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"Das ist ein demokratischer Normalfall"

Torsten Albig kann nichts Anstößiges daran finden, dass mit ihm und Ralf Stegner zwei SPD-Politiker Spitzenkandidat für die Neuwahlen des schleswig-holsteinischen Landtags werden wollen. Der Oberbürgermeister von Kiel kritisiert jedoch das Verfahren der Kandidatenkür - und dringt auf einen raschen Mitgliederentscheid.

Torsten Albig im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 08.09.2010
    Tobias Armbrüster: Die SPD in Schleswig-Holstein muss sich in den nächsten Monaten überlegen, mit welchem Spitzenkandidaten sie in die Neuwahlen des Landtags ziehen will. Dass der Landtag bis Ende 2012 neu gewählt werden muss, das hat das Kieler Landesverfassungsgericht vergangene Woche beschlossen. Bislang sah es so aus, als sei die Frage des SPD-Kandidaten geklärt. Ralf Stegner, der Fraktionsvorsitzende, war auch schon Spitzenkandidat bei der letzten Wahl vor einem Jahr, aber vor wenigen Tagen hat ein anderer seinen Hut in den Ring geworfen: Thorsten Albig, der Oberbürgermeister von Kiel. Er war zu Zeiten der Großen Koalition in Berlin der Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück. Mit Torsten Albig bin ich jetzt am Telefon verbunden. Schönen guten Morgen, Herr Albig.

    Torsten Albig: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Was können Sie besser als Ralf Stegner?

    Albig: Vielleicht lächeln mehr Menschen, wenn ich mit ihnen rede. Es ist gar nicht so sehr die Frage, ist der eine klüger, ist der andere beredter, sondern wie vermittelt man Politik. Und zur Politik und auch zum Gewinnen von Wahlen gehört ja immer auch, dass es so eine Einheit gibt zwischen der Aussage der Partei und den Kandidaten und der Ansprache an Menschen, und da gibt es unterschiedliche Ansätze und ich stehe, glaube ich, mal für einen etwas verbindlicheren Ansatz.

    Armbrüster: Was hat denn Ralf Stegner da falsch gemacht?

    Albig: Es ist also schon gar nicht an mir zu sagen, was man falsch macht, sondern wie wirkt man. Und mein Eindruck ist, der mir auch von vielen gespiegelt wird, die SPD wird im Augenblick wahrgenommen in Schleswig-Holstein als eine Partei, die dann eher aggressiv in Diskussionen hereingeht, eher in die Konfrontation geht und nicht versucht, Brücken zu bauen, obwohl eigentlich unser Antrieb es ist als Sozialdemokratie, solche Brücken in Gesellschaften zu bauen. Diese Distanz, die da geschaffen wurde, das ist etwas, was ganz viele Bürgerinnen und Bürger vermissen, dass es abgebaut wird, und sie vermissen, dass irgendwie Brücken gebaut werden, und darüber muss man reden. Das sind gar nicht so sehr Sachen von falsch und richtig, sondern wirklich von grundsätzlichem Angang an Fragestellungen. Dahinter stecken, hoffe ich mal, in beiden Fällen ausgesprochen, jedenfalls bei ihm, kluge und respektable Menschen. Ob ich es bin, das müssen andere beurteilen.

    Armbrüster: Herr Albig, sind Sie dann ein Politiker, der ganz offen sagt, dass Politik vor allem eine Sache der öffentlichen Wahrnehmung ist, eine Frage, wie man auftritt und wie einen der Wähler wahrnimmt?

    Albig: In dem Fall bin ich ein Politiker, der sagt, das ist es auch. Ich glaube, es ist falsch zu glauben – und das zeigen übrigens auch die Entwicklungen bei Wahlbeteiligungen, bei Zustimmung zur Politik im allgemeinen -, dass es reicht, Inhalte klug zu diskutieren, und dann war's das. Menschen haben zurecht den Anspruch darauf, dass wir ihnen die Politik auch nahe bringen, und sie möchten, ist mein Eindruck, dies auch verbinden mit Personen, die sie dafür auch in die Verantwortung nehmen.

    Armbrüster: Und da kommt Herr Stegner eher unsympathisch herüber und Sie sympathischer?

    Albig: Da fällt es ihm schwerer vielleicht als mir, Zustimmung zu gewinnen.

