.

    Liminski: Und wer zahlt die Zeche, also die wirtschaftlichen Ausfälle?

    Beckmeyer: Da ist die erste Frage, welche wirtschaftlichen Ausfälle meinen Sie. Ich weiß, dass die Airlines sich gemeldet haben, aber genauso gut können 300.000 Deutsche im Ausland die Frage an uns stellen, wer bezahlt denn eigentlich meine Hotelunterkunft aufgrund der Tatsache, dass mich meine Airline nicht hat nach Hause bringen können, ist der Staat da auch für verantwortlich. Da habe ich eine gewisse Reserve und eine gewisse Zurückhaltung, die lege ich auch aktuell in der aktuellen Debatte an den Tag.

    Müller: Der SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer im Gespräch mit meinem Kollegen Jürgen Liminski.