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"Das ist für eine Beethovenstadt schwer vorzustellen"

Der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hat die Idee, die Oper in der ehemaligen Bundeshauptstadt zu schließen. Der Generalintendant des Theaters Bonn, Klaus Weise, äußert diesbezüglich "größte Bedenken und Zweifel".

Klaus Weise im Gespräch mit Christoph Schmitz | 22.11.2010
    Christoph Schmitz: Die ehemalige, wenn auch provisorische Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland steht knapp vor einem Nothaushalt. Der unglückliche Verlauf eines Großprojektes für ein internationales Kongresszentrum hat Bonn in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Es muss massiv gespart werden. Seit der Jahrtausendwende wurden dem Drei-Sparten-Theater schon 14 Millionen Euro an jährlichen Zuschüssen gestrichen, über 200 Mitarbeiter wurden seitdem entlassen. Ab dem nächsten Jahr sollen im Etat noch einmal 3,5 Millionen wegfallen.
    Der SPD-Oberbürgermeister von Bonn, Jürgen Nimptsch, will aber noch kräftiger zulangen. Auf einem kulturpolitischen Symposium am Samstag im benachbarten Köln sagte OB Nimptsch, angesichts des Spardrucks habe es einen gewissen Charm, wenn die Oper künftig einen Schwerpunkt in Köln, der Tanz dagegen in Bonn hat. Das Sprechtheater zurückzufahren, sei fahrlässig, also bleibe nur: die Oper in Köln, der Tanz in Bonn. Bonn ohne Oper – was sagen Sie dazu? Das habe ich den Bonner Generalintendanten Klaus Weise gefragt.

    Klaus Weise: Das ist für eine Beethovenstadt schwer vorzustellen. Beethoven war bekanntlich ein Musiker und er hat auch eine Oper geschrieben, wenn auch nur eine, aber nicht die schlechteste. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass eine Kulturstadt, eine Stadt des Bildungsbürgertums, wie Bonn das ist, eine UN-Stadt, eine Bundesstadt, eine Beethovenstadt, dass es dort keine Oper geben soll. Es sind ja sehr viele Zahlen im Umlauf; man sprach mal von 3,5 Millionen, die gespart werden müssten, dann mal 7 Millionen, mal 12 Millionen. Das ist doch relativ willkürlich und ich glaube, dass man nicht mit dieser Fahrlässigkeit einer Institution wie dem Theater auf den Leib rücken sollte. Ich habe da größte Bedenken und Zweifel, ob das richtig sei.

    Schmitz: Herr Weise, der Bonner OB Nimptsch hat ja seine Idee nur als Gedankenspiel formuliert. Glauben Sie, dass es wirklich nur ein Gedankenspiel ist, oder doch schon die kalkulierte verbale Vorbereitung für das Ende der Bonner Oper?

    Weise: Meines Wissens ist das eine Idee, die er geäußert hat, für die es keine politische Mehrheit gibt. Ich hoffe das zumindest, ja, weil das muss ja dann auch beschlossen werden vom Rat der Stadt, der muss das ja wollen. Da bin ich nicht sicher, ob das wirklich gewollt werden wird.

    Schmitz: Sie sprachen Bonn als Beethovenstadt schon an. Der Oberbürgermeister meint, Bonn müsse sich auf das in der Bürgerschaft fest verankerte beschränken. Das sei eben Beethoven und deswegen brauche Bonn nicht unbedingt eine Oper, aber eine neue Beethovenhalle als kulturprägendes Markenzeichen. Was sagen Sie dazu?

    Weise: Naja, also ich weiß nicht, ob die Oper als Opfer für die neue Beethovenhalle herhalten sollte, und es irritiert mich ein bisschen, dass mit der Heftigkeit, mit der über die Schließung von Sparten oder die Reduktion von finanziellen Zuschüssen nachgedacht wird, ob das nicht auch irgendwie Stellvertretungs- und Symbolkämpfe sind, um sozusagen ein bisschen abzulenken von der Unfähigkeit, die Finanzen der Stadt in den Griff zu bekommen, und das kann das Theater nicht. Selbst wenn wir das schlössen, alle zweieinhalb Sparten, die wir noch haben, wird der Haushalt der Stadt damit nicht zu sanieren sein. Es erschiene mir sinnvoller, dass die Politik und der Herr Nimptsch sich doch darum bemühen sollte, vom Land Zuschussmittel zu bekommen, so wie das in Baden-Württemberg, in Hessen und in Bayern der Fall ist, damit zweifelsohne die Kommunen, die viel schultern müssen, Gelder vom Land bekommen, um die Theater mitfinanzieren zu können. Das schiene mir der richtige Weg.

    Schmitz: Das Bonner Beethovenorchester ist ja ein A-Orchester und sitzt einen großen Teil seiner Dienstzeit aber im Orchestergraben.

    Weise: Ja. Wir finanzieren das auch mit 3,5 Millionen. Wir bezahlen also auch keine geringe Summe. Das ist so! Ich glaube, mindestens die Hälfte der Dienste finden in der Oper statt.

    Schmitz: Aber mit dem Wegfall der Oper verlöre das Beethovenorchester als A-Orchester auch einen Teil seiner Daseinsberechtigung. Wäre damit, also mit dem Opernende, auch das Ende des Beethovenorchesters eingeläutet?

    Weise: Ja, das ist wohl zu befürchten. Aber zunächst mal würde ja das ganze Opernensemble wegkippen, was ja, denke ich, auch nicht sehr erfreulich ist, der Chor, den wir nicht mehr bräuchten, und dann natürlich auch das Beethovenorchester, das sich ja legitimiert durch die Dienste in der Oper unter anderem, jenseits der symphonischen Auftritte in der Beethovenhalle und auf Tourneen.

    Schmitz: Zumal ja auch ohne Beethovenorchester das Markenzeichen, das der Oberbürgermeister beschwört, nämlich die Beethovenstadt Bonn, ohne Klangkörper dastünde, oder mit reduziertem Klangkörper, wobei ja damit das Markenzeichen an Substanz verlöre.

    Weise: Ja. Es wurde ja wohl gesagt, dass es ein bisschen als Aushilfsorchester dann in Köln in der Oper auftreten kann. Es ist nur in der Gegenwart so, dass sich das Beethovenorchester eben auch durch die Operndienste legitimiert, ganz eindeutig, und auch da eine sehr hohe Akzeptanz hat bei unserem Publikum.

    Schmitz: Können Sie überhaupt noch Oper, Theater, Tanz in Zukunft möglicherweise auch wieder anbieten, wenn Ihrem Haus seit 2000 14 Millionen Euro jährlicher Zuschüsse gestrichen worden sind und nun ab 2011 nochmal 3,5 Millionen weniger in Ihren Haushalt fließen sollen? Ist Arbeit überhaupt noch möglich?

    Weise: Nicht mehr in der jetzigen Form. Selbst diese "geringe" Summe von 3,5 Millionen würde die Struktur und die Substanz des Hauses verändern, gar keine Frage. Es würden wegfallen müssen Spielstätten und es müsste beim künstlerischen Personal weiterhin gespart werden, und das Angebot, das wir jetzt haben, sowohl in Quantität und Qualität, wäre so nicht aufrecht zu erhalten. Das muss man wissen. Das finde ich schon eine kulturlose Perspektive.