    Armbrüster: Wie hilfreich ist das denn nun für die SPD in Schleswig-Holstein, wenn sich die beiden großen politischen Talente, wenn ich mal so sagen darf, so beharken, wie sie das beide tun?

    Albig: Ich glaube, wir tun es gar nicht! Eine Partei wie die SPD kann ja nicht darunter leiden, dass zwei sagen, wir halten uns für geeignet. Das ist ein demokratischer Normalfall. Das ist das, was Wahlen ja eigentlich auszeichnet. Das Wort kommt ja irgendwie von Auswahl, also zwei sollten schon da sein. Und es gibt da zwei, die sich das zutrauen. Die werden dadurch nicht zu Feinden, die werden dadurch nicht zu Gegnern, sondern die stehen, denke ich mal, im großen Respekt voreinander da und geben jetzt der SPD die Möglichkeit zu sagen, welchen findet ihr denn davon besser? Und wenn das dann gesagt wurde, dann sollte der eine dem anderen sagen, okay, fein, Glückwunsch, und nun lassen wir uns gemeinsam deinen Weg gehen und dich unterstützen, dass du es schaffst. Dieses aus jeder Situation eine Auseinandersetzung zu machen, jetzt bekämpfen die sich, jetzt bekriegen die sich, jetzt gibt es dort einen Machtkampf, da habe ich gar keine Zeit für, ehrlich gesagt. Ich bin Oberbürgermeister, habe einen relativ vollen Terminkalender, muss mich auch um meine Stadt kümmern. Ich sage, ich glaube, ich kann das. Sonst wäre es ja albern, sonst müsste ich mich nicht melden. Ich glaube, ich habe gewisse Talente und ich stelle die in eine Wahlsituation. Die gewinnt man, oder die verliert man, aber es geht nicht die Welt unter, wenn man sie verliert.

    Armbrüster: Herr Albig, Sie haben jetzt das schöne Stichwort "Zeit haben" genannt. Herr Stegner plant ja ein regelrechtes Schaulaufen vor dieser Kandidatenkür. Haben Sie als Oberbürgermeister Zeit für diese 15 Termine im ganzen Land, die dafür veranschlagt werden?

    Albig: Man wird sich die Zeit nehmen müssen, die man braucht, und wenn beide Seiten das fair machen, dann ist das auch alles zu organisieren. Die eigentliche Frage ist: Was wollen wir denn darstellen? Wenn man es so täte, wie jetzt im Augenblick beschlossen, dann würden Sie über einen ganz langen Zeitraum permanent das haben, was Sie eben auch beschrieben haben. Das ist ja medial sehr spannend. Zwei Leute laufen gegeneinander, wird dann so wahrgenommen, es wird immer über eine Konfrontation berichtet, da können wir beiden dann noch so viel freundlich miteinander umgehen wie wir wollen, und das haben sie über einen langen Raum. Dann ist geplant, hinter jeder von 15 Veranstaltungen ein Votum abgeben zu lassen aus dem dort zufällig da seienden Publikum. Sie laufen in Situationen hinein, dass sie 8 : 7, 7 : 8, 6 : 9, 0 : 15, 15 : 0 aus solchen 15 Veranstaltungen herauskommen, diese Voten aber gar keine Bedeutung haben.

    Armbrüster: Herr Albig, verstehe ich Sie dann richtig? Sie halten nichts davon, von diesem Vorgehen?

    Albig: Es ist zu lang, es ist auf Konfrontation angelegt und es schwächt die Partei und es schwächt den Kandidaten, der am Ende herauskommt. Wenn man es denn jetzt machen muss, machen möchte, intensives Verfahren, schnell auf den Mitgliederentscheid zugehen, Vorstellungsrunden kompakt im Land anbieten. So unbekannt sind die beiden Kandidaten dann doch nicht. Sich vorstellen lassen und dann die Mitglieder befragen und dann sich wieder dem zuwenden, dem man sich zuwenden muss. Das ist ja der politische Gegner und nicht die SPD unter sich.

    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Torsten Albig, der Oberbürgermeister von Kiel. Er will SPD-Spitzenkandidat bei der kommenden Landtagswahl werden. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Albig.

    Albig: Sehr gerne, Herr Armbrüster. Tschüss!

    Armbrüster: Tschüss!